wolfsgeheul.eu vom 20.07.2017

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Traditionen und Eitelkeiten treiben merkwürdige Blüten.

Vorgestern wurde das durchaus beeindruckende Weltfest des Pferdesportes CHIO in Aachen offiziell mit einer großen Feier eröffnet. Als jemand, der schon einmal live dabei sein mußte, kann ich sagen, daß es nichts Langweiligeres und Uninteressanteres gibt, als diese Veranstaltung. Gleichwohl zieht sie Jahr für Jahr die Massen an und gerade auch der echte Öcher zeigt hier Präsenz. Die wahren Fans ziehen sich dabei noch ein lustiges Strohhütchen auf und spielen große, weite Welt.

Nun könnte man dieses unsinnige Verhalten schnell als lächerlich abtun, was es ja auch ist. Aber auf der anderen Seite hat es gleichfalls etwas Rührendes, diese Identifikation mit dem größten Ereignis des Jahres im Westen der Republik. Man feiert seine Stadt und sich selbst. Es ist ein Schaulaufen für jedermann, bei dem es zum guten Ton gehört, sagen zu können, man sei dabei gewesen. Und für die Aktiven aus aller Welt macht gerade diese kollektive Euphorie und Fachkenntnis der Eingeborenen das besondere Flair dieses sportlichen Events aus.

Ein interessantes Phänomen bei einer Sportart, die aufgrund ihrer Kostspieligkeit bis heute nur wenigen auszuüben möglich ist. Und umso erstaunlicher, wenn man bedenkt, wie kontrovers man die professionelle Reiterei beurteilen könnte! Denn für mich sind und bleiben sowohl das Spring- bzw. Geländereiten als auch die Dressur und genauso der Fahrsport Tierquälerei. Das jedoch in den anderthalb Wochen des CHIO-Hypes anzusprechen, verbietet sich, will man nicht als Nestbeschmutzer oder gar Blasphemiker abgestempelt werden. Wahrscheinlich würde Gleiches gelten, wäre Aachen seit Jahrzehnten bekannt für seine Gladiatorenkämpfe nach alter römischer Art mit letalem Ausgang für die tapferen Recken der Arena. Ja, sogar mit Sicherheit, denn in unseren Zeiten gilt doch groteskerweise zumeist das Tierwohl mehr als das des Menschen.

Die Kritik muß halt zurücktreten, wenn es um den Wirtschaftsfaktor für eine Region geht. Und der Durchschnittsbürger macht gemeinsam mit der Provinz-Hautes-Volée willig gute Miene zum bösen Spiel.

Es lebe der Kommerz! Da pfeifen wir doch auf die geschundene vierbeinige Edelkreatur.

Gute Nacht!

Ihr/Euer Wolf

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wolfsgeheul.eu vom 23.09.2016

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Drei beileibe nicht unterbeschäftigte Alphatiere sollen künstlerisch ein, nein, sogar das „Ensemble“ bilden können!? Und ein Vierter dieser Gattung soll der gastgebende Galerist der „Massemblage“ genannten Ausstellung sein!? Das hört sich eher nach Karambolage an. Das kann nicht gutgehen.

Doch, es kann! Es macht natürlich sehr viel Arbeit, gefühlt fast mehr als der jeweilige individuelle Teil des Schaffens des eigenen Beitrages. Vier ausgeprägte Charaktere unter einen Hut zu bringen, dazu bedarf es Gelassenheit und eines gehörigen Maßes an gegenseitiger Rücksichtnahme. Einige Treffen, unzählige E-Mails, Mißverständnisse und dutzende unbeantwortete oder ungeklärte Fragen weiter steht und hängt trotzdem alles, und die Besucher können kommen. Der Rest klärt sich beim Verputz. Und wir reden, lachen, speisen, trinken immer noch miteinander und necken uns obendrein bei nahezu jeder passenden Gelegenheit. Ein Spaß und gleichzeitig eine Herausforderung für Geist, Seele und Herz! Vielleicht sind wir nicht repräsentativ. Vielleicht liegt es an unser aller fortgeschritterem Alter. Vielleicht hatten wir auch nur Glück. Aber wenn es irgendwo gelingt, dann nach meinem Eindruck am ehesten unter Künstlern. Denn bei aller Ernsthaftigkeit haftet der Kunst doch etwas Leichtes – nicht Flüchtiges – an. Dem Spannenden, Geheimnisvollen und Schönen dienen und nachzuspüren ist zwar für die Macher Arbeit, aber auch, wie für die Konsumenten, ein Lebenselixier, jedoch nicht im Sinne des täglichen Brotes allein, sondern im Sinne auch des Sahnehäubchens auf dem Alltag, des schleckbaren Lohnes des außerhalb des Gewöhnlichen liegenden bzw., nüchtern gesprochen, nicht – außer für den Nur-Künstler – lebensnotwendigen  und vorallem unerwarteten, geschweige denn von irgendjemandem geforderten Werkes.

Goethe rät der Kunstwelt in „Wilhelm Meisters Wanderjahre“ zur Geselligkeit und eventuell sogar Gemeinsamkeit auch und gerade als Quell‘ der Inspiration:

»Zu erfinden, zu beschließen,
Bleibe, Künstler, oft allein;
Deines Wirkens zu genießen,
Eile freudig zum Verein!
Hier im Ganzen schau‘, erfahre
Deinen eignen Lebenslauf,
Und die Taten mancher Jahre
Gehn dir in dem Nachbar auf.

Der Gedanke, das Entwerfen,
Die Gestalten, ihr Bezug,
Eines wird das andre schärfen,
Und am Ende sei’s genug!
Wohl erfunden, klug ersonnen,
Schön gebildet, zart vollbracht –
So von jeher hat gewonnen
Künstler kunstreich seine Macht.

Wie Natur im Vielgebilde
Einen Gott nur offenbart,
So im weiten Kunstgefilde
Webt ein Sinn der ew’gen Art;
Dieses ist der Sinn der Wahrheit,
Der sich nur mit Schönem schmückt
Und getrost der höchsten Klarheit
Hellsten Tags entgegenblickt.

Wie beherzt in Reim und Prose
Redner, Dichter sich ergehn,
Soll des Lebens heitre Rose
Frisch auf Malertafel stehn,
Mit Geschwistern reich umgeben,
Mit des Herbstes Frucht umlegt,
Daß sie von geheimem Leben
Offenbaren Sinn erregt.

Tausendfach und schön entfließe
Form aus Formen deiner Hand,
Und im Menschenbild genieße,
Daß ein Gott sich hergewandt.
Welch ein Werkzeug ihr gebrauchet
Stellet euch als Brüder dar;
Und gesangweis flammt und rauchet
Opfersäule vom Altar.«

Das haben wir beherzigt und tatsächlich etwas Gemeinsames auf die Beine gestellt. Wir – so scheint es mir – sind alle letztlich tief zufrieden. Diese positive Erfahrung möchte ich nicht missen.

Jetzt müssen die Menschen nur noch zu uns streben, denn ohne Aufmerksamkeit und öffentliche Wirkung ist das Ganze – so ehrlich muß man unabhängig vom jeweiligen Eitelkeitsgrad sein – gelinde gesagt nicht vollkommen.

Und, liebe Besucher: Der Lohn des Künstlers ist der Applaus, denn nur in der Not schmeckt die Sahne auch ohne Brot! Es ist eben nicht alles Wurscht.

Gute Nacht!

Ihr/Euer Wolf

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