wolfsgeheul.eu vom 16.12.2016

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Seit nahezu ewigen Zeiten habe ich den Harenberg-Kunstkalender auf meinem Schreibtisch stehen, der jeden Tag ein neues Bild offenbart und auf der Rückseite des Blattes ein paar nette Details zum Künstler und seinem abgebildeten Werk preisgibt.

Früher habe ich meine Kinder damit genervt, weil ich die interessanten Blätter am Mittagstisch präsentierte. Das war für meinen Nachwuchs besonders peinlich, wenn Schulfreunde, deren Eltern gelinde gesagt weniger kulturinteressiert waren, mitaßen. Aber unstreitig haben sie zumindest dabei etwas gelernt, schätzen es inzwischen und können heute einen Cranach, Rubens, Pissarro, Picasso, Braque, Macke, Klee, Gauguin, Baselitz etc. getreu dem Motto „Kennste einen, kennste alle“ meist auf Anhieb erkennen.

Gestern nun zeigt mir mein Leib-und Magen-Abreißkalender das Matisse-Bild „Odaliske mit roter Hose“. Um mir zu gefallen, behaupte ich keck, daß ich beim Abreißen bereits auf Matisse getippt, dem Bild aber ansonsten keinerlei Bedeutung beigemessen habe, da die dargestellte Dame zwar ein in Maßen süßes Gesicht hat, aber sich nach untenhin, wenngleich umhüllt, dicklich zu entwickeln scheint, was offensichtlich nicht allein der Perspektive geschuldet ist. Beim Abriß nun habe ich natürlich den Rückentext gelesen und durfte erfahren, daß Bilder dieser Art in Nizza ab 1916 entstanden sind, wo der Maler seither seine Wintermonate verbrachte. Du besinnliche Winterzeit! Harenberg erklärt mir nämlich, daß es sich um einen Teil eines Bilderreigens handelt, bei dem „die Odaliske noch bekleidet auf ihrer Liege ruht“. Die wissen offenbar mehr!?

Tja, Künstler sind schon hier und da auch zu beneiden! Während andere im Jahresendgemenge Fristen wahren, Geschenke kaufen, Urlaube planen, konnte sich Henri damals an warme Gestade zurückziehen und wechselnde Mädels für sich im Hotel posieren lassen. Wer weiß – auch wenn es platt ist -, welche Pinsel dabei zum Einsatz gekommen sind!?

Offensichtlich machen wir doch alle etwas falsch oder haben einfach nicht den richtigen Beruf ergriffen.

Oh, gnadenbringende Weihnachtszeit!

Gute Nacht!

Ihr/Euer Wolf

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wolfsgeheul.eu vom 06.12.2015

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Dummheit und Stolz wachsen auf einem Holz, hat meine Oma immer gesagt!

Zwei typische Beispiele für diese genauso bodenständige wie richtige These haben sich in den letzten Tagen gezeigt.

Da wäre ‚mal wieder ein Shitstorm. Die noble und erfolgreiche Firma „Lindt“ stellt seit ewigen Zeiten auch edle Adventskalender her. Ein Motiv der Pappwundertüte stellt schon über zehn Jahre lang ein orientalisch anmutendes Bauwerk mit goldenen Zwiebeltürmchen dar; davor mutmaßlich die Weisen aus dem Morgenland, resp. die Heiligen Drei Könige auf Kamelen, Hirten und hinter dem doppelflügeligen Portal als vierundzwanzigstes Türchen die Krippe. Ein Verkaufsrenner!

Dieses Jahr nun erregt die Darstellung Unmut, nachdem die leckere Schoki-Bude das Motiv in sozialen Netzwerken bewirbt. Die deutschnational stolzen aber geistig tieffliegenden Islamgegner – überwiegend mutmaßlich übrigens Heiden! – empören sich, daß die Weihnachstgeschichte vor und in einer vermeintlichen Moschee sich abspielt. Ja, großartig! Glauben die ernsthaft, daß der jüdische Wanderprediger Jesus im vorderen Orient auf einer weitläufigen Domplatte im Schatten einer doppeltürmigen Kathedrale umhergewandelt ist und die Pegidaanhänger aus dem Tempel vertrieben hat!? Idioten!

Ähnlich blöd geriert sich zum wiederholten Male die zunehmend an ihrer eigenen Überheblichtkeit erstickende Firma „Mercedes“. In ihrem vierten Hochglanz-„Magazin“ diesen Jahres zeigen sie ihre etwas pummelig daherkommende Schießschartenausgabe der C-Klasse, genannt Coupé, und feiern es als „Kunststück“, welches „neu und auf dem besten Weg zum Designklassiker“ sei, das ganze garniert mit Bildern vor Gerrys Vitra Design Museum und einem Interview mit dessen Leiter Dr. Mateo Kries. Einmal abgesehen davon, daß ein „Coupé“ genanntes Automobil von Mercedes-Benz bisher immer mit der Besonderheit einer fehlenden B-Säule und vier öffenbaren Scheiben glänzte, was das einzigartige Flair dieser Karrosserieform hauptsächlich ausmachte, sprich, der neue Sproß diesbezüglich sein Klassenziel kläglich verfehlt, hilft Dr. Kries auf die Frage „Was muß geschehen, damit ein bestimmtes Design zum Klassiker wird?“ mit seiner Antwort „Da ist zum einen der Faktor Zeit. Nach zwanzig, dreißig Jahren kann man das eine nicht mehr sehen, während das andere immer noch gegenwärtig wirkt!“. Mercedes, zuhören und sich dann in Bescheidenheit üben! Deine Prahlerei gleicht dem Pfeifen im dunklen Walde. Ihr scheitert schon seit Jahren an der Last eurer Geschichte, denn früher sind euch wirklich Klassiker gelungen. Die habt ihr aber bei Erscheinen nicht so bezeichnet, sondern die Zeit entscheiden lassen. Mit dieser vornehm zurückhaltenden aber kraftvoll selbstüberzeugten Attitüde desjenigen, der weiß, daß er sein bestes gibt, hat man die Chance, wirklich in die Geschichte einzugehen. Dicke Backen machen, ist einfach nur kindlich und lächerlich, die braucht es nicht, wenn man gut ist.

Und Dr. Kries, warum geben sie sich für eine solche Schmierenkomödie her!? Ach, so! Mercedes sponsort ihre aktuelle Austellung! Eine Kunstnutte, die die Klassiker der Moderne verwaltet, ist enttäuschend und vielleicht eine Fehlbesetzung. Ihre Strafe wird hoffentlich sein, daß ihr Dienstherr ihnen das neue C-Coupé als Firmenwagen verordnet. Sie werden den Aufenthalt in ihrem Museum danach in erhöhtem Maße zu schätzen wissen, umgeben von echten Klassikern. Machen sie mal mit den Mercedesoberen eine Führung und lehren sie sie Demut.

Und bei meinem nächsten Besuch in Weil werde ich versuchen mein W124er Coupé direkt vorm Eingang zu parkieren. Nehme ihn nach dem Rundgang aber in dem Wissen wieder mit, daß er kurzzeitig als würdiger Teil des Gesamtensembles gewirkt hat!

Oma, du hast ja so recht! Schade, aber immer schon wahr!

Gute Nacht!

Ihr/Euer Wolf

 

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