wolfsgeheul.eu vom 02.02.2018

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Warum ist unsere Gesellschaft so wenig in der Lage, Mitmenschen, die sich erkanntermaßen von allgemeingültigen Konventionen verabschiedet haben, auszugrenzen und ihnen auf diese Weise unmißverständlich deutlich zu machen, daß sie mit ihrem Verhalten in der Gemeinschaft unerwünscht sind und deshalb nicht mehr mittun dürfen respektive man mit ihnen nicht umgehen und zusammenarbeiten möchte!?

Die – von mir auch und gerade wegen des damit leider zwangsläufig verbundenen Aushebelungseffektes bei der rechtsstaatlich äußerst kostbaren Unschuldsvermutung teilweise kritisch betrachteten – #MeToo-Bewegung hat definitiv eines deutlich gemacht. Das Hauptproblem sind gar nicht unbedingt zu lange – aus welchen Gründen auch immer – schweigende Opfer, sondern das unabgesprochene faktische Schweigekartell, welches im Umfeld der Vorkommnisse herrscht.

Wenn jetzt ein von mir durchaus geschätzter Til Schweiger im Fernsehen erklärt, daß er selbstverständlich von dem unmöglichen bzw. anders und gleichzeitig vorsichtig gesagt rüden Benehmen des Regisseurs Wedel Kenntnis hatte, dann muß man – ohne daß ich deswegen einen Vorwurf erheben möchte – ihn und andere Eingeweihte schon einmal fragen dürfen, warum sie auch als nicht persönlich Betroffene nicht in irgendeiner Form dagegen etwas unternommen haben, statt es einfach stillschweigend hinzunehmen. Und warum ist man bei Galas, Preisverleihungen und sonstigen Anlässen mit ihm gemeinsam über den roten Teppich geschritten und hat sich mit ihm in einen Raum begeben, hat ihm vielleicht sogar das harte Händchen geschüttelt und sich mit ihm ablichten lassen?

Dieses Phänomen spielt nicht allein in prominenten Zirkeln, sondern steht pars pro toto für alle Lebensbereiche, in denen tagtäglich Nämliches geschieht bzw. eben gerade nicht geschieht. Dabei mangelt es gerade nicht an Sozialkontrolle, denn Verstöße gegen gesellschaftliche Basiswerte werden überall durchaus wahrgenommen. Aber die entsprechenden Erkenntnisse werden unter der Decke gehalten und der gewöhnliche Verkehr mit dem Normbrecher geht unbeeindruckt weiter, so daß sein eigentlich gemeinschaftlich verachtetes Tun ohne spürbare negative Konsequenzen für den Täter bleibt. Weshalb also sollte er an seinem irregulären Verhalten etwas ändern?

In dem Moment aber, in dem sein soziales Umfeld ihm bedeutete, daß man nicht bereit ist, fürderhin über seine Verfehlungen hinwegzusehen und ihn bei unverminderter Fortsetzung derselben zu schneiden und damit auf sich zu stellen, läge die Chance sicherlich extrem hoch, daß dem von Ausgrenzung Bedrohten in den Sinn käme, sein Verhalten zu überdenken und gesellschaftskonform anzupassen.

Wir sind demnach alle gefordert und dürfen die Verantwortung nicht allein auf andere schieben. Schon gar nicht auf die Justiz, denn eigentlich sollte es doch das Ziel, sein, es nicht erst so weit kommen zu lassen, daß diese Anlaß zum Einschreiten hat! Dann gibt es nämlich schon Opfer.

Unsere soziale Gemeinschaft funktioniert nicht mehr richtig, weil die Mehrheit nicht mehr an einem Strang zieht und sich gegenseitig Rückendeckung gibt. Das betrifft eben nicht allein die Opfer, sondern auch die Masse der Beobachter, die sich so nicht getraut, klar Position zu beziehen und eindeutig Grenzen des Akzeptierbaren aufzuzeigen. Stattdessen wird das kollektive Wegschauen zum Programm erhoben. Es macht das Leben halt weniger kompliziert und anstrengend. Aber da gibt es gleichwohl immer noch das schlechte Gewissen. Und das plagt einen möglicherweise lebenslang. Da muß man sich schon fragen, ob es nicht viel sinnvoller und letztlich befriedigender sein kann, die Duldungshaltung aufzugeben und sich einzumischen, wenn es erforderlich bzw. eigentlich unumgänglich ist, um dem Spuk ein Ende zu setzen.

Die Debatte hat selbstverständlich etwas angestoßen und Mißstände aufdeckt. Es kommt nun einzig darauf an, was wir daraus machen.

#MeToo ist also wichtig, aber mindestens genauso wichtig ist #FreeDeniz.

Gute Nacht!

Ihr/Euer Wolf

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wolfsgeheul.eu vom 22.10.2017

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„Attraktiv“ steht für „anziehend“ bzw. „anziehungskräftig“.

Läßt man zwei Magneten, die sich fixiert mit entgegengesetzten Polen gegenüberstehen, ihre Freiheit, werden sie unverzüglich und unaufhaltsam mit zunehmder Geschwindigkeit aufeindander zustreben bis sie endlich im Vollkontakt zusammenprallen und fest und unverrückbar miteinander verbunden bleiben. Vice versa stoßen sie sich ab, entfernen sich voneinander und kommen definitiv nicht zueinander. Weitere Varianten gibt es nicht.

Im zwischenmenschlichen Bereich sind die obigen beiden Fälle unproblematisch, da unstreitig Einvernehmlichkeit besteht. Nicht selten wird dort aber die Magnet-Physik  um die Möglichkeit erweitert, daß sich nur eine Seite von der anderen angezogen und die Gegenseite sich eher abgestoßen fühlt oder dem zumindest gleichgültig gegenübersteht. Am Ende wird dann der berühmte Korb gegeben. Bis zum Gewinn dieser finalen Klarheit, braucht es aber immer eine Weile. Der sich angezogen Fühlende wird also eine Zeitlang das eine oder andere unternehmen, um dem Gegenüber in irgendeiner Form Mitteilung darüber zu machen, was es bei ihm auslöst.  Und die andere Seite braucht ebenfalls ein wenig, um zu realisieren, daß hier etwas nicht paßt.

Genau diese Phase, in der eigene Blindheit und/oder unbedachte und dann falsch interpretierte Signale die Hoheit über das Verfahren gewinnen können, birgt Risiken, wenn sich nämlich der Akteur nicht an die Regeln des Anstandes hält und eher als Jäger agiert, der dem Opfer hinterhereilt und zur Zielerreichung auch vor dem Einsatz von verbaler oder tätlicher Gewalt entweder skrupellos oder eher im Eifer des Gefechtes nicht zurückschreckt. Für die Definition der Grenze des Erlaubten und der Schwere eventueller Überschreitungen gelten zum einen allgemeine Vorstellungen der Gesellschaft sowie Gesetze und zum anderen weitere sehr unterschiedliche Faktoren der jeweiligen Wechselwirkungen in der speziellen Situation. Nicht jede ähnliche Übertretung muß daher die gleiche Gewichtung erfahren, weil es immer auch auf die subjektive Sicht der Betroffenen ankommt.

Nüchterner kann man menschliche Interaktion zwischen den Geschlechtern zum Ziele der Vereinigung wohl kaum umreißen. Es läßt aber die Vielfalt der Möglichkeiten unterschiedlicher Auffassungen aufscheinen, was eine sexuelle Belästigung darstellt und was nicht bzw. was traumatisch wirkt und was als eine läßliche Sünde zu werten ist. Es kommt eben wie immer auf den Einzelfall an.

Die anschwellende und fast hysterische Diskussion, die wir gerade erleben dürfen, über dieses Thema verläuft aber in jedem Falle viel zu binär digital und damit leider zu wenig differenziert. Sie trägt also kaum zur Klärung, sondern vielmehr zur allgemeinen Verunsicherung bei.

Und so wage ich die Behauptung, daß die generelle Ächtung sexueller Belästigung jedweder Art – was auch immer das sein mag – in toto dazu führen wird, daß Mann und Frau es zunehmend schwerer haben dürften, überhaupt in die Nähe einer wechselseitigen Anziehung zu gelangen, weil man sich nicht mehr getraut, eventuell geeignete Schritte vor lauter Angst, sie könnten geächtet und verboten sein, aufeinander zuzugehen.

Wer spricht eigentlich von den komplikationslosen oder zumindest schadlos verlaufenden Fällen, die Legion sind!? „Es irrt der Mensch, solang er strebt“! Wenn wir aber das Recht auf Irrtum nicht mehr zulassen, verliert das menschliche Miteinander seine Spielwiese als Grundvoraussetzung, um überhaupt in Gang zu kommen und sich gegebenenfalls erfolgreich zu entwickeln.

Sexuelle Belästigung im Sinne von Gewalt war immer unverzeihlich und strafbar. Ungeschicklichkeit und falsche Einschätzung sollten es aber nicht werden.

Wo bleiben denn da unsere Nachsicht und Leichtigkeit sowie überhaupt die Möglichkeit, Erfahrungen zu machen und einzubringen?

Gute Nacht!

Ihr/Euer Wolf

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