wolfsgeheul.eu vom 28.06.2016

0
0

Letzten Montag hätte „ich mir vor“ Freude und Ergriffenheit „beinahe in die Hose gepinkelt“ – so möchte ich die von der gerade erlebten Oper hingerissene Vivian aus Pretty Woman bei ihrem La traviata-Besuch in der Met sinngemäß zitieren -, als ich das Spiel England gegen Island von Beginn an, also inklusive der Hymnen verfolgt habe.

Der Glaube versetzt Berge, sagt man!

„Oh, Gott unseres Landes! Oh, unseres Landes Gott!

Wir verehren deinen heiligen, heiligen Namen!

Aus den Sonnensystemen der Himmel weben deine Krone

deine Legionen, der Zeiten Versammlung.

Für dich ist ein Tag wie tausend Jahre

und tausend Jahre ein Tag, nicht mehr,

ein Blümchen der Ewigkeit mit zitternden Tränen,

das zu seinem Gott betet und stirbt.

Islands tausend Jahre,

Islands tausend Jahre,

ein Blümchen der Ewigkeit mit zitternden Tränen,

das zu seinem Gott betet und stirbt.“

Im gestrigen Fall versetzte er Inseln und katapultierte England zum zweiten Male innerhalb zweier Tage ins Nichts. Ein Brexit der anderen Art!

Obiger Text stellt laut Wikipedia die deutsche Übersetzung der ersten Strophe der mir neuen und mich ausnehmend bereichernden isländischen Nationalhymne „Lofsöngur“ dar. Im Grobvergleich zur Originalversion erscheint sie stimmiger und besser als andere im Netz verfügbare Versionen, wobei allerdings zum Beispiel „Heerscharen“ treffender als „Legionen“ sein dürfte. Wer übrigens durch die Begrifflichkeit „tausend Jahr“ ins Stolpern geraten sollte, dem sei gesagt, daß die Uraufführung des Stückes – da war es noch nicht Hymne – im Jahre 1874 den Festgottesdienst zur tausendjährigen Besiedlung Islands musikalisch krönte. Das erklärt auch die gänsehautverursachende Erhabenheit der Musik(Link: “ www.youtube.com/watch?v=K-owXWv75Yk „). Welch eine Ausnahmeerscheinung unter den bisher vornehmlich zu hörenden Hymnen! Himmelschöre besingen wunderbar melodisch und durchaus dramatisch aber lebensbejahend, weil liebevoll die Hilflosigkeit des kleinen Menschen in der großen Welt. Wer auf einer meerumtosten Vulkaninsel lebt, weiß eben noch um seinen tatsächlichen Status auf diesem Planeten. Er ist wahrscheinlich automatisch gottesfürchtig, weil ihm seine Unterlegenheit gegenüber den Naturgewalten allgegenwärtig ist.

Es gibt also drei sehr gute Gründe, den Isländern zu wünschen, daß sie es bis ins Finale der Europameisterschaft schaffen, wenngleich ich zugeben möchte, daß es gleichzeitig schmerzlich wäre, weil dann bereits im Viertelfinale der Gastgeber weichen müßte, dem nach den schweren Zeiten durchaus auch ein Sieg zu gönnen wäre. Zuerst sind da die wunderbaren, friedlichen Fans zu nennen. Sodann wünscht man dem sympathischen Land sicherlich auch deshalb alles erdenklich Gute, weil es eine krasse Außenseiterposition so eindrucksvoll bekleidet. Und letztlich hoffe ich sehnlichst darauf, diese wunderbare Nationalhymne und ihre ehrfürchtige, demütige und wohltuenderweise einmal nicht überhebliche oder gar kriegerische (Gottes-)Botschaft noch dreimal hören zu dürfen. Wenn Deutschland allerdings das Finale erreichen sollte, wäre es mein innigster Wunsch, Zeuge zu werden, wie fair und phantastisch sich die gläubigen Vertreter der Insel in der Niederlage verhalten können.

Gute Nacht!

Ihr/Euer Wolf

P. S.: Kotzen könnte ich! Liebe meine Kolumne lesende Unternehmer, ergetzt Euch am Fußball oder besseren Wetter und vermeidet das Verfolgen der Nachrichten! Heute hat die sogenannte Mindestlohnkommission der Großen Koalition das nächste vorelektive Wahlgeschenk gemacht und die Erhöhung des Mindestlohns für 2017 von 8,50 Euro auf 8,84 Euro beschlossen, was einer Steigerung von 4 Prozent entspricht. Aber, keine Sorge: Das holt die Wirtschaft doch locker über Gewinne und/oder Dividendenrenditen wieder rein und es entspricht ja im übrigen auch lediglich dem aktuellen Zinssatz auf Sparguthaben, oder!?

0
0

wolfsgeheul.eu vom 27.06.2016

1
0

Gestern habe ich nach einem Golfturnier im Clubhaus vor Barbecue und Siegerehrung das Achtelfinalspiel der Deutschen in Form des Rudelguckens angeschaut. Die Augen waren zwar überwiegend zum Fernseher gerichtet und die Tore wurden beklatscht, aber insgesamt hatte ich nicht den Eindruck, hier einem einmaligen und spannenden Ereignis beizuwohnen, das die Zuschauer vollkommen in seinen Bann zog. Dies wurde insbesondere deutlich, als nach dem Spiel alle stante pede sich abwendeten und anderen Dingen zuwandten. Obwohl man bereits während des Spieles geredet und gelacht hatte, ohne daß sich irgend jemand daran gestört hätte, schien ein jeder fast froh zu sein, daß es vorbei war und man nun ungestört sich dem Gespräch, Trinken und Essen widmen konnte.

Das ganze war keinesfalls unsympathisch, hat mich aber zum Nachdenken gebracht. Meine Erinnerung ging zurück zum WM-Finale 1966 gegen England, das ich – obwohl mein Gedächtnis für Vergangenes nicht das beste ist, weiß ich es noch – bei meiner Großmutter mit Eltern, Tante und Onkel gesehen habe. Welch‘ gespannte Stille, welch‘ Aufgeregtheit, welche Emotionen! Und dann das legendäre Wembley-Tor, bei dem ein Pantoffel meines Oheims versehentlich und zum Glück folgenlos vor die Mattscheibe flog, weil er sich vor Entsetzen auf dem Sofa zurückgeworfen und dabei partiell die Kontrolle über sein Hausschuhwerk verloren hatte! Das war ein einmaliges Ereignis.

An dieser Besonderheit fehlt es bedauerlicherweise heute. Gegen die Vielzahl von Höhepunkten ähnlicher Art stumpft halt auch der Begeistertste irgendwann ab. Der Betriebswirt weiß, daß der Grenznutzen gegen Null geht. Das Phänomen der Übersättigung ist allerorten spür- und greifbar.

Schade, daß unseren Kindern solche Momente nicht mehr beschert und ihre Erinnerungen durch die Massierung von Spitzen verwässert werden. Es ist höchste Zeit für Mäßigung.

Gute Nacht!

Ihr/Euer Wolf

1
0