wolfsgeheul.eu vom 06.03.2016

0
0

Schwere Zeiten für Sprachliebhaber!

„Das wird ’ne ganz, ganz schwere Nuß!“, so Ex-Tennisprofi Nicolas Kiefer als Co-Kommentator wörtlich zum gestrigen Doppel der Deutschen im Davis Cup gegen Tschechien!

Kiefer, du dumme Nuß! Muß das immer wieder sein!? Wenn jemand seine Dienste gratis anbietet, dann schaut man dem geschenkten Gaul richtigerweise nicht ins Maul. Auch in einem Interview ist der Gefragte für seine Sprache selbst verantwortlich. Dieser Sportrentner erhält aber sicherlich eine gehörige Summe Geldes dafür, daß er sein sprachliches Unvermögen auf SAT1 dem sportinteressierten Zuseher präsentieren darf. Das ist nicht hart an der Grenze, sondern unerträglich. Da möchte man im Kieferdeutsch geradezu dem überlaufenden Faß den Boden unter den Füßen wegziehen. Ein guter Hauptkommentator jedoch, nähme solche Fehler nicht einfach hin; vielmehr könnte und würde er von der Möglichkeit Gebrauch machen, seinen Mitstreiter zu korrigieren, was im übrigen durchaus amüsant und für den Fernseheleven, der zugegebenermaßen zuallererst seine sportliche Expertise einbringen soll, in jedem Falle lehrreich wäre. Er tat es nicht. Weil er es selbst nicht bemerkte oder es ihm egal war? Man weiß es nicht. Beides stellt aber eine Nichtachtung der Sprachkultur und des Zuschauers dar. Niedergang im Doppel in jedweder Hinsicht!

Dabei kann die deutsche Sprache so schön sein. Als ich neulich in international besetzter Runde eine Dame bat, an meiner grünen Seite Platz zu nehmen, waren alle ratlos und erheitert zugleich. Die Französin, der Chinese, der Holländer, der Brite, die Italienerin, der Perser, sie alle bekundeten, keine Entsprechung in ihrer Muttersprache zu kennen, aber jeder mochte den Ausdruck und konnte die nachgereichte etymologische Erklärung sofort nachvollziehen. Den ganzen Abend spielte man immer wieder freudvoll mit dieser Formulierung. Eine schöne Art der Völkerverständigung, spiegeln die jeweiligen sprachlichen Eigenarten doch auch sehr viel von dem besonderen Charakter einer Sprachgemeinschaft und deren Denk- und Fühlart wider! Groblinguistiker aber behindern diesen Prozeß, der sowohl durch unsere Geschichte als auch durch unsere unbestritten komplizierte Muttersprache ohnehin schon schwer genug ist. Korrekte sprachliche Bilder jedoch leuchten, selbst wenn sie in anderen Sprachen unbekannt sind, meist sofort ein, aber was soll der Ausländer denken, wenn auf das gemeinhin eher irrelevante Gewicht von Schließfrüchten mit verholzter Fruchtwand Bezug genommen wird, um ein schwieriges Unterfangen anzukündigen, statt auf ihre harte Schale anzuspielen, um mit dem Prozeß des mühseligen Knackens einen verständlichen Vergleich herzustellen!? So gesehen gewinnt ein Lapsus linguae eine ganz andere Dimension und ist eben mehr als eine läßliche Sünde.

Noch’n Original vom Kieferbruch durch weichen Keks von gestern: „Das ist jetzt ein ganz schwieriges Momentum.“ Ein schönes Wort für den richtigen Augenblick und zur Zeit furchtbar in Mode, welches aber an falscher Stelle gebraucht nur peinlich wirkt. Umsomehr ist jetzt der geeignete Zeitpunkt, um zu erkennen, daß der sprachlichen Diarrhö dringend entgegengetreten werden muß, wollen wir unsere vielfältige Sprache nicht auf dem Altar der Dummschwätzer geopftert sehen. Alleinstellungsmerkmale wie unsere Sprache, die zwar im Ausland zum Teil gefürchtet aber durchaus auch geschätzt werden, gehören verteidigt, will man nicht in der Beliebigkeit enden und sich unattraktiv machen.

Warning, Mr. Kiefer!

Gute Nacht!

Ihr/Euer Wolf

P. S.: Der hauptamtliche Kommentator ist übrigens keinen Deut besser! Die Tatsache, daß einige der angereisten tschechischen Fans für das gesamte Wochenende bei diesem winterlichen Wetter im Zelt übernachtet haben, bezeichnete er heute als ein „engagiertes“ Vorhaben. Ein bißchen Ambition könnte auch ihnen nicht schaden, Herr Stach.

0
0

wolfsgeheul.eu vom 21.06.2015

0
0

Aus Recherchegründen habe ich auf YouTube nach einer bestimmten „Harald-Schmidt-Show“ aus der ersten Ära bei SAT1 von 1995-2003 gesucht, bin dabei hängengeblieben und konnte kaum aufhören, eine nach der anderen zu schauen. Nun neige ich dank guter Erziehung zur Souveränität in keinster Weise zu Götzenverehrung, aber Herr Schmidt macht es selbst mir nicht leicht, mich vor ihm nicht zu verneigen. Man wird regelrecht sentimental, wenn man sieht, was es einmal im Fernsehen – und das sogar im privaten – gab. Die Frage, die sich aufdrängt, ist, warum es weder vorher noch nachher etwas Vergleichbares gab und gibt.

Was waren die Qualitäten? Natürlich ist zuallererst die außerordentliche Begabung von Harald Schmidt zu nennen. Da merkt man aber auch, daß gelernt, gelernt ist. Fertig ausbildeter Schauspieler, im zumindest damals hohen Haus des „Kommödchen“ kabarettistisch erweitert und verfeinert und dann von der Bühne vor die Kamera! Da werkelt eben kein dreister, eitler, talentierter Metzger oder dümmlicher, redseliger, abgebrochener Student, sondern ein Profi. Und, was für mich entscheidend ist, war die häufige Präsenz. In der Rückschau zeigt sich nicht nur ein „semper idem“, es öffnet sich vielmehr ein Almanach, der, weil sich meist nur die Personen, aber nicht die Themen ändern, kaum an Aktualität eingebüßt hat. Hinzu kam Nonsense, Extraordinarität und Mut zur Freiheit der Kunst. Das ganze hatte aber auch durchaus journalistische Seiten, und so muß ich konstatieren, daß die Show auch die am längsten sich gehalten habende nahezu tägliche Kolumne, die es sich sogar leisten konnte, sich nicht nur auf ein Thema zu beschränken, war. Das hatte Geist und Witz, und hier und da bildeten sogar die Gäste eine kongeniale Ergänzung und waren nicht nur kommerzielles Kanonenfutter in eigener Sache.

Keine Zeitung leistet dies in dieser exemplarischen Abbildung des Tagesgeschehens bei gleichzeitiger Bedienung von Kunst-, Satire- und Zynismusbedürfnissen, insbesondere schafft kein Medium dieses Durchhalten von Unangepaßtheit und Nonkonformität. Unvergessen sind die Sendungen in französicher Sprache – liebe Franzosen, schaut euch diese Verbeugung vor der Grande Nation an und überdenkt noch einmal, ob ihr Deutsch an den Schulen wirklich abschaffen wollt -, im Dunkeln und mit dem Rücken zu Kamera. Das ganze stellt eine einmalige Leistung dar und erklärt, warum man Harald Schmidt so schmerzlich vermißt. Außer Olli Dittrich und dem ein oder anderen Tatort erreicht keine Sendung des deutschen Fernsehens mehr annähernd ein solches Niveau.

Nun mag es sein, daß Typen wie Schmidt nicht zweimal existieren. Was sollte auch eine Kopie!? Aber es kann doch nicht angehen, daß es niemanden mehr geben soll, der auf seine Art nicht ähnlich gut ist. Deshalb, liebe TV-Medien, sucht einen solchen Mann und gebt ihm schleunigst eine tägliche Late-Night-Show. Wie wollt ihr sonst die mutmaßlich immer noch vorhandenen Millionen Menschen wieder vor den Schirm holen, die so etwas wollen und goutieren? Oder reichen euch etwa die Einschaltquoten des tumben Volkes, so daß ihr auf die paar Anspruchsvolleren verzichten könnt?

Solange Harald Schmidt nicht wiederkommt oder ein adäquater Ersatz gefunden ist, brauche ich jedenfalls das Fernsehen kaum bis gar nicht mehr. Die Buchindustrie und das Internet, welches voller befriedigender Konserven ist, können sich derweil an mir gütlich tun. Wenn man keine Qualität liefert, laufen einem die Kunden eben davon.

Gute Nacht!

Ihr/Euer Wolf

0
0