Immer wieder spricht die westliche Welt davon, wie sie die restliche retten will, und gleichzeitig scheint sie wild entschlossen, keine noch so idiotische Fehlentwicklung auszulassen und damit skrupellos dem Ganzen zu schaden.
Jeder Kenner weiß, daß der beste Kaffee immer noch der von Hand aufgebrühte ist. Auch wenn ich profaner Beutelbenutzer bin, glaube ich, daß Nämliches auch für den Tee gilt. Eigentlich bräuchte man also nicht mehr als Bohnen, Mühle, Porzellanfilter, Papiertüten, Tee-Ei, gegebenenfalls Termoskanne und einen Wasserkessel- oder kocher. Stattdessen fertigen wir zum Teil riesige Maschinen, deren Gebräue allesamt nicht überzeugen können. Nur für die Herstellung eines Espressos kann – und muß es als Liebhaber der kleinen schwarzen Crema-Göttin auch – ich den Einsatz von Siebträgermaschinen nachvollziehen, da keine andere Brühmethode – habe alles ausprobiert – zu einem vergleichbar guten Ergebnis führt. Die entsprechenden Maschinen sind auch optimal für den heute so beliebten Latte Macchiato geeignet, da sie gleichfalls den hierzu notwendigen Dampf zu erzeugen vermögen. Für jede andere Kaffeespezialität aber sind elektrische Apparate eigentlich überflüssig und gelangen obendrein sogar zu eher schlechteren bis zu völlig unzureichenden Resultaten.
Vollkommen obsolet sind die billigen Kaffekapselmaschinen. Ob die Döschen nun aus Aluminium oder Plastik gefertigt sind, sie kosten in der Herstellung Energie und Ressourcen und haben einen gigantischen Müllberg zur Folge. Zusätzlich füllen sie die Taschen der Produzenten in einer so gigantischen Weise, daß die wundersame Brotvermehrung sich dagegen als kläglicher Kindertrick ausmacht. Bei aller beschworenen Freiheit gehörten diese Dinger genau wie – ich kann es nicht lassen – die SUV’s also eigentlich verboten. Da sich Verbieten aber bei uns grundsätzlich verbietet, bräuchte es entweder verantwortungsvolle Unternehmer – das können wir leider überwiegend vergessen – oder mündige und einsichtige Verbraucher, was leider ebenso illusorisch erscheint, so daß ein Verbot doch als ultima ratio in Betracht zu ziehen wäre.
Da ein Fluch aber selten allein kommt, gibt es jetzt auch noch Kapselmaschinen für Tee. Die Firma Tee-Kanne zum Beispiel möchte offenbar ebenfalls ihre Gewinnmargen exponentiell steigern und bietet sowohl den entsprechenden Apparat als – viel wichtiger für das große Abkassieren – auch die passenden Dosen an. Das ist zwar nicht schändlicher als die Kaffeependants, aber muß denn jeder die verantwortungslosen Fehler der anderen wiederholen!? Und wo bleibt die Kreativität, nach anderen Lösungen zu suchen. Schon der Teebeutel dürfte eine von uns gar nicht mehr realisierte Lizenz zum Gelddrucken sein und unglaubliche Gewinnmargen generieren, ist er doch der Vorläufer der Kapselportionierung. Reicht das nicht? Könnte man denn nicht statt des Nacheiferns versuchen, unter Hinweis auf die bessere Ökobilanz den Kaffeetrinker zum Tee abzuwerben. Der Verbraucher ist doch teilweise für überzeugende Argumentationen auf diesem Gebiet empfänglich.
Aber statt auf Nachhaltigkeit zu setzen, wird die Verschwendungsspirale weiter angeheitzt. Der Verbraucher ist ja abgehärtet. Während Kühlschränke und Fernseher früher fast ewig halten konnten, akzeptiert er heute viel kürzere Lebenszyklen und stört sich noch nicht einmal an dem begründeten Verdacht, daß die Hersteller die Haltbarkeit ihrer Geräte sogar bewußt beschränken, was im höchsten Maße verwerflich wäre, wenn es stimmen sollte.
Freiheit ist zwar ein hohes Gut, aber nicht immer gut. Denn Gewissenlosigkeit und Blödheit können sich gleichfalls in ihr frei entfalten. Wenn wir etwas ändern wollen, gehört vieles auf den Prüfstand. Helfen könnte es, den Menschen klar zu machen, wie unfrei sie tatsächlich sind, wenn sie sich freiwillig zu Sklaven der Geschäftemacher und des Konsums machen.
Gute Nacht!
Ihr/Euer Wolf
P.S.: Das Original des Tagore-Spruches, den ich in der letzten Kolumne verwandt bzw. -hunzt habe, hängt übrigens nicht nur wenig beachtet seit Studententagen über meinem Bett, weil meine Mutter ihn gut findet und mir damals dediziert hat, sondern stand neulich auch in der Familien-Todesanzeige für Rolf Bossi, weswegen er mir wieder besonders präsent war, weil ich gedacht habe, daß er für einen Strafverteidiger, der mutmaßlich überwiegend von Wahl- und nicht von Pflichtverteidigungen gut gelebt hat, eigentlich eher unpassend ist.