wolfsgeheul.eu vom 16.11.2015

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Als wären die Terrorakte und die vielen zu beklagenden, unschuldigen Opfer nicht schon schlimm genug, sind die diversen Folgeerscheinungen eine weitere Seite der Katastrophe.

Insbesondere ist da der postwendende Militärschlag Frankreichs gegen den IS zu nennen. So war mein gestriges Statement, wir stünden fest an der Seite des gebeutelten Frankreich, nicht gemeint. Unabhängig von der grundsätzlichen Frage, ob das die richtige Antwort, geschweige denn die zielführende Taktik der nächsten Zeit ist, kann eine solch blindwütige Aktion eines zivilisierten und kultivierten Landes nicht für gut befunden werden. Die Franzosen schaden sich damit selbst, machen sie sich doch nur zusätzlich weiter als Anschlagsziel attraktiv. Bevor nicht alle – und ich meine wirklich alle – maßgeblichen Staaten einschließlich aller Anrainer des IS, also auch der Glaubensbrüder im weiteren Sinne, eine Allianz schmieden und gemeinschaftlich die Vernichtung des IS beschließen und  in einem konzertierten „Weltkrieg“ in die Tat umsetzen, machen Einzelmaßnahmen keinen Sinn und beseitigen insbesondere das Problem nicht, sondern heizen den Haß des IS und seinen Feldzug gegen die freiheitliche Welt nur noch an. Damit erhöht der französische Staat gleichzeitig das Bedrohungspotential auch auf den Territorien seiner Verbündeten. Deshalb müßten sich diese Alleingänge unter unierten  Freunden verbieten. Attentätern, die ihren eigenen Tod in Kauf nehmen und provozieren, kann man meist nicht mehr den Prozeß machen, womit eine direkte Genugtuung mit den Mitteln des Rechtsstaates überwiegend leer läuft. Warum aber – wir haben doch angeblich so tolle Geheimdienste – gelingt es uns stattdessen nicht, unterstützt durch die Aussetzung millionenschwerer Kopfgelder, die Hintermänner lebend zu fangen und bei uns vor ein ordentliches Gericht zu stellen? Unnachgiebigkeit und Besonnenheit sollten sich in einem Land der Aufklärung nicht nur nicht ausschließen, sondern beispielgebend ergänzen.

Traurig ist auch, wie größere Teile der Presse und zunehmend der Politik reagieren. Wenn sogar unserer Bundespräsident leichtfertig von Krieg spricht, stellt das eine herbe Enttäuschung dar. Einen kühlen Kopf bewahren zwar zum Beispiel der Spiegel und die Zeit, die ach so seriöse FAZ schwingt aber die Weltkriegskeule. Feige Schreiberlinge, die riskieren, andere in den Tod zu schicken, um aus sicherer Entfernung als Beobachter ihr Mütchen zu kühlen! Wer auf der einen Seite die Werte des christlichen Abendlandes beschwört, sollte nicht auf der anderen Seite seine Forderungen allein auf die archaischen Regeln des Alten Testamentes gründen.

Die entsetzlichste Folge scheint also zu sein, daß das Kollektiv mehr und mehr die Contenance verliert. Einen schöneren Erfolg kann sich der IS gar nicht wünschen. Das ist genau die Form von Destabilisierung, die er bezweckt. Eine demaskierte freie Welt, die, nur weil man sie ein „bißchen“ geärgert hat, dem Barbaren in sich wieder das Feld überläßt. Wenn wir uns nicht schnellstens auf unsere elaborierten Tugenden besinnen, scheitert unser kultiviertes Lebensmodell.

Und zu allem Überfluß stellen wir postwendend jede Kurzweil und Ablenkung bietende Unterhaltung ein. Daß zum Beispiel die ohnehin fragwürdige Heute-Show am vergangenen Freitag abgesetzt wurde, mag man da noch verschmerzen, aber daß die neue Dittsche-Staffel verschoben worden ist, stellt das völlig falsche Signal und eine sogar kontraproduktive Maßnahme dar. Diesen Fehler haben wir 1991 schon einmal ähnlich gemacht, als wir wegen des Irakkrieges den Rosenmontagszug haben ausfallen lassen. Gerade in schwierigen Zeiten braucht es genauso intelligente wie Zerstreuung und Ablenkung bietende Unterhaltung, um das Aufkommen von lähmender Schwermut und Vergeltung fordernder Aggressivität zu verhindern. Und ein Volk, das nicht mehr befreit lacht, ist nicht mehr frei und vor allem verwundbar. Charlie Hebdo hat damals keine Sekunde gezögert, sein Werk fortzuführen.

Die Zeiten bleiben äußerst besorgniserregend. Zeigen wir der Welt unsere Stärke durch Gelassenheit und gerne auch mit einem lachenden Gesicht.

Gute Nacht!

Ihr/Euer Wolf

P. S.: Als kleinen Anfang hätte ich da noch einen Lacher! Im Zusammenhang mit meiner gestrigen Kolumne ist mir zur Kenntnis gelangt, daß es hierzulande schon problematisch geworden ist, von „Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit“ zu sprechen. Genderneutral heißt das deshalb jetzt wohl zum Beispiel im SPD-Grundsatzprogramm „Freiheit, Gerechtigkeit, Solidarität“! Da hat uns Frankreich noch etwas voraus.

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wolfsgeheul.eu vom 15.11.2015

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Vive la France!

Im ersten Moment hat mich Berthold Kohler mit seinem Leitartikel unter der reißerischen Überschrift „Weltkrieg“ in der heutigen FAS, in dem er fordert, neben  Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit müsse ein vierter „Wert“, nämlich die Sicherheit treten, tatsächlich zum kurzen Nachdenken gebracht. Aber es ist doch wie immer: Gewogen und für zu leicht befunden!

Die große Bezeichnung „Weltkrieg“ ist vollkommen unangemessen. Wäre er zur sprachlichen Differenzierung und Verfeinerung fähig, hätte er allenfalls von einem „Weltenkrieg“ sprechen können.

Ferner mißversteht er die Losung aus der Französischen Revolution als Dreiklang von Werten. Sie ist aber eine permanente moralische Forderung an eine Gesellschaft!

Und letztlich begeht der Autor den Fehler aller, die des abstrakten Denkens nicht in ausreichendem Maße mächtig sind, indem er das ganze als enumerative Aufzählung ansieht, der jederzeit ein weiteres Postulat je nach Notwendigkeit und Aktualität hinzugefügt werden kann und muß. Demnächst verlangt er dann wohl zusätzlich Friede, Freude, Eierkuchen und Überholspuren für Top-Journalisten!?

Also: Eine Nation, die die Postulate nach Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit beachtet und optimal umsetzt, ist automatisch eine maximal sichere Gesellschaft.

Aber: Absolute Sicherheit kann leider niemals erreicht werden, allein schon weil einem immer noch der Himmel auf den Kopf fallen kann, wie es der nordfranzösische Gallier Majestix stets befürchtete.

Und: Der „IS“ ist eine Verkörperung der Hydra „Hass“, die unausrottbar in uns Menschen steckt und mal hier, mal dort ihre häßliche(n) Fratze(n) zeigt. Wer jetzt die Köpfe der Verantwortlichen fordert, muß sich bewußt sein, daß er das Gift des Hasses nur potenziert.

Hoffen wir, daß die tief getroffene Grande Nation wie gewohnt zusammensteht, gleichwohl besonnen bleibt und sich nach ihrem eigenen Wahlspruch richtet!

Liberté, égalité, fraternité!

Frankreich, wir trauern mit dir und stehen fest an deiner Seite!

Gute Nacht!

Ihr/Euer Wolf

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