wolfsgeheul.eu vom 25.04.2017

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„Erfreut, Sie zu sehen!“!

Eine Golffreundin rümpfte neulich die Nase, als ich zu jemandem, den wir beide nicht besonders schätzen, diese Worte sprach. Mein Kommentar hinterher war, daß gutes Benehmen es zwar häufiger mit der Wahrheit nicht so genau nähme, aber eine läßliche Lüge sei, die den Umgang miteinander angenehmer gestalte und zu allgemein besserer Stimmung beitrage. Dieses Argument hat sie als Wahrheits- und Offenheitsfanatikerin sicherlich nicht überzeugt. Gleichwohl gehe ich von der Richtigkeit dieser These aus. Denn wenn ich jedem Arschloch – und davon gibt es leider sehr viele – sagen wollte, daß er eines ist, käme ich kaum noch zu den wichtigen Dingen. Ein freundliches Wort hingegen vermeidet Spannungen und verkürzt so meistens sogar die ungeliebte Kommunikation mit solchen Menschen allein schon deshalb, weil die kluge Gegenseite, die den Schwindel natürlich  im Zweifel durchschaut, ihr Glück zumeist auch nicht überstrapazieren will. Es spart damit definitiv Zeit und verdüstert nicht die eigene Seele. Gutes Benehmen ist also bei weitem nicht uneigennützig. Es hilft einem selbst und schmeichelt dem anderen. Das nennt man heute eine Win-Win-Situation. Und selbst wenn das Gegenüber dem Braten nicht traut oder gar weiß, wie faustdick die Lüge ist, die darin steckt, wird es wie oben schon angesprochen seltenst opponieren, weil es wenig sinnvoll ist, sich – erst recht in der Öffentlichkeit – gegen etwas ausdrücklich Positives zu wenden.

In Deutschland redet man mit einer solchen Ansicht allerdings leider gegen die Wand. Hier wird klare Schroffheit mit Ehrlichkeit und Geradlinigkeit gleichgesetzt. Und in genau einer solch‘ harschen Atmosphäre leben wir täglich. Das muß einem ja die Laune verderben.

Meine morgendliche Zeitungslektüre der FAZ – „Das beste Blatt der Welt, über das ich mich, wie meine regelmäßigen Leser wissen, niemals ärgere!“ – brachte mir dankenswerterweise ein Goethe-Zitat in Erinnerung.

Zu Beginn des zweiten Aktes von Faust II fragt Mephisto als Professor verkleidet den inzwischen zum Baccalaureus – klingt übrigens viel edler als es der Bachelor der Neuzeit ist! – promovierten Schüler aus dem ersten Teil: „Du weißt wohl nicht, mein Freund, wie grob du bist?“, nachdem dieser über seine akademischen Lehrer übel geschimpft hatte.

Der Schüler antwortet: „Im Deutschen lügt man, wenn man höflich ist.“.

Daran hat sich bis heute nichts geändert. Schade!

„Erfreut, Sie hinter mir zu wissen!“!?

Gute Nacht!

Ihr/Euer Wolf

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wolfsgeheul.eu vom 19.04.2017

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„Daran erkenn‘ ich meine Pappenheimer.“.

So läßt es Schiller im dritten Teil seines Dramas Wallenstein sagen. Ja, woran denn?

Wer in seinem Studium der Rechtswissenschaften auch etwas über den Tellerrand geschaut hat, kennt den Namen Cesare Lombroso, der im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts mit Studien auf sich aufmerksam gemacht hat, die versuchten, den Nachweis anzutreten, daß es eine Korrelation zwischen dem Aussehen eines Menschen und seinem kriminellen Potential gibt. Dabei kaprizierte er sich hauptsächlich auf die Physiognomie und behauptete, daß bestimmte Schädelformen und/oder Gesichtsmerkmale wie zusammengewachsene Augenbrauen auf einen Kriminellen hindeuten. Diese sehr umstrittene, heute überwiegend abgelehnte Theorie wurde – wen wundert es!? – zum Beispiel maßgeblich von Nazis adaptiert und für deren teuflisches Tun mißbraucht.

In realiter müssen wir uns aber wohl damit abfinden, daß sich hinter jedem, also auch hinter dem lieblichen oder gutmütigen, Gesicht die Fratze des Bösen verbergen kann.

Dies eingedenk verwundert es schon, daß das „Imperial War Museum“ in London jetzt nachkolorierte Photographien des Feldpredigers Charles Parsons, die dieser nach der Befreiung des Konzentrationslagers Bergen-Belsen von dortigen Aufseherinnen, die sich besonders grausam verhalten haben und danach zum Tode oder zu langen Haftstrafen verurteilt wurden, im Rahmen der erkennungsdienstlichen Behandlung geschossen hat, ausstellt. Die Bilder als Teil eines Bild-Artikels können unter folgendem Link betrachtet werden:

http://www.bild.de/news/ausland/konzentrationslager/nazi-aufseherinnen-bergen-belsen-51314192.bild.html

Und der mutmaßlich gewollte Effekt tritt sofort ein. Was für furchtbare Frauen sind auf diesen Porträts abgebildet! Denen traut man auch ohne die Detailinformationen in der Bildunterschrift alles zu.

Doch keiner scheint die Umstände zu bedenken, in denen die Frauen sich der Linse des Photographen stellen mußten. Alle den eigenen Tod vor Augen! Und ist es ausgeschlossen, daß die verbitterten Minen neben Angst auch Scham und eventuell sogar Reue ausdrücken!? Und was wäre, wenn sie statt KZ-Aufseherinnen allesamt Frauen zeigten, denen sich Krankheits- und Todeserfahrungen im engsten Familienkreise in ihre verhärmten Antlitze eingraviert haben!?

Wir wissen es nicht und werden es niemehr erfahren. Zwar waren einige sicherlich von ihrer Natur her brutal und sadistisch veranlagt und haben ihre niederen Triebe mit Freude ausgelebt. Andere aber hat gegebenenfalls auch das System zu dem gemacht, was sie dann geworden sind. So wage ich die Behauptung, daß, stellte man den erkennungsdienstlichen Photos private aus der Teenagerzeit der Weiber, die später zu Hyänen wurden, gegenüber, die meisten der jungen Frauen nicht erkennen lassen würden, welche dunkle Seite in Zukunft in ihnen die Oberhand gewinnen würde. Aber selbst mit dieser Modifikation und Ergänzung hielte ich die Ausstellung für unverantwortlich.

Denn jedenfalls dürfte klar sein, daß der Blick in ihre Gesichter außer der Bestätigung von Vorurteilen aufgrund der gleichzeitig mitgelieferten Daten letztlich keinerlei Erkenntnisgewinn bringt. Ja, das Projekt ist sogar unwissenschaftlich und gefährlich, weil es den Betrachter in seiner falschen Ansicht bestärkt, er könne seine Pappenheimer regelmäßig erkennen.

Wie formuliert es der Schillerkonkurrent Goethe!? „Es irrt der Mensch, solang er strebt.“

Den Dank der grausamen Damen begehre ich allerdings nicht.

Gute Nacht!

Ihr/Euer Wolf

 

 

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