wolfsgeheul.eu vom 20.01.2016

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Nichts geht über live, auch und gerade bei Musik. Mönchengladbach und sein Initiativkreis haben sich einmal wieder selbst übertroffen. Wer dabei war, weiß es wahrscheinlich selbst, und allen anderen sei es versichert.

Zugegebenermaßen hat mich am meisten die Solokünstlerin, Kathia Buniatishvili, gelockt. Der junge funkelnde Stern am Pianistenhimmel, den man nicht überall und einfach die Chance hat zu erleben. Um es kurz zu machen: Eine tolle, bescheiden aber selbstbewußt und überhaupt nicht exaltiert, sondern unprätentiös, selbstverständlich auftretende junge Frau, die sowohl mit ihrer Musik als auch mit ihren Worten etwas Fundiertes und interessantes Neues zu sagen hat. Keine Spur von mehr Schein als Sein, kein bißchen virtuoser Musikroboter, eine Pianistin mit großer Fertigkeit und ganz viel Herz und Verstand. Und – das kann ich nicht verschweigen – höchstattraktiv, aber ein Typ und kein Model-Abziehbild! Zu Recht alles in allem ein aufstrebender Weltstar!

Ihre Interpretation des d-Moll Klavierkonzertes Nr. 23 von Mozart, solide und kundig begleitet von der Kammerphilharmonie Amadé, war im wahrsten Sinne des Wortes einzigartig. Nicht so nüchtern à la Gould wie die von mir bisher favorisierte Gulda-Aufnahme aus München von 1986. Fast im romantischen Stil spielte sie den 2. Satz mit einem Sinn und einem Vermögen für reines, klingendes Pianissimo, das man nur mit dem Herzen und nicht allein mit einem besonderen Feingefühl in den Fingerchen dem Steinway entlocken kann. Und das Traurige, das dem Konzert immer zugeschrieben wird und sich mir von der Tonart abgesehen ohnehin kaum erschließt, hatte bei Buniatishvili eine Mozartsche Leichtigkeit und Fröhlichkeit, die er selbst, als er das Stück komponierte, angeblich gar nicht mehr gehabt haben soll. Das ganze garniert mit der Klasse und dem Mut, im 3. Satz mit der Beethovenschen Kadenz zu beginnen und dann in eine eigene beachtenswerte Version überzuleiten, weil, wie sie hinterher leichthin auf Befragen erklärte, ihr die Beethoven-Kadenz für den letzten Satz nicht Beethoven-typisch genug sei. Da geschieht nichts unbedacht. Genauso wie sie darauf hinweist, daß ihre gesamte Herangehensweise vom ebenfalls in d-Moll gehaltenen Requiem Mozarts, ihrem Lieblingsstück dieses Ausnahmekomponisten, beeinflußt sei. Der Fachjournalist mag nun noch an der einen oder anderen Stelle kritisieren können und wollen, vielleicht sogar an etwas, das auch mir aufgefallen ist. Für meinen Teil möchte ich aber resümieren, daß ich Zeuge einer besonderen und so noch nie gehörten Interpretation dieses außergewöhnlichen und damals für Mozart und die Musikwelt bahnbrechenden Klavierkonzertes neuen Stils geworden bin. Mönchengladbach hat es einem vollbesetzten Haus zugänglich gemacht, und wir können sagen, wir sind dabei gewesen. Interessierte sollten bei nächster Gelegenheit Frau Buniatishvili live zu erleben versuchen, um sich ein eigenes Bild zu machen, und auch Mönchengladbach in ihrem Konzertkalender zukünftig berücksichtigen.

Die Kammerphilharmonie gehört aber ebenso gewürdigt, vielleicht nicht in besonderer Weise wegen ihrer guten Darbietung der Ouvertüre zu „Cosi fan tutte“ und der fünf Contredances KV 609, aber wegen ihrer Aufführung der Haydn-Symphonie Nr. 99, die, obwohl offenbar die Lieblingssymphonie des Komponisten, mir (peinlicherweise) vorher nicht geläufig war. Ein authentischer, unprätentiöser aber nicht herzloser Haydn, den die Amadé da höchstsolide und mit großer Spielfreude hingelegt hat! Man bekam die Idee der Musik unverbrämt und ohne unnötiges Getüdel und verhüllende Schwülstigkeit erklärt, und es war eine Wonne, den Musikern bei ihrem Spiel und ihrer kollegialen (un)heimlichen Kommunikation, die immer wieder freundliche und lachende Minen produzierte und insgesamt den eisernen Willen zur geschlossenen Teamleistung erkennen ließ, zuzusehen. Ein Klangkörper, der sich mehr als sehen und hören lassen kann und noch Luft nach oben hat. Dem kauzigen älteren Herrn mit den vielen symphatischen Lachfalten im Gesicht, dem Dirigenten Frieder Obstfeld, der das Orchester zu dem gemacht hat, was es ist, dürfte da noch vieles zuzutrauen sein.

Insgesamt große Klasse bei den Gladbachern! Stars in der (Provinz-)Manege! Immer eine Reise wert! Und noch etwas muß erwähnt werden. Viele junge Leute waren unter den Besuchern und nicht nur die (Älteren), für die es zum Teil eine gesellschaftliche Pflicht ist, dort aufzulaufen. Wenn ich das mit Aachen vergleiche, reizt es, hinter das Geheimnis Mönchengladbachs zu kommen, um es zu kopieren. Die familiäre Atmosphäre der Veranstaltung und die Freigetränke und Häppchen zu Beginn, in der Pause und nach dem Konzert sind aber sicherlich ein Teil des Erfolges. Ohne Moos, nichts los! Es geht eben nur etwas voran, wenn sich das Kapital und die Honoratioren einer Stadt nicht nur dem Sport widmen, sondern auch und gerade bei der Kultur den klammen und oft obendrein kulturunterbelichteten Haushalten auf die Sprünge helfen. Und einen weiteren Schlüssel stellt die offensichtlich gute und warmherzige Betreuung – sportliches Vorbild ist das von Porsche ins Leben gerufene, immer hochkarätig besetzte Damentennisturnier ehemals in der Provinz in Filderstadt – der Künstler dar. Geld allein reicht nämlich nicht, sie müssen gerne kommen und sich wohlfühlen, so wie man das der Solistitin deutlich anmerkte. Sie kommt bestimmt einmal wieder.

Neben mir saßen übrigens zwei kleinere Mädchen im Kleidchen, die mich an mich selbst – nicht im Kleid natürlich – vor fünfzig und meine Kinder vor bald zwanzig Jahren erinnerten. Schön, daß es noch Eltern gibt, die sich der auch nicht immer leichten Aufgabe stellen, ihre Kinder an die seligmachende Musik heranzuführen. Diszipliniert und überhaupt nicht gelangweilt haben sie das Konzert verfolgt, wenngleich sie sich nicht in besonderer Weise von Kathia inspiriert gefühlt haben, weil, wie sie auf Befragen stolz erklärten, sie beide Violine spielen. Na, also! Für Nachwuchs ist gesorgt, und da kann die Kammerphilharmonie Amadé vielleicht noch kompetente Verstärkung in der zweiten Reihe gebrauchen.

Musik öffnet Herzen und Mönchengladbach hilft nach Kräften dabei! Und jetzt lehne ich mich zurück und warte in aller Ruhe auf den Artikel vom ebenfalls anwesenden Profi, Christian Oscar Gazsi Laki, in der Rheinischen Post. Vor Ort waren wir uns in einer ersten Manöverkritik relativ einig. Aber haben wir wirklich dasselbe gehört?

Gute Nacht!

Ihr/Euer Wolf und Karnevals-Wolf, denn wir waren gestern beide unterwegs!

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wolfsgeheul.eu vom 03.11.2015

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Museen schießen in letzter Zeit wie Pilze aus dem Boden. Da das Publikum nicht in gleicher Stärke mitwächst, haben viele Kunsttempel zu kämpfen. Daß sie keinen Gewinn abwerfen, ist solchen gewünschten und wünschenswerten Kultureinrichtungen immanent, aber die Höhe der Subvention wird zunehmend der Knackpunkt, an dem sich ihre Zukunft entscheidet. Denn in Zeiten knapper Kassen, müssen Politiker sich immer mehr an der Prioritätensetzung messen lassen, und wenn bei Elementarem, Unverzichtbarem gespart wird, fällt die Rechtfertigung von „Kulturluxus“ naturgemäß schwerer. Und angesichts der häufigen Ähnlichkeiten der Exponate ließe sich der eine oder andere Abgang im Rahmen einer Konzentration wahrscheinlich sogar verschmerzen. Fest steht, daß es schwieriger denn je sich darstellt, in diesem Haifischbecken ein Alleinstellungsmerkmal herauszubilden. Oft geschieht das über eine extraordinäre Architektur, aber ein Museum, bei dem das Gebäude mehr lockt als die Sammlung, erscheint auch mehr als fragwürdig.

In dieser unübersichtlichen Gemengelage möchte ich ein Museum würdigen, das ich – die Schande muß ich unumwunden eingestehen -, obwohl es schon vor acht Jahren eröffnet wurde, am letzten Wochenende erstmalig besucht habe. Die Kolumba zu Köln! Eigentlich „nur“ der Neubau des Diozösanmuseums, aber was für ein Ereignis! Die genauso zurückhaltende wie mächtige Architektur von Zumthor ist erwartungsgemäß umwerfend. Besser kann man es wohl kaum machen. Für mich weitaus überraschender ist die Austellung. Kein langweiliges Kirchenmuseum mit alten Heiligtümern, sondern ein beeindruckendes Wenig in sensationell nüchterner Gegenüberstellung mit moderner Kunst! Der spießige Ketzer, könnte sagen: „Viel Raum um nichts!“. Der wohlwollende Besucher aber wird konstatieren, daß man selten eine solch würdige Ruhe und Unaufgeregtkeit erleben kann. Dabei spürt man auch nicht im Ansatz irgendwelche Probleme des Hausherrn mit dem Neuen. Da ist nichts altmodisch. Und wenn das Auge nur Räume und Sichtachsen erkunden muß und sich ansonsten auf die ausgestellten Werke konzentrieren kann, entwickelt sich eine viel intensivere Auseinandersetzung mit den Exponaten. Und diese Ruhe wirkt sich auch ganz offensichtlich auf die Gelassenheit der Besucher aus. Während man in anderen Museen häufig eine unangenehme Beflissentheit und bildungsbürgerliche Ernsthaftigkeit als störend und lustfeindlich bzw. protestantisch humorlos wahrnimmt, habe ich in der Kolumba rein garnichts davon gespürt. Stattdessen hatte ich zauberhafte Begegnungen mit entspannten Menschen, sogar ein spontanes längeres Gespräch über Privates und Gott und die Welt. Man kann es kaum beschreiben, man muß es selbst erleben. Dieses Museum erfreut das Auge, öffnet die Herzen, nährt den Geist und vermittelt mit unerwarteter Leichtigkeit ein geradezu heiliges Gefühl, das einen nicht erdrückt, sondern ganz im Gegenteil beflügelt.

Und wer hat es möglich gemacht? Die ach so konservative und altmodische katholische Kirche! Sie beschert uns wieder einmal mutige, bleibende Architektur und öffnet ihr Geheimnis jedem, der offen und bereit ist, es zu entdecken, es wahrzunehmen. Danke! Und das alles für fünf Euro Eintritt! Die Subvention, ein Geschenk der Kirche! Und die Jahreskarte kostet übrigens nur zwanzig Euro. Ein guter Freund hat sie schon. Ich werde ihm folgen.

Gute Nacht!

Ihr/Euer Wolf

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