wolfsgeheul.eu vom 22.01.2017

0
0

Von Friedrich von Logau(1605 – 1655) stammt folgendes Gedicht:

„Fröhlicher Tod

Es ist ein fröhlich Ding um aller Menschen Sterben:
Es freuen sich darauf die gerne reichen Erben –
Die Priester freuen sich, das Opfer zu genießen –
die Würmer freuen sich an einem guten Bissen –
die Engel freuen sich, die Seelen heimzuführen –
der Teufel freuet sich, im Fall sie ihm gebühren.“

Dem Tod eine fröhliche Seite abzugewinnen, ist nicht illegitim. Es mindert das Leid nicht, dem Sterben mit Leichenbittermiene zu begegnen. Im Gegenteil hilft eine gewisse Grundfröhlichkeit, dem Leben auch im Schlechten die guten Seiten abzutrotzen.

Und was darf Satire? Alles – bis zur Grenze des Strafrechtes!

Aber alles Satirische sollte eine zusätzliche Kategorie umfassen. Den Humor! Ob sie ein gelöstes, befreites, herzliches Lachen auslöst oder ein entsetztes, verklemmtes, (un)heimliches, spielt dabei keine Rolle, beides stellt eine hohe Kunst dar. Wenn aber eine Karikatur zum Beispiel noch nicht einmal ein Schmunzeln verursacht und einen lediglich fassunglos zurückläßt, erfüllt sie die Kriterien nicht, sie ist nicht satirisch, sondern schlicht geschmacklos.

Genau in diesen unkünstlerischen Niederungen bewegen sich die grundsätzlich eher gelangweilten, weil allgemein so wirkungslosen Satiriker immer wieder. Es sind Fehltritte aus erfolgloser Sinnsuche, Abgestumpftheit, Reizüberflutung, Isoliertheit und Übereifer oder einfach nur aus Alkoholismus und Drogenkonsum.

Die Macher von Charlie Hebdo haben sich aktuell mit einer unangemessenen Zeichnung hervorgetan, in der sie die Opfer der durch ein Erdbeben ausgelösten Lawine in Italien verhöhnen. Selbst wenn man darin eine berechtigte Relativierung von Leid sieht, weil alltäglich überall auf der Welt vergleichbare Katastrophen geschehen und deshalb das gesamtheitliche Bedauern unmöglich ist, so daß am Ende die größere Nähe und Betroffenheit zählen und entscheiden, welchem Elend wir unsere Aufmerksamkeit schenken, reicht diese Aussage nicht aus, um auf den Toten und ihren Hinterbliebenen dumpf herumzutrampeln.

Das war also keine Sternstunde des satirischen Ausnahmeblattes. Kann passieren! Keiner liefert jeden Tag eine gleichbleibend hohe Qualität. Das sollten auch die, die sich jetzt so aufregen, bedenken und zugestehen.

Jetzt heißt es, in den Redaktionsräumen in Paris den Rücken gerade zu machen, sich bei denen, deren Gefühle man verletzt hat, gebührend zu entschuldigen und dann weiterzuwerkeln. Es wird auch wieder bessere Tage und Karikaturen geben.

Gute Nacht!

Ihr/Euer Wolf

0
0

wolfsgeheul.eu vom 26.08.2016

1
1

Leichen-Bilder waren einmal der Ritterschlag für Absolventen der Meisterschulklassen der Dokumentarphotographie, und wer es gar schaffte, ein totes Kind abzulichten, dem war ein Platz in der Walhalla der rasenden Linsengucker sicher. Die ganz hohe Schule stellten eine Zeit lang Väter in Syrien oder Palästina mit ihren toten Kindern im Arm, eine moderne Interpretation der Pietà, dar. Mit dem Photo des toten Flüchtlingsjungen am Strand(s. Kolumne vom 08.09.2015) ist der Schnappschuß dann aber ein wenig nach hinten losgegangen. Außer dem merkwürdigen Herrn Weiwei, der sich sogar gleich danebenlegte – allerdings, nachdem seine Bilder im Kasten waren, nicht zur Freude aller sich auch sofort wieder aufhelfen ließ -, fand das eine Vielzahl von Menschen nicht mehr gut. Hier war jemand zu weit gegangen.

Die Auswirkungen wurden von vielen Nikon-Jüngern als unzulässige Einschränkung empfunden, sehen sie es doch als ihre originäre Aufgabe an, die grausame, nicht gestellte Welt, derselben unverstellt vor Augen zu halten. Dabei unterschätzten sie immer schon das Vorstellungsvermögen der Menschen, die nicht alles sehen müssen, um es zu erfahren, zu begreifen. Ebenso begaben sie sich in die Gefahr, lediglich die Sensationslust der Sofa-Gaffer zu bedienen und damit statt aufzurütteln, mehr die Abstumpfung zu befördern. In dieser Spirale ergab sich faktisch der Zwang, immer fürchterlichere Photos zu schießen, um überhaupt noch eine Reaktion beim Betrachter zu erzielen und die Kassen klingeln zu lassen.

Vielleicht brauchte es den armen ertrunkenen Jungen, um eine Umkehr einzuläuten!? Aber was ist tatsächlich der Effekt?

Jetzt feiert ungefragt der bemitleidenswerte staubeingehüllte Aleppojunge auf dem Klappsitz des Rettungswagens traurige Klickrekorde. Genauso schrecklich, aber das Kind lebt! Statt das traumatisierte Häufchen Elend entweder allein zu lassen oder ihm die Hand zu tätscheln bzw. den Kopf zu streicheln, hält der heuchlerische Kurzdistanzvoyeur ohne Skrupel voll drauf und schert sich in Wahrheit einen Dreck um dessen Schicksal. Für Sentimentalitäten und menschliche Gesten ist in der wilden Hatz auf das letzte aller Photos kein Raum. Drei Häuser weiter wartet schon das beinamputierte Minenopfermädchen mit dem herzzerreißend süßen Gesicht auf sein Photoshooting. „World Next Kriegsversehrten Top Model“! The show must go on.

Und für die etwas weniger Mutigen unter den Bilddokumentionshelden, die es scheuen, in wahrhaftig pulvergeschwängerten Krisengebieten auf Safari zu gehen, gibt es ja zum Glück allenthalben Naturkatastrophen. Wie das Erdbeben in Italien! Erstens kann man da schnell mit dem Mietwagen von Rom aus hingelangen und abends am Ufer des Tiber trotzdem genüßlich seinen Pinot Grigio schlürfen, und zweitens hält sich das Risiko, wenn man sich im Freien sowie fern von einsturzgefährdeten Gebäuden bewegt und nicht etwa an Aufräum- und Sucharbeiten teilnimmt, in überschaubaren Grenzen. Also Objektivdeckel ab und den Auslöser gedrückt! Die Presseheinis warten bereits sehnlichst auf die bunten Horrorbildchen, denn die Schlagzeilen dazu sind schon geschrieben.

So wie vermutlich bei der dpa-Meldung auf T-Online gestern mit „Viele Kinder bei Erdbeben ums Leben gekommen“! Das bringt allerdings den Kamerabediener ins Schwitzen! Wie war noch die Regel für Kinderleichen? „Für dich habe ich heute leider kein Photo.“! Mist! Aber nicht verzagen! Da geht trotzdem was. Also schnell eine Mädchenpuppe in den Trümmern gesucht, und der zum Artikel passende Schnappschuß(Reuters) ist im Kasten( s. Link: http://www.t-online.de/eltern/familie/id_78797200/erdbeben-in-italien-viele-kinder-sind-unter-den-toten.html )! Hohe Kunst, denn man muß tatsächlich zweimal hingucken, um zu erkennen, daß da kein echter Leichnam liegt!

So etwas aber erfüllt die Voraussetzungen an einen moralischen Umgehungstatbestand und ist deshalb nicht minder verwerflich. Liebe Journalisten, erklärt uns einfach die Welt wortmächtig, wie es eure (Auf)Gabe ist, dann braucht es nämlich keine Bilder! Und die widerlichen Gaffer am Auslöseknopf könnten sich doch zum Beispiel als Hochzeitsphotographen – ein Ereignis, das häufig den Ausgangspunkt für die Geburt von Kindern bildet und/oder auch den Beginn einer Katastrophe darstellen kann, insofern also ebenso in ihr Beuteschema passen müßte – ihr kärgliches Brot verdienen. Der sensationsgierbefriedigenden Photos jedenfalls bedarf es nicht, um zu verstehen, daß die Menschheit auf beiden Seiten oft verabscheuungswürdig ist. Laßt sie weg!

Ansonsten gucken wir bald nicht mehr hin beziehungsweise schließen trotzig unsere Äugelein und sagen leise

gute Nacht!

Ihr/Euer Wolf

1
1