wolfsgeheul.eu vom 15.02.2016

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Ja, ich bekenne: Heute morgen habe ich seit ewigen Zeiten wieder einmal eine Bild-Zeitung gekauft! Über die Gründe später!

Der erste Schock nämlich war der Preis. 80(in Worten: achtzig) Cent! Ein Beitrag zur aktuellen Münz- und Bargelddiskussion: Wenn der Taler nichts wert ist, braucht es auf jeden Fall den Pfennig nicht mehr. Nach meiner Erinnerung hatte das Revolverblatt immer nur ein paar Groschen gekostet. Tatsächlich lag der Preis in meinen ersten Lebensjahren zwischen 10 und 20 Pfennig und selbst zur Wende waren es „nur“ fünf Zehnerle. Diese Zeitung war zwar niemals ihr Geld wert, aber wenn sie fast einen Euro kostet, grenzt das schon an Unverschämtheit. Sei es drum!

Mein Kaufmotiv lag in einem mich neugierig gemacht habenden Bezahlartikel auf der Online-Version, der mit „Geheime Wutbriefe von DDR-Bürgern „Du Lump, wir haben die Schnauze voll!““ überschrieben war und in dem es sich um solche an Honecker und Co. drehen sollte, dachte ich doch, hierin möglicherweise einen weiteren Grund für die Massierung der Wutbürger im Osten entdecken zu können; trügen sie dann nämlich eventuell nur den rauheren, proletarischen Umgangston im Arbeiter- und Bauernstaat in die heutige Zeit. Das hätte mir so manches erklärt und in gewisser Weise auch entschuldigt. Vielleicht ist an der Arbeitshypothese sogar etwas dran, aber der Artikel gibt dafür kein Futter. Grundlage ist ein Buch des mir bis dato unbekannten Politikwissenschaftlers Dr. Siegfried Suckut, der aus den Stasiarchiven abgefangene Briefe gesammelt und zu einem Buch verarbeitet hat. Aber wie bei der Bild besonders üblich – und ich bin darauf reingefallen – war der gröbste Text schon zum Aufmacher verarbeitet. Die restlichen Zitate sind in ihrer Bandbreite allesamt im grünen Bereich, erst recht, wenn man bedenkt, daß gegen ihren Willen eingesperrte Menschen eigentlich mehr als exkulpiert wären, packten sie ihre verständlicherweise überschäumende Wut auch in harschere Worte. Es bleibt trotzdem einen Gedanken wert, daß Menschen, die ihr Leben lang nicht demonstrieren durften und, selbst wenn sie anonym schrieben, ins Visier der Stasi gerieten, zum einen den den Nachholbedarf stillenden Drang nach erlaubtem Versammeln verspüren und zum anderen glauben, die ungehobelte Form ihres Protestes nun auch öffentlich nicht nur darbieten zu dürfen, sondern gar zu müssen. Außerdem fehlen früh erlernte demokratische Umgangsformen und oft ausreichendes Argumentationsvermögen, so daß sie höhere Anforderungen an den Stil der Auseinandersetzung, selbst wenn sie wollten, gar nicht erfüllen können. Die Bild-Zeitung hat mich also doch im Verständnis der Pegida-Bewegung etwas weitergebracht.

Was sonst?

Die nicht nur bei Bild berichtete Tatsache, daß in Aldenhoven bei Aachen ein evangelischer Pfarrer wegen asylfreundlicher Aussagen im Internet mutmaßlich von Rechtsradikalen überfallen und verletzt worden ist. Die Stimmung kippt im ganzen Land, und selbst der ignoranteste Wessi sollte inzwischen eingesehen haben, daß die aufkeimende Nazibrut nicht allein im Osten verortet werden kann.

Auf der letzten Seite zeigt Bild übrigens „Die wildeste Party der Berlinale“ in bunten Bildern. Auch wenn es niemandem hilft, sich die Ausgelassenheit zu verbieten, wird hier eine Dekadenz abgebildet, die Brechreiz hervorruft. Eine ignorante Parallelwelt der Gaukler, die für nichts anderes zu gebrauchen sind. Außerdem besteht immer noch ein Unterschied zwischen tun und sich dabei auch noch ablichten lassen. Also, laßt sie feiern, aber zeigt es mir nicht.

Von Bild geheilt, widme ich mich jetzt wieder meinem halbherzigen Fasten, das hauptsächlich im totalen Verzicht auf Alkohol besteht, was mir glücklicherweise leicht fällt. Das Schlimme daran ist nur, daß es einem auch die Lust auf feinere Speisen vermiest. Ob das jedoch bereits eine gourmetgeleitete Form des Alkoholikertums darstellt, werde ich verfolgen und nach der Fastenzeit noch einmal aufgreifen.

Gute Nacht!

Ihr/Euer Wolf

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wolfsgeheul.eu vom 05.11.2015

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Neulich hatte ich auf einer Vernissage einen kleinen, lustigen Wortwechsel mit einem von mir sehr geschätzten Journalisten im Unruhestand, der den Spaß am akademischen Streiten zum Glück noch nicht verloren hat.

Er berichtete, in der „Zeit“ ein Interview mit einem vorgeblichen DDR-Kenner – Name war ihm entfallen – gelesen zu haben, der unter anderem seinen Lieblings-DDR-Witz zum besten gegeben habe.

„Warum ist die Banane krumm? Weil sie einen Bogen um die DDR macht.“

So herausgefordert, behauptete ich, ebenfalls als DDR-Kenner, einen weit besseren DDR-Witz parat zu haben.

„Was ist die sozialistische Verwirrung? Wenn man mit einem leeren Einkaufsnetz vor dem „Konsum“ steht und nicht weiß, ob man schon drin war und noch rein muß.“

Zunächst wurde mir die DDR-Kennerschaft abgestritten, weil ich nicht zur Zeit des Existierens dieses Unrechtsstaates dort gelebt hätte, was natürlich richtig ist. Meinen Einwand, ich hätte aber in den fünfzehn Jahren dort mit so vielen in der DDR sozialisierten Menschen gesprochen, ihnen zugehört und bezöge mein fundiertes Wissen daraus, ließ er nur halb gelten. Letztlich lief es jedoch nur auf Wortklauberei hinaus.

Spannender war der Witzewettstreit, der sich aus dem Disput entwickelte. Viele Anwesende wurden gebeten/gezwungen, die Schiedsrichterrolle zu übernehmen und den besseren der beiden zu küren. Vermutlich wegen der Höflichkeit der Befragten erlangten wir darüber keine endgültige Klärung. Je älter aber die Angesprochenen waren, umso interessierter waren sie am politischen Witz an sich, was sich mit der größeren Nähe zum Nationalsozialismus erklären läßt, und es entwickelten sich gute Gespräche.

Und da schlägt die kleine Anekdote einen Bogen zur gestrigen Kolumne.

Während sich freie Menschen offensichtlich den Mund verbieten lassen, gelingt das in der Unfreiheit nicht, und es blüht im Gegenteil das geschickte, subtile, leise und absolut friedliche Aufbegehren mit Worten, und wenn es mit einem kleinen Witz ist. Subversion durch Sprache! Das erfordert höchste Kompetenz, die gewährleistet, daß die gefährlichen Klippen umschifft werden. Dagegen schreit der freie Mensch nur tumb  „Lügenpresse“ und droht, die Mächtigen an den Galgen zu bringen. Welch ein Verlust an intellektueller Qualität und geistreicher Anarchie! Der freie Mensch scheint in seiner (Selbst-)Zufriedenheit bereit, sich im vorauseilenden Gehorsam ohne Not kastrieren zu lassen bzw. selbst entsprechend zu beschneiden, und wenn er sich der Folgen dieses massiven Einschnittes bewußt wird, mutiert er zum Wutbürger. Wer keine Eier mehr hat, dem fehlt halt das Selbstbewußtsein. Der DDR-Bürger, der die Kunst des Widerstandes nachweislich einmal beherrschte, weil er sie nahtlos aus der braunen Zeit herüberretten mußte, hat bei der Wiedervereinigung wie an einer Garderobe offensichtlich sein Gemächt freiwillig in der staatlichen Anatomiesammlung der freiheitlichen Demokratie abgegeben, dorthin, wo die Westler das ihre schon lange vorher gebracht haben. Deutschland, ein Volk von Kastraten! Hoch singen heißt aber nicht automatisch gut singen, geschweige denn authentisch, kraftvoll und wirkmächtig. Vielleicht müssen wir deshalb zunehmend auf die natürlichen Soprane bauen, die die Kunst der hohen Töne auch ohne medizinischen Eingriff beherrschen und dafür nicht ihr Selbstbewußtsein verloren haben. Die Zukunft gehört der Frau, zumindest solange, bis wieder vollständige Männer nachgewachsen sind und sich das weibliche Geschlecht eventuell genauso blödsinnig die Hörner abgestoßen hat, wie die Männer zuvor, was aber auch nicht geschehen muß, da die Frau an sich, außer vielleicht am Arschgeweih, gar keine Hörner besitzt. Immerhin besser, als sich nur deshalb wieder eine Diktatur herbeizuwünschen, damit der Geist wieder angeregt wird.

Eine spannende Zeit!

Gute Nacht!

Ihr/Euer Wolf

 

 

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