„Johannes Klare ist charismatischer Prediger einer freikirchlichen Gemeinde in Stuttgart, die er gemeinsam mit seiner Frau Lydia leitet. Sie nehmen den drogensüchtigen Straßenmusiker Simon bei sich auf. Simons Homosexualität soll mit Hilfe des Glaubens „geheilt“ werden. Doch in Johannes weckt die Nähe zu Simon ein seit langem unterdrücktes Begehren, was ihn in einen tiefen Konflikt stürzt.“
So weit, so unspektakulär!
Beim obigen Zitat handelt es sich um den offiziellen Text zum Drama „So auf Erden“, welches die ARD am vergangenen Mittwoch als Neuproduktion erstmalig ausgestrahlt hat. Damit beweist die öffentlich-rechtliche Sendeanstalt wieder(s. auch Kolumne vom 22.10.2015) einmal, daß sie durchsaus versucht, das Ohr ganz nah am Volk zu haben und die Menschen bei ihren alltäglichen Problemen abzuholen und diesen zur besten Sendezeit Gehör zu verschaffen.
Schade nur, daß der Drehbuchautor mit seinem am Reißbrett entworfenen Film eindeutig die Chance verpaßt hat, ihn wirklich bis unter das Dach mit Versatzstücken aus dem Alltag zu spicken, um ihn ausreichend interessant zu gestalten und die tatsächlich vorhandene Vielfalt wiederzugeben. Warum ist der schwule Fixer eigentlich nicht zugleich Einwanderer aus Tunesien, der von seiner deutschen dreibeinigen – der linke Hinterlauf wurde ihr beim Anlanden in Lampedusa zwischen Nußschale und Kaimauer zerquetscht, und nur dem schnellen Eingreifen der italienischen Tierärzte ist es zu verdanken, daß sie es überhaupt überlebte – Dogge namens „Karthago“ begleitet wird, die fortan unbelehrbar regelmäßig ihr großes Geschäft ausgerechnet vor dem Altar verrichtet? Und was hinderte ihn, Lydia als heimliche Freizeit-Domina auftreten zu lassen, die, wegen der beiderseitigen Maskierung ohne es zu bemerken, regelmäßig den Bischof der Freikirche im Keller des Gemeindezentrums vermöbelt? Auch fehlt mir der autistische Sohn, der, seit einer Thermomixexplosion halbblind, später Theologie studieren möchte und zur Übung der Waschmaschine in der gemütlichen Wohnküche der Klares jeden Abend die Beichte abnimmt. Zusätzlich müßte wenigstens einer der Protagonisten Laktoseintoleranz haben und die Dogge einen Schlaganfall erleiden, der ausgerechnet ihre zweibeinige Körperhälfte gelähmt zurückläßt, so daß sie ihr Körbchen unter der Kanzel nicht mehr verlassen kann. Wenn sich dann zum Ende noch herausstellte, daß die vermeintliche Freikirche in Wirklichkeit ein verkapptes Drogenkartell darstellt, das Simon dereinst an die Nadel gebracht hat, wäre das Glück nahezu perfekt.
Liebe ARD, wer die Realität abbilden will, der darf seinen Blick nicht auf nur ein paar kleine, gewöhnliche Probleme verengen, wenn sich der Zuschauer verstanden fühlen und in den Spielfilmen wiederfinden können soll. Beim nächsten Mal also bitte ein bißchen mehr anstrengen!
Gute Nacht!
Ihr/Euer Wolf