wolfsgeheul.eu vom 13.11.2015

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Mein Lions Club engagiert sich nicht nur seit längerem für die Tafel in Maastricht, sondern neuerdings zusätzlich für einen Treffpunkt in dem dortigen Problemviertel Wittevrouwenveld , der mit großem persönlichen Einsatz auch Essen feilbietet. In dieser Einrichtung geht es nicht nur darum, Menschen, die in prekären Verhältnissen leben, zu verköstigen, sondern ihnen zugleich ein kleines Zuhause zu bieten, in dem sie willkommen sind und unter Leute kommen, um ihrer sprachlosen Einsamkeit, ihrem Elend zeitweise zu entfliehen. Daß es sich hierbei um eine lohnende Aufgabe handelt, dürfte außer Frage stehen. Auch kann man akzeptieren, daß selbst der bestorganisierte und leistungsfähigste Wohlfahrtsstaat nicht alles erbringen kann, so daß sich ehrenamtliches Engagement hier nicht um die Dinge kümmert, geschweige denn einmischt, die originär vom Staat zu erbringen wären. Also alles gut so? Nein!

Heute war ich erstmalig im Aachener Justizzentrum in der Kantine essen. Für zwei schmackhafte Seelachsfilets in ordentlicher Soße mit Pommes Frites und Salatbeilage sowie einen halben Liter stilles Markenwasser zahlte der Mandant, der mich freundlicherweise einlud, neun Euro und zehn Cent, in Zahlen: 9,10 EURO. Wenn man von den wenigen Kunden der Justiz und den paar Rechtsanwälten einmal absieht, wird man wohl davon ausgehen dürfen, daß überwiegend die Mitarbeiter des Hauses in den Genuß dieser Verköstigung gelangen. Zum großen Teil also Staatsbedienstete, die einen krisensicheren Arbeitsplatz haben und im Vergleich zur freien Wildbahn bei weitem nicht mehr signifikant schlechter verdienen, so wie das in früheren Zeiten, in denen die Verbeamtung noch der gesunden und richtigen Logik folgte, daß dafür im Gegenzuge die Einkunftsmöglichkeiten erkennbar geringer ausfielen, üblich war. Das war ein fairer Kontrakt, und jedem, der die entsprechende Qualifikation mitbrachte, stand es frei, sich entweder für Sicherheit oder für Risiko mit Mehrverdienstchance zu entscheiden. Jedenfalls reden wir über Menschen, die, wenn sie ihr Budget im Griff haben, grob gesagt definitiv nicht am Hungertuch nagen.

Jetzt muß doch die Frage erlaubt sein, warum diesen Berufstätigen in einem solch eklatanten Maße das Mittagessen augenscheinlich subventioniert wird, daß sie einen Hauptgang zu derart geringem Preis erwerben können. Wir reden hier ja gerade nicht über ein Privatunternehmen, dem es vollkommen unbenommen ist, wie es die Versorgung seiner Mitarbeiter organisiert und preislich gestaltet, sondern über eine steuerfinanzierte Behörde, die von allen Bürgern gespeist wird. Wenn man einmal den Versuch unternähme, solche Subventionen zu streichen, führte dies zu beträchtlichen Einsparungen, die mit Sicherheit nicht zur Folge hätten, daß die Richter, Staatsanwälte, Rechtspfleger und Justizbeschäftigen sich ein realistisch teures, aber immer noch preiswertes Kantinenessen nicht mehr leisten könnten und stattdessen die Tafeln stürmten, um nicht zu verhungern.

Solange die Situation aber so ist, wie sie ist, kann man doch jedem armen Mitbürger nur raten, seine Mahlzeiten zukünftig in unseren Behörden einzunehmen. Mit großer Freude fiebere ich den Folgen einer solchen Invasion entgegen. Ich sehe die Beamten schon hilflos nach einem freien Platz Ausschau halten in einer vollbesetzten Kantine mit lautem Sprachwirrwarr, herumlaufenden Kindern, von Tüten und Kinderwägen verstopften Gängen und dem ein oder anderen Menschen, der hinsichtlich Tischsitten und Körperhygiene geringere Ansprüche an sich selbst stellt! Da kann man eine Wette eingehen, daß es nicht lange dauern wird, bis über Preiserhöhungen ganz dezent wieder der alte, keine Hektik ausstrahlende Zustand hergestellt ist.

Bis dahin allerdings können sich die Ehrenamtlichen anderen Aufgaben widmen und müssen erst dann die Tafeln und Armenspeisungen wieder in Betrieb nehmen, wenn ihre angestammten „Kunden“ gezwungen sind, reumütig zurückzukehren.

Bürgerengagement braucht den Eindruck, daß wir uns mit öffentlichen Geldern nicht weiter Erbhöfe halten. Das hat sehr viel mit sozialer Gerechtigkeit zu tun.

Gute Nacht!

Ihr/Euer Wolf

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wolfsgeheul.eu vom 30.09.2015

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Mit großen Erwartungen bin ich vor fast fünf Jahren nach Aachen gezogen. Nirgendwo sonst in Deutschland liegt eine Stadt mit rund 250.000 Einwohnern so nah an zwei europäischen Grenzen, also zu Belgien und den Niederlanden. Die Euregio Maas-Rhein im Dreieck Aachen-Lüttich-Maastricht ist ein Schmelztiegel von Sprachen, Kultur und wissenschaftlicher Exzellenz, außerdem hat sie landschaftlich einiges zu bieten. Welch eine Chance, den europäischen Gedanken in Frieden, Freundschaft und intensivem Miteinander zu pflegen und damit die Grenzen endgültig zu überwinden, ohne dabei die landsmannschaftlichen und regionalen Besonderheiten und Unterschiede aufzugeben, die gerade den Reiz ausmachen.

Allein die Realität ist eine andere. Mein erster Irrtum war, daß ich dachte, der geborene Öcher(Aachener) ab Realschule sei praktisch viersprachig aufgewachsen und beherrsche zu seiner Muttersprache neben Englisch eben auch Französisch und Niederländisch. Weit gefehlt! Wie gut, daß die Limburger fast alle des Deutschen mächtig sind und ein kleiner Teil des anrainenden Belgien sogar deutschsprachig ist. Darüberhinaus wähnte ich mich in einer besonderen Gegend, in der die Grenzen verschwimmen und auf allen Ebenen nicht nur ein reger Gedankenaustausch existiert, sondern eine echte Kooperation zur Verfolgung gemeinsamer Ziele. Auch hier war ich zu optimistisch. Zwar fahren die Deutschen in die nahen Outlet-Center nach Belgien und Holland sowie natürlich auch nach Maastricht, und umgekehrt wird von Belgiern und Limburgern fleißig in Aachen geshopt, sogar in Supermärkten, wenn merkliche Preisunterschiede zum Heimatland locken. Aber bei der überall defizitären Kultur zum Beispiel macht überwiegend jeder seins. Und ansonsten herrscht die normale nachbarschaftliche Konkurrenz um den (zahlenden) Kunden.

Einen traurigen Höhepunkt stellt vorläufig die Entscheidung der RWTH Aachen dar, die romanistische Fakultät abzuwickeln und zu schließen. Wer gute Nachbarschaft mit dem französichsprachigen Belgien will, kann doch direkt hinter der Grenze – wo kann man Französich authentischer lernen!? – nicht damit aufhören, junge Menschen in dieser Sprache auszubilden. Die Entwicklung erinnert an die Diskussionen insbesondere in Baden-Württemberg anfang diesen Jahres wegen der Pläne Frankreichs, den Deutschunterricht an seinen Schulen einzukürzen oder ganz zu streichen. Da war Aufruhr bei uns.

Man muß wohl feststellen, daß es insgesamt mit dem vereinten Europa nicht so weit her ist. Augenfällig wird das gerade wieder auch bei der katastrophalen Uneinigkeit im Zusammenhang mit der durchaus dramatischen Flüchtlingsproblematik. Wenn es aber noch nicht einmal im kleinen funktioniert, wie soll es da bei den großen Fragen besser sein. Am Ende ist es nur ein Bund von traditionsreichen Einzelstaaten, die mehr ihre Partikularinteressen verfolgen, als an einem Strang zu ziehen.

Wenn Europa eine Zukunft haben will und soll, wird kein Weg daran vorbeigehen, ihm mehr Kompetenzen einzuräumen. Und solange gilt es, im kleinen Grenzverkehr mit gutem Beispiel voranzugehen. An mir soll es nicht liegen. Ich fühle mich pudelwohl, feiere Karneval, spiele in Belgien Golf, gehöre einem Maastrichter Lionsclub an, pflege regen Verkehr in beide Nachbarländer, genieße in Liège französisch anmutende Lebensart und lerne langsam aber stetig Niederländisch.

Die Euregio ist nicht tot, aber sie lebt auch nicht richtig. Die Vitalität zu fördern, ist unser aller Auftrag, im Interesse eines starken Europa und einer sicheren Zukunft.

Gute Nacht!

Ihr/Euer Wolf

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