wolfsgeheul.eu vom 21.12.2016

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„Das war das beste Steak, das ich jemals gegessen habe.“

Dieser Satz kommt mir, wenn es um das Thema „Rinderfilet“ geht, leicht über die Lippen. Es spielt vor fast dreißig Jahren in irgendeinem Sterneschuppen – Name vergessen – in Paris, ich war eingeladen, saß vollkommen entspannt inmitten von Muschel- und Fischessern und aß ein Rinderfilet. Es war göttlich und übertrifft bis heute alles, was ich danach an edlem Fleisch in mich hineingeschlemmt habe. Also erzähle ich gerne davon.

Neulich auch einer mit mir immer besonders kritischen Golffreundin! „Als Psychologin bin ich meist sehr skeptisch, wenn ich so etwas höre. Da gibt es nämlich ein Phänomen, genannt Marketing-Placebo-Effekt, das bewirkt, daß teurere Dinge automatisch auch als besser empfunden werden.“, entgegnete sie.

Man kann aber auch alles zerreden! Erstens mußte ich den Filetbrocken damals nicht bezahlen. Zweitens hatte der feine Laden in guter alter Tradition noch Gästekarten ohne Preise. Drittens verlasse ich mich beim Essen gerne auf meinen Geschmack. Und viertens schmecke ich, wenn etwas sehr teuer ist, besonders kritisch hin. Braucht es noch mehr Argumente, um meiner Einschätzung ihren subjektiven Wahrheitsgehalt nicht abzusprechen zu lassen!?

Auch wenn ich glaube, gegen diesen Automatismus weitestgehend immun zu sein, will ich nicht abstreiten, daß es ihn gibt. Noch heute könnte ich mich amüsieren, wie ich als Student einmal billigen Lambrusco aus der Korbflasche in eine teure Bordeauxflasche gefüllt und spaßeshalber einem ein wenig abgehobenen Pärchen kredenzt habe. Dieses schmatzende Genießen und Loben werde ich bis heute nicht vergessen.

Wäre es nicht wunderschön, wenn die bis auf den heutigen Tag sagten:

„Damals beim Wolf, das war der beste Rotwein unseres Lebens.“

Die Welt will doch betrogen werden. Aber ich versuche, dabei nicht mitzumachen.

Ich weiß auch noch, daß ich England bei einem Familien-Picknick in einem öffentlich zugänglichen Park eines privaten Schlößchens den besten gekochten Schinken, den wir vorher in einer edlen kleinen Metzgerei erworben hatten, meines Lebens gegessen habe. Ebenso den tollsten Cognac memoriere ich bestens!

Dabei fällt mir auf, daß ich ansonsten leider ein relativ schwaches, wahlloses und zum Teil bis zur Peinlichkeit gehendes Erinnerungsvermögen habe, wenn es um Details aus meiner Vergangenheit geht. Offensichtlich setzt mein Hirn da Prioritäten. Und Genuß steht dort zu Recht ganz oben, denn wie schnell das Leben jäh ein Ende finden kann, haben wir gerade in Berlin wieder erfahren müssen.

In diesem Sinne

gute Nacht!

Ihr/Euer Wolf

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wolfsgeheul.eu vom 27.06.2016

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Gestern habe ich nach einem Golfturnier im Clubhaus vor Barbecue und Siegerehrung das Achtelfinalspiel der Deutschen in Form des Rudelguckens angeschaut. Die Augen waren zwar überwiegend zum Fernseher gerichtet und die Tore wurden beklatscht, aber insgesamt hatte ich nicht den Eindruck, hier einem einmaligen und spannenden Ereignis beizuwohnen, das die Zuschauer vollkommen in seinen Bann zog. Dies wurde insbesondere deutlich, als nach dem Spiel alle stante pede sich abwendeten und anderen Dingen zuwandten. Obwohl man bereits während des Spieles geredet und gelacht hatte, ohne daß sich irgend jemand daran gestört hätte, schien ein jeder fast froh zu sein, daß es vorbei war und man nun ungestört sich dem Gespräch, Trinken und Essen widmen konnte.

Das ganze war keinesfalls unsympathisch, hat mich aber zum Nachdenken gebracht. Meine Erinnerung ging zurück zum WM-Finale 1966 gegen England, das ich – obwohl mein Gedächtnis für Vergangenes nicht das beste ist, weiß ich es noch – bei meiner Großmutter mit Eltern, Tante und Onkel gesehen habe. Welch‘ gespannte Stille, welch‘ Aufgeregtheit, welche Emotionen! Und dann das legendäre Wembley-Tor, bei dem ein Pantoffel meines Oheims versehentlich und zum Glück folgenlos vor die Mattscheibe flog, weil er sich vor Entsetzen auf dem Sofa zurückgeworfen und dabei partiell die Kontrolle über sein Hausschuhwerk verloren hatte! Das war ein einmaliges Ereignis.

An dieser Besonderheit fehlt es bedauerlicherweise heute. Gegen die Vielzahl von Höhepunkten ähnlicher Art stumpft halt auch der Begeistertste irgendwann ab. Der Betriebswirt weiß, daß der Grenznutzen gegen Null geht. Das Phänomen der Übersättigung ist allerorten spür- und greifbar.

Schade, daß unseren Kindern solche Momente nicht mehr beschert und ihre Erinnerungen durch die Massierung von Spitzen verwässert werden. Es ist höchste Zeit für Mäßigung.

Gute Nacht!

Ihr/Euer Wolf

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