wolfsgeheul.eu vom 26.08.2016

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Leichen-Bilder waren einmal der Ritterschlag für Absolventen der Meisterschulklassen der Dokumentarphotographie, und wer es gar schaffte, ein totes Kind abzulichten, dem war ein Platz in der Walhalla der rasenden Linsengucker sicher. Die ganz hohe Schule stellten eine Zeit lang Väter in Syrien oder Palästina mit ihren toten Kindern im Arm, eine moderne Interpretation der Pietà, dar. Mit dem Photo des toten Flüchtlingsjungen am Strand(s. Kolumne vom 08.09.2015) ist der Schnappschuß dann aber ein wenig nach hinten losgegangen. Außer dem merkwürdigen Herrn Weiwei, der sich sogar gleich danebenlegte – allerdings, nachdem seine Bilder im Kasten waren, nicht zur Freude aller sich auch sofort wieder aufhelfen ließ -, fand das eine Vielzahl von Menschen nicht mehr gut. Hier war jemand zu weit gegangen.

Die Auswirkungen wurden von vielen Nikon-Jüngern als unzulässige Einschränkung empfunden, sehen sie es doch als ihre originäre Aufgabe an, die grausame, nicht gestellte Welt, derselben unverstellt vor Augen zu halten. Dabei unterschätzten sie immer schon das Vorstellungsvermögen der Menschen, die nicht alles sehen müssen, um es zu erfahren, zu begreifen. Ebenso begaben sie sich in die Gefahr, lediglich die Sensationslust der Sofa-Gaffer zu bedienen und damit statt aufzurütteln, mehr die Abstumpfung zu befördern. In dieser Spirale ergab sich faktisch der Zwang, immer fürchterlichere Photos zu schießen, um überhaupt noch eine Reaktion beim Betrachter zu erzielen und die Kassen klingeln zu lassen.

Vielleicht brauchte es den armen ertrunkenen Jungen, um eine Umkehr einzuläuten!? Aber was ist tatsächlich der Effekt?

Jetzt feiert ungefragt der bemitleidenswerte staubeingehüllte Aleppojunge auf dem Klappsitz des Rettungswagens traurige Klickrekorde. Genauso schrecklich, aber das Kind lebt! Statt das traumatisierte Häufchen Elend entweder allein zu lassen oder ihm die Hand zu tätscheln bzw. den Kopf zu streicheln, hält der heuchlerische Kurzdistanzvoyeur ohne Skrupel voll drauf und schert sich in Wahrheit einen Dreck um dessen Schicksal. Für Sentimentalitäten und menschliche Gesten ist in der wilden Hatz auf das letzte aller Photos kein Raum. Drei Häuser weiter wartet schon das beinamputierte Minenopfermädchen mit dem herzzerreißend süßen Gesicht auf sein Photoshooting. „World Next Kriegsversehrten Top Model“! The show must go on.

Und für die etwas weniger Mutigen unter den Bilddokumentionshelden, die es scheuen, in wahrhaftig pulvergeschwängerten Krisengebieten auf Safari zu gehen, gibt es ja zum Glück allenthalben Naturkatastrophen. Wie das Erdbeben in Italien! Erstens kann man da schnell mit dem Mietwagen von Rom aus hingelangen und abends am Ufer des Tiber trotzdem genüßlich seinen Pinot Grigio schlürfen, und zweitens hält sich das Risiko, wenn man sich im Freien sowie fern von einsturzgefährdeten Gebäuden bewegt und nicht etwa an Aufräum- und Sucharbeiten teilnimmt, in überschaubaren Grenzen. Also Objektivdeckel ab und den Auslöser gedrückt! Die Presseheinis warten bereits sehnlichst auf die bunten Horrorbildchen, denn die Schlagzeilen dazu sind schon geschrieben.

So wie vermutlich bei der dpa-Meldung auf T-Online gestern mit „Viele Kinder bei Erdbeben ums Leben gekommen“! Das bringt allerdings den Kamerabediener ins Schwitzen! Wie war noch die Regel für Kinderleichen? „Für dich habe ich heute leider kein Photo.“! Mist! Aber nicht verzagen! Da geht trotzdem was. Also schnell eine Mädchenpuppe in den Trümmern gesucht, und der zum Artikel passende Schnappschuß(Reuters) ist im Kasten( s. Link: http://www.t-online.de/eltern/familie/id_78797200/erdbeben-in-italien-viele-kinder-sind-unter-den-toten.html )! Hohe Kunst, denn man muß tatsächlich zweimal hingucken, um zu erkennen, daß da kein echter Leichnam liegt!

So etwas aber erfüllt die Voraussetzungen an einen moralischen Umgehungstatbestand und ist deshalb nicht minder verwerflich. Liebe Journalisten, erklärt uns einfach die Welt wortmächtig, wie es eure (Auf)Gabe ist, dann braucht es nämlich keine Bilder! Und die widerlichen Gaffer am Auslöseknopf könnten sich doch zum Beispiel als Hochzeitsphotographen – ein Ereignis, das häufig den Ausgangspunkt für die Geburt von Kindern bildet und/oder auch den Beginn einer Katastrophe darstellen kann, insofern also ebenso in ihr Beuteschema passen müßte – ihr kärgliches Brot verdienen. Der sensationsgierbefriedigenden Photos jedenfalls bedarf es nicht, um zu verstehen, daß die Menschheit auf beiden Seiten oft verabscheuungswürdig ist. Laßt sie weg!

Ansonsten gucken wir bald nicht mehr hin beziehungsweise schließen trotzig unsere Äugelein und sagen leise

gute Nacht!

Ihr/Euer Wolf

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wolfsgeheul.eu vom 01.12.2015

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Das Leben könnte so einfach sein, wenn die Völker dieser Welt mehr miteinander reden und, besser noch, kooperieren würden, anstatt sich zu bekriegen. In die Verfolgung dieses übergeordneten und friedenstiftenden Zieles wird viel zu wenig Energie investiert. Vorwiegend geht es um Partikularinteressen, deren Umsetzung zumeist nur auf Kosten anderer möglich ist.

Wo sind die großen Zeichen, die rühmlichen Ausnahmen?

Der Papst leistet in diesem Zusammenhange in seiner offenen, direkten, ungeschützten und unprätentiösen Art Außerordentliches, was er gerade mit seiner Afrikareise und den ungewöhnlichen Besuchszielen und Gesprächspartnern wieder eindrucksvoll unter Beweis gestellt hat. Die Resonanz darauf zeigte sich erstaunlich schwach, bewirken doch solch‘ kleine Gesten weit mehr, als es zum Beispiel inszenierte Staatsbesuche und hermetisch abgeschirmte Gipfelkonferenzen mit ihrem meist folgenlosen Schaulaufen je vermögen. Das Oberhaupt der Römisch-Katholischen Kirche verdient also mehr Aufmerksamkeit, scheint er doch zur Zeit fast der einzige Amtsträger von Weltgeltung zu sein, der sich nicht nur ernsthaft Sorgen um unsere Zukunft macht, sondern alles in seiner Macht stehende unternimmt, um die Völker und Religionen zur Räson zu bringen und ihnen klar zu machen, daß nur ein gemeinsamer Kampf gegen Hunger, Armut und Umweltzerstörung zum Nutzen und Frommen aller erfolgversprechend ist. Warum läßt man ihn dabei so allein?

Auch die Musik stellt einen ganz wichtigen Baustein zur Einigung der Welt durch gegenseitiges Verständnis dar. Insofern sind die Barenboimschen Projekte beispielgebend. Davon brauchen wir viel mehr, und das, was bereits in dieser Richtung unternommen wird, muß deutlicher herausgehoben, quasi allen zu Gehör gebracht werden.

Nicht vergessen darf man die weltumspannenden Netzwerke für humanitäre Hilfe, die ohne Ansehen von Nationalität und Religion dort tätig werden ,wo sie gebraucht werden. Welch‘ wunderbares Signal, daß Menschen vorbehaltslos zu helfen bereit sind.

Aber ein aktuelles Mammutvorhaben scheint das Zeug zu haben, die ganze Welt zu beeindrucken.

Das Tote Meer trocknet seit Jahrzehnten mehr und mehr und immer rapider aus. Grund für dieses Phänomen sind die massiven Wasserentnahmen der Syrer, Jordanier und Israelis aus dem Fluß Jordan, der das Tote Meer maßgeblich speist. Kein Raubbau im klassischen Sinne, sondern der Not, sprich der Wasserknappheit gehorchend! Schon vor zwei Jahren haben sich Jordanien, Israel und die Palästinensische Autonomiebehörde darauf geeinigt, gemeinsam die Rettung des Toten Meeres zu betreiben. Nach neuesten Informationen beginnt man seitens Jordanien nun mit der Umsetzung. Der Plan sieht vor, einen riesigen Kanal vom Roten in das Tote Meer zu schaffen, der die Austrocknung aufhalten und gleichzeitig über Entsalzungsanlagen die Wasserversorgung der drei anrainenden Staaten sichern helfen soll. Wenn es tatsächlich gelänge, in einem der Hauptbrennpunkte der Erde eine derartige Kooperation ins Werk zu setzen, wäre das ein außergewöhnliches Fanal dafür, daß gemeinsame Not, klarer Verstand und die Überwindung von Einzelinteressen geeignet sind, um die Menschen zur Vernunft zu bringen und an einem Strang ziehen zu lassen. Wenn aber dieses Projekt tatsächlich erfolgreich Seit an Seit gemeistert werden sollte, was hindert die Regierungen und die Bevölkerung daran, dies in allgemeinem Frieden miteinander zu tun!? Oder will man nur die Feldflaschen der Soldaten füllen, um dann wieder kraftvoll übereinander herfallen zu können!? Das will man nicht glauben.

Die Hoffnung, daß dies einen Anfang darstellt, der in eine richtige, auch darüber hinausgehende Richtung weist, sollte niemals aufgegeben werden. Ohne Optimismus – und mag er noch so unvernünftig sein – verdorrt der Mensch wie das Meer, das namentlich schon vor seinem Tode tot ist und deshalb gerettet werden kann.

Gute Nacht!

Ihr/Euer Wolf

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