wolfsgeheul.eu vom 15.06.2017

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Man sollte die Feste feiern, wie sie fallen.

Hugo von Hofmannsthal hat das so in Worte gekleidet:

„Fronleichnam

Von Glockenschall, von Weihrauchduft umflossen,
Durchwogt die Straßen festliches Gepränge
Und lockt ringsum ein froh bewegt Gedränge
An alle Fenster, – deines bleibt geschlossen.

So hab auch ich der Träume bunte Menge,
Der Seele Inhalt, vor dir ausgegossen:
Du merktests kaum, da schwieg ich scheu-verdrossen,
Und leis verweht der Wind die leisen Klänge.

Nimm dich in acht: ein Tag ist schnell entschwunden,
Und leer und öde liegt die Straße wieder;
Nimm dich in acht: mir ahnt, es kommen Stunden,

Da du ersehnest die verschmähten Lieder:
Heut tönt dir, unbegehrt, vielstimmiger Reigen,
Wenn einst du sein begehrst, wird er dir schweigen.“

Die hochoffiziellen Feiertage in Deutschland gehören meines Erachtens überdacht. Zuallererst plädiere ich für eine Bundeseinheitlichkeit. Wenn ich heute zum Beispiel Mails und Anrufe aus Sachsen erhalte, zeigt sich doch, daß es wenig sinnvoll ist, wenn die halbe Republik feiert und die andere arbeitet. Wir sind viel zu eng vernetzt und aufeinander angewiesen, als daß wir uns solche Mißverständnisse und Reibungsverluste leisten sollten. Und was spricht dagegen, wenn an einem Tag die Katholiken mit Fronleichnam den Ton angeben und zum Reformationstag zum Beispiel die Protestanten? So werden alle sensibel gemacht für die feierlichen Anlässe bestimmter großer gesellschaftlicher Gruppen. Auf dieser Linie könnte ich mir durchaus auch einen gesamtdeutschen jüdischen oder muslimischen Feiertag vorstellen. Und Manövriermasse haben wir als Feiertagsweltmeister genug, um die freien Tage nicht ins Kraut schießen zu lassen. Brauchen wir denn wirklich die Montage zu Ostern und Pfingsten und den zweiten Weihnachtstag?

Mein Wusch ist es, daß die Gesellschaft aneinander Anteil nimmt und Verständnis füreinander gewinnt. Die Reformation des Feiertagswesens könnte dabei ein nicht unwesentlicher Schritt sein.

Gute Nacht!

Ihr/Euer Wolf

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wolfsgeheul.eu vom 09.01.2017

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Schwein gehabt!

Bei meiner Mutter in der Senioren-Residenz putzt eine sehr nette türkischstämmige Frau, die seit Jahrzehnten in Deutschland lebt. Von Anfang an haben sich die beiden gut verstanden, und es herrscht ein herzliches Verhältnis, welches nicht nur in Gesprächen, sondern natürlich auch in süßen Gaben an die Gute, die von ihr sehr gerne angenommen werden, seinen Ausdruck findet.

Auf dem Neujahrsempfang des Heimes hat jeder Resident ein edles Marzipanglücksschweinchen aus Lübeck erhalten. Da meine Mutter den Geschmack der feinen Mandel-Zucker-Masse nicht so schätzt, bot sie dieses ihrer Putzfee an. Diese lehnte jedoch lächelnd mit der Begründung „Marzipan ja – Schwein nein!“ ab. Meiner Mutter war der Vorgang peinlich und sie entschuldigte sich. Diese Geste wurde zwar dankend vernommen, aber gleichzeitig als unnötig zurückgewiesen.

Ist das nicht eine herrliche Anekdote. Auch ich hätte nicht im Traum daran gedacht, daß allein die Form eine ansonsten geliebte Süßigkeit ungenießbar für gläubige Muslime macht. Vielleicht gilt das aber auch gar nicht generell, sondern ist nur eine besonders strenge Auslegung. Sei es wie es sei! Dazugelernt und jedenfalls hat es akzeptiert zu werden.

Und eine bedauernde Bitte um Verzeihung war wirklich nicht notwendig. Denn das genau macht den Umgang zwischen unterschiedlichen Kulturen aus, daß man überwiegend unbedarft miteinander verfährt und nicht jedes Wort vorher auf die Goldwaage legt und jede Geste tausendmal überdenkt. Wir haben alle einen Mund zum Reden und können uns erklären. Auf diese Weise lernen Menschen einander am besten kennen und verstehen. Nur eine ungefilterte Kommunikation fördert Ungleichheiten und Restriktionen zutage, auf die nach entsprechender Erläuterung und Erörterung in der Folge Rücksicht genommen werden kann und sollte. Auf diese Weise gewinnt der Umgang an gegenseitigem Verständnis und erreicht eine zunehmende Reibungslosigkeit. Gelänge das doch immer mit dieser friedlichen Leichtigkeit. Wechselseitiger Humor übrigens hilft dabei auf jeden Fall ungemein.

Und, gut, daß es auch Marzipanbrote gibt! Denn sonst hätte manch türkisches Leckermäulchen ein Problem.

Schwein gehabt!

Gute Nacht!

Ihr/Euer Wolf

 

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