wolfsgeheul.eu vom 05.01.2016

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Kondolieren ist ein besonders schwieriges Unterfangen, das selbst Menschen, denen das Schreiben ansonsten leicht von der Hand geht, an ihre Grenzen zu bringen vermag. Darüberhinaus ist es ein höchst privatimer Akt gegenüber einer einem nahestehenden Person oder Familie. Das wiederum aber schützt den Autor einer zu sachlichen oder gar unglücklichen Beileidsbekundung vor öffentlichem Spott, und die Trauernden beweisen in dieser Situation sicherlich ein großes Herz mit gegebenenfalls etwas unbeholfenen Freunden oder guten Bekannten des Hauses, gibt es doch viel Größeres zu beklagen, als eine eventuelle Ungeschicklichkeit beim Versuch, die Hinterbliebenen zu trösten und sie der Wertschätzung für den Verstorbenen zu versichern. Außerdem zählen die Geste und der Mut, es überhaupt gewagt zu haben. Denn wie oft erlebt man auch die, die sich nonchalant meinen, durchmogeln zu können, indem sie freimütig und feige bekunden, des Kondolierens nicht fähig zu sein. In diesen Fällen wäre sogar Schweigen der bessere Weg. Und die ganzen formellen Schreiben sollte man ohnehin hinsichtlich Wahrheitsgehalt und Ernsthaftigkeit nicht besonders wichtig nehmen. Hier wird nämlich genausoviel gelogen und geheuchelt wie schon zuvor in so mancher Todesanzeige, weshalb bei ihnen maximal die Anzahl und die gesellschaftliche Stellung des Absenders als Gradmesser für die Bekanntheit und Wirkmächtigkeit des Toten zu seinen Lebzeiten herhalten können, was aber in Summe auch einer Ehrung und Würdigung gleichkommt.

Viel einfacher gestaltet sich da tatsächlich der öffentliche Nachruf, bei dem letztlich nur der Grundsatz „de mortuis nihil nisi bene“ zu beachten ist. Für Kritik, Herabwürdigung oder gar Beleidigungen ist es zu spät, die Chancen sind vertan. Die Höchststrafe bleibt so, gar keinen Nachruf zu verfassen, was aber selbst dem Erzfeind gegenüber armselig sich ausmacht. Zusätzlich ist es im höchsten Maße ungerecht, jemandem, an dem man sich sein Leben lang gerieben und abgearbeitet hat, die Ehre zu verweigern, festzustellen, daß er dafür immerhin für würdig befunden worden ist. Anders liegt der Fall nur bei Menschen, die der Autor oder das Presseorgan immer schon mit Mißachtung bestraft haben. Ein öffentlicher Nachruf braucht also in der Minimalversion nur die wesentlichen biographischen Daten aufzulisten. Soll er persönlicher und ausführlicher sein, hat er zu beachten, daß er sich mit diskreten Details zurückhält, denn er richtet sich an die Öffentlichkeit und der Verstorbene hat keine Möglichkeit mehr, sich dazu zu äußern. Das gilt insbesondere für objektiv unberechtigte Vereinnahmungen und übertriebene Darstellung eines Nähevehältnisses, welches in Wirklichkeit niemals bestanden hat, ein Phänomen, das leider in unserer eitlen Welt, in der immer wieder auch vom Nachrufer der Versuch unternommen wird, sich ungerechtfertigterweise mit den Lorbeeren des Toten zu schmücken und von seinem Ableben selbst zu profitieren, nicht selten vorkommt. Eingedenk dessen kann ebenfalls beim Nachruf einiges schiefgehen, aber der Wohlmeinende und Ehrliche hat ein relativ leichtes Spiel mit dieser Aufgabe.

Am Montag nun ist Achim Mentzel im Alter von nur 69 Jahren überraschend verstorben. Der Ostberliner Entertainer und Schlagersänger hat nicht nur in der DDR, sondern auch im vereinten Deutschland mit seiner unbändigen Lebenslust, seinem Humor und seiner Fähigkeit zur Selbstironie zu recht eine allgemeine Berühmheit erlangt. Er war ein Original. Was aber jetzt via Facebook vermeintliche Freunde wie Oliver Kalkhofe oder Jens Riwa verbreiten, ist geschmacklos und zeigt, welch‘ Geistes Kinder die Verfasser sind. Der so seriös daherkommende Riewa ruft Achim Mentzel „Tschüß, Hamsterfresse.“ nach, und Kalkhofe redet ihn mit „Zonen-Zausel“ an und wähnt ihn in Anspielung auf den Spreewald und einen Schlager Mentzels im „Gurkenhimmel“.

Hier offenbart sich augenscheinlich ein großes Mißverständnis. Zum einen ist Facebook öffentlich und zum zweiten ist Achim Mentzel tot. Wie auch immer man sich zu Lebzeiten unter Freunden, wenn es denn wirklich welche waren, angeredet oder übereinander gesprochen, worüber man auch immer gemeinsam gefrotzelt haben mag, es verbietet sich, nach dem Tod des Freundes damit fortzufahren. Selbst Kalkhofe und Riewa ist zu unterstellen, daß sie der Witwe Mentzels mit ihren handschriftlichen Beileidsbriefen nicht ihre Trauer und Anteilnahme wegen des Ablebens ihres „Zonen-Zausels“ und ihrer „Hamsterfresse“ ausdrücken.

Der Rückgang in Sachen Stil, Benehmen und Einfühlungsvermögen ist ein herber Verlust für unsere Kulturnation. Es ist aber auch nicht zu verkennen, daß ein so schnelles und flüchtiges Medium wie Facebook die Einhaltung guter alter Regeln nicht gerade befördert. Es läßt die Grenzen zwischen öffentlich und privat für die Nutzer offenbar verschwimmen. Schade! Der Welt geht ein Stück Würde verloren. Auch das ist leider ein Mosaikstein in der Beantwortung der Frage, warum wir zunehmend verrohen.

Nur, weil er grenzenlosen Humor, ein unerschütterliches Selbstvertrauen besaß und deshalb hart im Nehmen war, hat Achim Mentzel das nicht verdient. Ruhe in Frieden!

Gute Nacht!

Ihr/Euer Wolf

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wolfsgeheul.eu vom 21.10.12015

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Wir leben im „Zeitalter der Outleteritis“!

Vor über einem Jahr wurde das nach und nach verödete Bad Münstereifel – bekannter als „Heino-City“ – zu einem solchen Billigmarkt umgebaut. Auch Westfalen ist in Ochtrup seit einiger Zeit um eine solch‘ zweifelhafte Attraktion reicher. Während aber dort in den neu errichteten Gebäuden die Giebelhäuser im Münsterland nachgeahmt wurden, zog man in der Eifel gleich in die leerstehenden Geschäftshäuser im Zentrum der schönen Altstadt. Und zu allem Überfluß gibt es kurz über die Grenzen in Maasmechelen, Belgien, und in Roermond, Niederlande, vergleichbare Kaufrauschtempel. Der Bedarf scheint also vorhanden und noch lange nicht gedeckt.

Was treibt die Menschen dorthin? Ochtrup wirbt im Radio auf WDR sinngemäß mit dem Aufmacher, daß Stil keine Frage von Geld mehr sein müsse. Das soll wohl heißen, daß das Tragen von mehr oder minder hochwertigen Marken-Klamotten automatisch stilvoll sei. Dabei wird niemand zum stilvoll gekleideten Menschen dadurch, daß er Markenkleidung trägt. Erst recht die Label-Akkumulation erreicht meist genau das Gegenteil. Außerdem paßt sich der Markensüchtige gewöhnlich dem Stil der Marke an, anstatt tatsächlich einen eigenen Stil, ja überhaupt einen solchen zu entwickeln.

Während also die These, daß Geld nicht notwendig sei, um Stil zu haben und zu zeigen, richtig ist, geht der Verweis auf eine stilbegründende Eigenschaft von Labels fehl.

Das alles scheint den stillosen Aufsteiger nicht zu scheren, seine Gier nicht zu zügeln. Und wer einmal selbst ein Outlet-Center besucht hat, weiß, daß die dort aufschlagenden Konsumhorden sich maßgeblich aus Menschen zusammensetzen, die über relativ wenig Geld verfügen und eher ihre bisherige, gefälschte Kleidung durch bezahlbare echte ersetzen. Außerdem übersieht man geflissentlich, daß die wirklich Reichen, also die eigentliche Zielgruppe hochwertiger Waren, entweder die dort hochgejubelten Marken noch nie gekauft oder sich nach Eintreten der Käuferschichtenverwässerung von ihnen abgewandt haben. Waren, die massenhaft und preiswert unter das Volk gebracht werden, verlieren ihre Exklusivität und damit ihren Reiz, ganz im Gegenteil zur millionenfachen Plagiierung, die eher die Attraktivität erhöht und die Marke sogar gewissermaßen adelt. Und außerdem gibt es noch den häufig geäußerten Verdacht, daß die Unternehmen manche Waren „exclusiv“, d. h. extra für den Outlet-Verkauf produzieren, so daß wahrscheinlich unter ein und demselben Label eine Zweiklassengesellschaft geschaffen wird. Wer sich via Marke an die Spitze der sozialen Gemeinschaft katapultiert wähnt, täuscht sich also in jeder Hinsicht gewaltig. Und auch dort oben gilt im übrigen der Grundsatz, daß man Stil nicht mit Garantie kaufen kann, sondern selbst herausbilden und haben muß.

Mehr denn je streben die Menschen nach dem schönen Schein, was leider als ein untrügliches Indiz für den allgemeinen Rückgang von eigenständigem Denken, Selbstbewußtsein und Souveränität gedeutet werden muß. Das erklärt auch die vielen Mitbürger, die zum Denken nicht mehr fähig zu sein scheinen oder ihr Ego an der Garderobe abgegeben haben und jetzt nur noch plakativen Parolen vermeintlicher Geistesgrößen mit dem verzweifelten Mut, das Maul aufzureißen, hinterherlaufen. Pegida als Outlet für einfaches Denken! Platte Formeln für uniformierte Markensklaven! Mode und Politik wissen eben, wie sie die Massen begeistern und von ihnen profitieren können. Vielleicht sollten die gemäßigten Intelligenten nicht zuvörderst gegen Extremismus, sondern gegen Outlet-Center protestieren!? Denn dort fangen Volksverdummung und freiwillige Knechtschaft auch an. Wer den Typus „Mitläufer“ verhindern will, der muß früher, unkonventioneller und zum Teil ganz woanders ansetzen.

Das „Outlet-Center für geistigen Dünnpfiff“ in Dresden hat übrigens gerade einjähriges Bestehen gefeiert und erfreut sich zunehmender Beliebtheit. Wir brauchen dringend ein Rezept gegen die grassierende Seuche der dümmlichen „Outleteritis.

Gute Nacht!

Ihr/Euer Wolf

 

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