wolfsgeheul.eu vom 07.02.2017

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Der schöne Freistaat Sachsen und insbesondere seine prächtige Hauptstadt Dresden tuen viel dafür oder wohl besser zuwenig dagegen, daß man mit ihnen mehr und mehr die Geduld verliert. Dabei bleibt weiterhin unklar, wie verbreitet das verbohrte Hinterwäldlertum im Lande eigentlich wirklich ist, jedenfalls schaffen es die Aktivisten rund um Pegida unter tätiger Mithilfe der schweigenden Mehrheit, den Eindruck zu erwecken, als verträten sie die Mehrheit. Und auf diese Weise ziehen sie eine ganze Region in den Dreck.

Da schreibe ich gestern mit großer Freude über etwas Positives aus Chemnitz und wollte heute nämliches tun, indem ich über das großartige Projekt von Manaf Halbouni vor der Frauenkirche berichte, das heute um 13 Uhr feierlich eingeweiht werden sollte, und dann geht der Festakt wieder in die Hose und im Gebrüll der ewiggestrigen Pegida-und-Nazi-Hohlköpfe unter, ähnlich den Vorfällen am 03. Oktober letzten Jahres zum Tag der Deutschen Einheit.

Anlaß für die Installation von drei hochkant gestellten Omnibussen gab ein im Jahre 2015 Aufsehen erregt habendes Photo aus den Straßen im umkämpften Aleppo, das die von Zivilisten in gleicher Weise errichtete Barrikade, die vor den Kugeln der Scharfschützen Schutz bieten sollte, zeigte. Als Mahnmal soll es im Zusammenhang mit dem sich wieder jährenden Bombardements Dresden und im Ensemble mit der Frauenkirche ein ermutigendes Signal für die Möglichkeiten eines Wiederaufbaus in Syrien stehen. Genial! Halbouni, ein Deutsch-Syrer aus Damaskus, der perfekt Deutsch mit Dresdener Dialekt spricht und sich offen zu seiner neuen Heimatstadt bekennt, kam 2009 nach Deutschland und konnte mit seinem Projekt unter eigenem Honorarverzicht die Stadtoberen und weitere öffentliche Geldgeber überzeugen. Eine spektakuläre Aktion, die geeignet ist, das Elbflorenz positiv in die Schlagzeilen und (zunehmend ausbleibende) Besucher (wieder) in die Stadt zu bringen.

Die Einweihungsfeier wurde dann von rund einhundert im Vorfeld organisiert – es handelte sich aber ausdrücklich nicht um eine angemeldete Gegendemonstration – zusammengerotteten Pöblern derartig gestört, daß ein geordneter Ablauf unmöglich war. „Schrott“-, „Schande“- und die bekannten „Volksverräter“- und „Lügenpresse“-Rufe waren noch die milderen Rüpeleien. Es fiel sogar auch der Begriff „entartete Kunst“. Ein Dresdner, der unter den leider recht wenigen Festbesuchern stand und mit dem ich kurz telephonieren konnte, sprach von einem Totalversagen der Polizei, wobei er wie ich darauf wert legt, nicht zu denen zu gehören, die dazu neigen, vorschnell und pauschal die Ordnungshüter zu verurteilen. Wenigstens ist es den Polizisten gelungen, Übergriffe zu verhindern, aber der befragte Augenzeuge sprach von einer ihm bis dato nicht begegneten Aggression, bei er sich keinesfalls mehr sicher war, ob sie ohne Präsenz der Ordnungsmacht nicht auch in Tätlichkeiten übergegangen wäre.

Wie kann so etwas passieren? Jeder mußte doch wissen, daß grenzenlos dumme Menschen, die trotzdem glauben, sich ein Bild von Kunst machen zu können, das sie obendrein befähige, gut von schlecht zu scheiden und gar von „Entartung“ sprechen zu dürfen, sich einen solchen Anlaß nicht nehmen lassen würden. Da heißt es präpariert sein und einmal ein Exempel zu statuieren, indem solche Horden notfalls auch gewaltsam von der Feierstätte fortgeschafft werden. Aber stattdessen müssen der brave und tapfere FDP-Bürgermeister Hilbert, der sich und seine Familie zur Zeit sogar Todesdrohungen ausgesetzt sieht und unter Polizeischutz steht, weil er gewagt hat, Dresden als Teil Nazideutschlands nicht von jeglicher Schuld freizusprechen, und der Pfarrer der Frauenkirche sich niederschreien lassen und kapitulieren. Ein Offenbarungseid in unserer freien Republik und erneut ein vollkommen unnötiger Makel für das ohnehin schon stark gebeutelte Dresden.

Aber die Ursachen sind wie immer ganz oben zu suchen. Warum waren der Ministerpräsident und maßgebliche Regierungsmitglieder nicht anwesend? Und warum sendet der MDR nicht live vom Geschehen und zeigt stattdessen für die arbeitslosen oder verrenteten Pegidasympathisanten auf ihrem versch(l)issenen Ostsofa den seichten DDR-Spielfilm von 1969 „Mit mir nicht, Madam!“?

„Den Vorhang zu und alle Fragen offen.“ Und es wird damit bedauerlicherweise nicht heller in Dunkeldeutschland. Wann gedenkt man dort wohl aufzuwachen?

Gute Nacht!

Ihr/Euer Wolf

 

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wolfsgeheul.eu vom 26.08.2016

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Leichen-Bilder waren einmal der Ritterschlag für Absolventen der Meisterschulklassen der Dokumentarphotographie, und wer es gar schaffte, ein totes Kind abzulichten, dem war ein Platz in der Walhalla der rasenden Linsengucker sicher. Die ganz hohe Schule stellten eine Zeit lang Väter in Syrien oder Palästina mit ihren toten Kindern im Arm, eine moderne Interpretation der Pietà, dar. Mit dem Photo des toten Flüchtlingsjungen am Strand(s. Kolumne vom 08.09.2015) ist der Schnappschuß dann aber ein wenig nach hinten losgegangen. Außer dem merkwürdigen Herrn Weiwei, der sich sogar gleich danebenlegte – allerdings, nachdem seine Bilder im Kasten waren, nicht zur Freude aller sich auch sofort wieder aufhelfen ließ -, fand das eine Vielzahl von Menschen nicht mehr gut. Hier war jemand zu weit gegangen.

Die Auswirkungen wurden von vielen Nikon-Jüngern als unzulässige Einschränkung empfunden, sehen sie es doch als ihre originäre Aufgabe an, die grausame, nicht gestellte Welt, derselben unverstellt vor Augen zu halten. Dabei unterschätzten sie immer schon das Vorstellungsvermögen der Menschen, die nicht alles sehen müssen, um es zu erfahren, zu begreifen. Ebenso begaben sie sich in die Gefahr, lediglich die Sensationslust der Sofa-Gaffer zu bedienen und damit statt aufzurütteln, mehr die Abstumpfung zu befördern. In dieser Spirale ergab sich faktisch der Zwang, immer fürchterlichere Photos zu schießen, um überhaupt noch eine Reaktion beim Betrachter zu erzielen und die Kassen klingeln zu lassen.

Vielleicht brauchte es den armen ertrunkenen Jungen, um eine Umkehr einzuläuten!? Aber was ist tatsächlich der Effekt?

Jetzt feiert ungefragt der bemitleidenswerte staubeingehüllte Aleppojunge auf dem Klappsitz des Rettungswagens traurige Klickrekorde. Genauso schrecklich, aber das Kind lebt! Statt das traumatisierte Häufchen Elend entweder allein zu lassen oder ihm die Hand zu tätscheln bzw. den Kopf zu streicheln, hält der heuchlerische Kurzdistanzvoyeur ohne Skrupel voll drauf und schert sich in Wahrheit einen Dreck um dessen Schicksal. Für Sentimentalitäten und menschliche Gesten ist in der wilden Hatz auf das letzte aller Photos kein Raum. Drei Häuser weiter wartet schon das beinamputierte Minenopfermädchen mit dem herzzerreißend süßen Gesicht auf sein Photoshooting. „World Next Kriegsversehrten Top Model“! The show must go on.

Und für die etwas weniger Mutigen unter den Bilddokumentionshelden, die es scheuen, in wahrhaftig pulvergeschwängerten Krisengebieten auf Safari zu gehen, gibt es ja zum Glück allenthalben Naturkatastrophen. Wie das Erdbeben in Italien! Erstens kann man da schnell mit dem Mietwagen von Rom aus hingelangen und abends am Ufer des Tiber trotzdem genüßlich seinen Pinot Grigio schlürfen, und zweitens hält sich das Risiko, wenn man sich im Freien sowie fern von einsturzgefährdeten Gebäuden bewegt und nicht etwa an Aufräum- und Sucharbeiten teilnimmt, in überschaubaren Grenzen. Also Objektivdeckel ab und den Auslöser gedrückt! Die Presseheinis warten bereits sehnlichst auf die bunten Horrorbildchen, denn die Schlagzeilen dazu sind schon geschrieben.

So wie vermutlich bei der dpa-Meldung auf T-Online gestern mit „Viele Kinder bei Erdbeben ums Leben gekommen“! Das bringt allerdings den Kamerabediener ins Schwitzen! Wie war noch die Regel für Kinderleichen? „Für dich habe ich heute leider kein Photo.“! Mist! Aber nicht verzagen! Da geht trotzdem was. Also schnell eine Mädchenpuppe in den Trümmern gesucht, und der zum Artikel passende Schnappschuß(Reuters) ist im Kasten( s. Link: http://www.t-online.de/eltern/familie/id_78797200/erdbeben-in-italien-viele-kinder-sind-unter-den-toten.html )! Hohe Kunst, denn man muß tatsächlich zweimal hingucken, um zu erkennen, daß da kein echter Leichnam liegt!

So etwas aber erfüllt die Voraussetzungen an einen moralischen Umgehungstatbestand und ist deshalb nicht minder verwerflich. Liebe Journalisten, erklärt uns einfach die Welt wortmächtig, wie es eure (Auf)Gabe ist, dann braucht es nämlich keine Bilder! Und die widerlichen Gaffer am Auslöseknopf könnten sich doch zum Beispiel als Hochzeitsphotographen – ein Ereignis, das häufig den Ausgangspunkt für die Geburt von Kindern bildet und/oder auch den Beginn einer Katastrophe darstellen kann, insofern also ebenso in ihr Beuteschema passen müßte – ihr kärgliches Brot verdienen. Der sensationsgierbefriedigenden Photos jedenfalls bedarf es nicht, um zu verstehen, daß die Menschheit auf beiden Seiten oft verabscheuungswürdig ist. Laßt sie weg!

Ansonsten gucken wir bald nicht mehr hin beziehungsweise schließen trotzig unsere Äugelein und sagen leise

gute Nacht!

Ihr/Euer Wolf

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