wolfsgeheul.eu vom 11.01.2018

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Good old days!

Fällt heute das Wort „Performance“ denken junge Leute und Anglizismus-Fetischisten aus der Wirtschaft zumeist nur an den Auftritt eines Menschen oder Unternehmens bzw. an deren Leistung bzw. Effizienz.

In meiner Jugend gab es nur eine wesentliche Bedeutung für dieses Wort. Kunstaktion! Gerne auch nackt provozierte man das zum Teil noch prüde und biedere Publikum auf jede erdenkliche Art, man schrie, schlachtete Hühner, wälzte sich in Blut, beleidigte und attackierte wahllos etc.. Irritation und gar Flurschaden waren dabei Programm. Man konnte es mögen oder verachten, eines jedoch war nicht zu bestreiten, daß etwas Bemerkbares und Aufrüttelndes geschah. Es war unkontrollierte Bewegung in der Welt. Die Überraschung lauerte hier und da. Neues lag in der Luft. Aufbruchsstimmung halt!

Die Zeiten sind leider ruhiger, stiller geworden, obwohl Unrecht und Gefahr eher zu- denn abgenommen haben und oftmals immer himmelschreiender werden.

Umsomehr freut es mich, heute in Köln bei der Performance meines Freundes Dr. Johannes S. Sistermanns gewesen zu sein. Er hat sich zwar nicht ausgezogen – sollte man in unserem Alter vielleicht auch nicht mehr öffentlich tun – aber ansonsten auf der Klaviatur seines vielfältigen Könnens gespielt. In von ihm mit allerlei Papiernem, Hölzernem, Leuchtendem, Flackerndem, Künstlichem und vor allem Tönendem ausgestalteten, spannenden Räumen des Tenri Japanisch-Deutsche-Kulturwerkstatt e. V. feierte er den selbsterzeugten Oberton, das eigene aerophone Blasgeräusch, wickelte Klarsichtfolie aus und sich darin ein, traktierte den Flügel von sanft bis hart, entlockte dem Resonanzboden des ehrwürdigen Instruments mit moderner Technik neue Klänge fern von Cage, spielte die Tasten durch ein sie teilweise verdeckendes rotes Filztuch und durchmaß andächtig seine beeindruckende Vernissage namens „ma meta – meta ma“. Alles mit hoher Präsenz und meditativer Konzentration und Kraft! Er machte es nicht, um dem Publikum und vielleicht auch noch nicht einmal sich selbst zu gefallen. Er machte es einfach. Es war ein Angebot, eine Aufforderung zum Denken.

Das Publikum war ausgesucht und überschaubar. Dazu überwiegend alt und älter sowie mit Kennerschaft ausgestattet! Das ist zuwenig.

Wir brauchen wieder mehr Aktionskunst, und wir brauchen dringend mehr junge Leute als Künstler und Schaulustige, die sich für diese Kunstform interessieren und vielleicht sogar begeistern. In einer Zeit, in der die Philosophen nicht mehr so viel gehört und gelesen werden, sind es wie so oft die Artisten, die der Welt neue Impulse, die dringlicher denn je benötigt werden, zu verleihen vermögen.

Schön war’s! Danke, Johannes!

Gute Nacht!

Ihr/Euer Wolf

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wolfsgeheul.eu vom 04.08.2017

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Der Rheinländer nennt ihn Köt – richtig heißt er Cutaway.

Ein wunderbares Kleidungsstück, welches man der Jugend von heute im Zweifel erklären muß, da sie es noch niemals gesehen hat. Der Große Gesellschaftsanzug des Tages hat in Deutschland praktisch ausgedient. Das Pendant für den Abend, den Frack, erlebt man fast nur an Dirigenten und Orchestermusikern. Einzig der Smoking findet bisweilen noch seinen Einsatz. Selbst zu Hochzeiten scheint Stilechtheit kaum mehr gefragt, stattdessen wartet der Mann dort mit oft gräuslichen Mischformen auf oder er trägt den richtigen Anzug zur falschen Uhrzeit. Eigentlich traurig, daß die guten Umgangsformen, die sich auch und gerade am Habit zeigen, derartig aus der Mode kommen.

Umsomehr erfreut heute ein Bild im Hauptteil der FAZ von Japans umgebildetem Kabinett um Ministerpräsident Abe. Zwar erkennt man nur zwei Frauen, aber alle Männer tragen Cutaway. Nun ist Nippon zwar als sehr traditionsreiches Land bekannt, daß man dort jedoch einer ab dem Jahr 1850 von England ausgehenden Kleiderordnung bis in die Jetztzeit folgt, stellt eine Wohltat für das Auge dar. Das korrekte Uniforme läßt die Personen sichtbar hinter ihrem Amt zurücktreten, was bei der Neueinführung einer Regierungsmannschaft mehr als angemessen ist. Individualität muß nicht zwingend an solchen Tagen zur Schau getragen werden. Ihre persönliche Art und ihr Handeln sind für Menschen die viel wichtigere Unterscheidung. Und wer die Ehre hat, Verantwortung für das Volk zu übernehmen, tut gut daran, dem Akt der Ernennung mit Würde und Demut zu begegnen. Beides drückt der abgerundete Frack mit Streifenhose in vorzüglicher Art und Weise aus.

Diese Traditionsbewußtheit sei bei uns zur Nachahmung empfohlen! Oder nimmt man hier die Sache nicht mehr so ernst?

Es lebe der Köt! Und nun: Cut!

Gute Nacht!

Ihr/Euer Wolf

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