wolfsgeheul.eu vom 08.06.2017

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Hitchcock is calling: „Front window“!

Heute möchte ich einmal mit einer Mär aufräumen. Männer parken nicht besser ein als Frauen.

Sechs Jahre lang kann ich inzwischen von meinem Schreibtisch auf eine Straße schauen, die beidseitig zugestellt werden kann. Meine beiläufige empirische Forschung erlaubt mir nun ein sehr kompetentes Urteil über das Einparkverhalten der Geschlechter.

Echte Könner gibt es genauso wie leidliche Manövrierer auf beiden Seiten. Einen Schwerpunkt auf Weiblein oder Männlein kann ich dabei beim besten Willen nicht erkennen. Und das gilt auch für die Kategorie „wahre Katastrophen“. Epische Dramen spielen sich nämlich dort zum Teil ab. Dabei sind die Solisten besonders bedauerungswürdig. Aber auch die, die trotz lautstarker Anweisungen vom Bürgersteig, den Ball einfach nicht im Loch zu versenken vermögen, sind genauso zu bemitleiden. Humor beweisen dabei die wenigsten. Stattdessen fließen Blut, Schweiß und Tränen, häufig begleitet von Schimpfkanonaden und/oder böser Häme. Richtig erbärmlich wird es, wenn die technische Errungenschaft der Einparkautomatik falsch bedient oder ihr nicht getraut und manuell eingegriffen wird. Dann ist das Chaos perfekt. Für viele also kein guter Start in das, was folgen soll. Und der Zuschauer fühlt sich mal belustigt, mal gestört und hin und wieder sogar fast bemüßigt, hinauszulaufen und die armen Teufel von ihren Leiden zu erlösen und selbst kurz das Steuer zu übernehmen, um dem Trauerspiel ein schnelles Ende zu bereiten.

Sollte diese meine Beobachtung einer wissenschaftlichen Überprüfung – wovon ich ausgehe – standhalten, würfe das seit Ewigkeiten gepflegte Vorurteile über den Haufen. Dabei spielt es keine Rolle, daß sie vielleicht einmal zutreffend gewesen sein mögen. Heute stimmen sie jedenfalls nicht mehr!

Es zeigt aber nicht nur das – unabhängig von unbestreitbaren Begabungsunterschieden – teilweise Totalversagen der Fahrlehrer, sondern auch, daß es der Kommerz mit der Wahrheit nicht genau nimmt. Da kann ein australischer Versicherungsvertreter Millionen mit einem Primitivschmöker wie „Warum Männer nicht zuhören und Frauen schlecht einparken“ verdienen oder ein einfältiges Boulevardstück wie „Caveman“ mit viertklassigen Schauspielern die Stadthallen füllen und Welterfolge feiern. Und alle springen freudig auf den Zug der Seichtheit auf und fühlen sich prächtig unterhalten.

Wenn wir heute hitzig über Fake-News diskutieren, muß man doch einmal fragen, ob die Menschen überhaupt so sehr an belastbaren Fakten interessiert sind. Die schönsten Geschichten schreibt doch das freie, wechselnde Moden willig bedienende Schwadronieren. Es ist also kein Zufall, wenn Versicherungsfuzzies Besteller schreiben. Und so verkommt das große Thema „Wahrheit“ zur Scheindebatte. Immer nur wenige sind tatsächlich um sie bemüht und üben damit kaum eine Strahlkraft auf die Allgemeinheit aus.

„Panem et circenses“ bewegt, beglückt und kalmiert das Volk! Das war so, und wird immer so bleiben. Wozu also die Aufregung?

Schönes Einparken ins Bett und gute Nacht!

Ihr/Euer Wolf

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wolfsgeheul.eu vom 18.05.2015

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Meine Kolumne macht mir Spaß, und ich verspüre nicht im geringsten den Drang, damit aufzuhören. Ganz im Gegenteil!

Einzig ein bißchen mehr Diskussion, so wie zu Beginn in Form des interessanten und weiterführenden Schlagabtausches mit meinem Kollegen und Freund über meine „Edathy-Kolumne“, wäre mir manchmal lieb. Nun weiß ich aber, daß der Prozentsatz der Leserbriefschreiber unter den Zeitungskonsumten per se gering ist und sich häufig aus der Gruppe der Ruheständler rekrutiert, die einfach die Zeit dazu haben, sich der Mühe zu unterziehen, ihrer Meinung bzw. Kritik Ausdruck zu verleihen. Insofern freue ich mich, daß sich der Großteil meiner Leser offenbar noch im Arbeitsprozeß befindet. Auf der anderen Seite aber geht es um unsere Zukunft resp. mehr noch um die unserer Kinder, so daß das virulente Interesse, an der Meinungsbildung mitzuwirken, eigentlich bei letzteren läge. Altbundespräsident Roman Herzog hat lt. T-Online gerade beklagt, daß die Älteren zu sehr auf Kosten der Jüngeren lebten. Ob das so ist, will ich hier nicht kommentieren, jedoch sollte sich die Jugend die Frage stellen (lassen), ob es für ihren weiteren Weg klug ist, die Meinungshoheit denen zu überlassen, deren Zukunft erkennbar begrenzt ist.

Trotzdem ist es genauso schön wie erstaunlich, daß die Alten überwiegend noch so vital und interessiert am Leben teilnehmen. Und da schließt sich der Kreis, denn meine 89-jährige Mutter verfolgt meine Beiträge auch genauest und hält mit Kritik und Kommentar nicht hinter dem Berg. An meiner „Tattoo-Kolumne“ vom vergangenen Freitag hatte sie nichts auszusetzen, verwies aber auf einen Kästner-Text, der so gut paßt, daß ich ihn nachfolgend einbringe. Auch wenn sich der Kabarettist in diesem Gedicht allein auf die Frauen kapriziert, läßt sich das Gesagte heute eins zu eins auf die Männer übertragen, was im übrigen augenfällig macht, wie sehr sich der Mann, der doch die Moden lange Zeit gerne den Frauen überließ, gewandelt hat. Das Rollenverständnis ist vollkommen durcheinandergeraten; früher wäre es doch undenkbar gewesen, daß ein Fußball-Bundestrainer für Herrenkosmetik wirbt. Aber er trainiert ja auch fast nur noch tätowierte Spieler. O tempora, o mores!

Auf geht’s!

Erich Kästner

Sogenannte Klassefrauen

Sind sie nicht pfuiteuflisch anzuschauen?
Plötzlich färben sich die Klassefrauen,
weil es Mode ist, die Nägel rot!
Wenn es Mode wird, sie abzukauen
oder mit dem Hammer blauzuhauen,
tun sie’s auch. und freuen sich halbtot.

Wenn es Mode wird, die Brust zu färben,
oder falls man die nicht hat, den Bauch . . .
Wenn es Mode wird, als Kind zu sterben
oder sich die Hände gelbzugerben,
bis sie Handschuhn ähneln, tun sie’s auch.

Wenn es Mode wird, sich schwarzzuschmieren . . .
Wenn verrückte Gänse in Paris
sich die Haut wie Chinakrepp plissieren . . .
Wenn es Mode wird, auf allen Vieren
durch die Stadt zu kriechen, machen sie’s.

Wenn es gälte, Volapük zu lernen
und die Nasenlöcher zuzunähn
und die Schädeldecke zu entfernen
und das Bein zu heben an Laternen,
morgen könnten wir’s bei ihnen sehn.

Denn sie fliegen wie mit Engelsflügeln
immer auf den ersten besten Mist.
Selbst das Schienbein würden sie sich bügeln!
Und sie sind auf keine Art zu zügeln,
wenn sie hören, daß was Mode ist.

Wenn’s doch Mode würde, zu verblöden!
Denn in dieser Hinsicht sind sie groß.
Wenn’s doch Mode würde, diesen Kröten
jede Öffnung einzeln zuzulöten!
Denn dann wären wir sie endlich los.

Es ist also alles nur eine Mode, mit der Besonderheit bei der Tätowier-Mode allerdings, daß die Menschen, die ihr anhängen, davon ein Leben lang gezeichnet sind.

Wenn ich zuweilen dazu neige, in den Chor der Älterwerdenden einzustimmen, die das Früher glorifizieren und das Heute verteufeln, helfen solche Rückgriffe, um wieder auf den Teppich zu kommen und die Dinge zu relativieren. Ganz offensichtlich war es zu jeder Zeit merkwürdig, was der Erdenmensch so veranstaltet, und die Geschichte scheint sich in Variationen zu wiederholen. So sei es denn, wenn es uns aber wenigstens gelänge, beim Thema „Krieg“ den Druck auf die „da capo-Taste“ zu vermeiden.

Gute Nacht!

Ihr/Euer Wolf

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