wolfsgeheul.eu vom 04.08.2017

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Der Rheinländer nennt ihn Köt – richtig heißt er Cutaway.

Ein wunderbares Kleidungsstück, welches man der Jugend von heute im Zweifel erklären muß, da sie es noch niemals gesehen hat. Der Große Gesellschaftsanzug des Tages hat in Deutschland praktisch ausgedient. Das Pendant für den Abend, den Frack, erlebt man fast nur an Dirigenten und Orchestermusikern. Einzig der Smoking findet bisweilen noch seinen Einsatz. Selbst zu Hochzeiten scheint Stilechtheit kaum mehr gefragt, stattdessen wartet der Mann dort mit oft gräuslichen Mischformen auf oder er trägt den richtigen Anzug zur falschen Uhrzeit. Eigentlich traurig, daß die guten Umgangsformen, die sich auch und gerade am Habit zeigen, derartig aus der Mode kommen.

Umsomehr erfreut heute ein Bild im Hauptteil der FAZ von Japans umgebildetem Kabinett um Ministerpräsident Abe. Zwar erkennt man nur zwei Frauen, aber alle Männer tragen Cutaway. Nun ist Nippon zwar als sehr traditionsreiches Land bekannt, daß man dort jedoch einer ab dem Jahr 1850 von England ausgehenden Kleiderordnung bis in die Jetztzeit folgt, stellt eine Wohltat für das Auge dar. Das korrekte Uniforme läßt die Personen sichtbar hinter ihrem Amt zurücktreten, was bei der Neueinführung einer Regierungsmannschaft mehr als angemessen ist. Individualität muß nicht zwingend an solchen Tagen zur Schau getragen werden. Ihre persönliche Art und ihr Handeln sind für Menschen die viel wichtigere Unterscheidung. Und wer die Ehre hat, Verantwortung für das Volk zu übernehmen, tut gut daran, dem Akt der Ernennung mit Würde und Demut zu begegnen. Beides drückt der abgerundete Frack mit Streifenhose in vorzüglicher Art und Weise aus.

Diese Traditionsbewußtheit sei bei uns zur Nachahmung empfohlen! Oder nimmt man hier die Sache nicht mehr so ernst?

Es lebe der Köt! Und nun: Cut!

Gute Nacht!

Ihr/Euer Wolf

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wolfsgeheul.eu vom 20.07.2017

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Traditionen und Eitelkeiten treiben merkwürdige Blüten.

Vorgestern wurde das durchaus beeindruckende Weltfest des Pferdesportes CHIO in Aachen offiziell mit einer großen Feier eröffnet. Als jemand, der schon einmal live dabei sein mußte, kann ich sagen, daß es nichts Langweiligeres und Uninteressanteres gibt, als diese Veranstaltung. Gleichwohl zieht sie Jahr für Jahr die Massen an und gerade auch der echte Öcher zeigt hier Präsenz. Die wahren Fans ziehen sich dabei noch ein lustiges Strohhütchen auf und spielen große, weite Welt.

Nun könnte man dieses unsinnige Verhalten schnell als lächerlich abtun, was es ja auch ist. Aber auf der anderen Seite hat es gleichfalls etwas Rührendes, diese Identifikation mit dem größten Ereignis des Jahres im Westen der Republik. Man feiert seine Stadt und sich selbst. Es ist ein Schaulaufen für jedermann, bei dem es zum guten Ton gehört, sagen zu können, man sei dabei gewesen. Und für die Aktiven aus aller Welt macht gerade diese kollektive Euphorie und Fachkenntnis der Eingeborenen das besondere Flair dieses sportlichen Events aus.

Ein interessantes Phänomen bei einer Sportart, die aufgrund ihrer Kostspieligkeit bis heute nur wenigen auszuüben möglich ist. Und umso erstaunlicher, wenn man bedenkt, wie kontrovers man die professionelle Reiterei beurteilen könnte! Denn für mich sind und bleiben sowohl das Spring- bzw. Geländereiten als auch die Dressur und genauso der Fahrsport Tierquälerei. Das jedoch in den anderthalb Wochen des CHIO-Hypes anzusprechen, verbietet sich, will man nicht als Nestbeschmutzer oder gar Blasphemiker abgestempelt werden. Wahrscheinlich würde Gleiches gelten, wäre Aachen seit Jahrzehnten bekannt für seine Gladiatorenkämpfe nach alter römischer Art mit letalem Ausgang für die tapferen Recken der Arena. Ja, sogar mit Sicherheit, denn in unseren Zeiten gilt doch groteskerweise zumeist das Tierwohl mehr als das des Menschen.

Die Kritik muß halt zurücktreten, wenn es um den Wirtschaftsfaktor für eine Region geht. Und der Durchschnittsbürger macht gemeinsam mit der Provinz-Hautes-Volée willig gute Miene zum bösen Spiel.

Es lebe der Kommerz! Da pfeifen wir doch auf die geschundene vierbeinige Edelkreatur.

Gute Nacht!

Ihr/Euer Wolf

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