wolfsgeheul.eu vom 02.11.2015

0
0

Der tägliche, kurze Blick auf die Homepage der Bild-Zeitung ist oft Inspirationsquelle und in jedem Falle ein schneller, grober Einblick in die hohle Volksseelenbirne und deren Stimmungslage. Insofern ist das Internet ein Segen, denn früher mußte man für diese Art von Informationen in die Bahnhofskneipe gehen oder das Schmierenblättchen käuflich erwerben. Und letzteres hat man bekanntermaßen selten übers Herz gebracht.

Es ist schon eine interessante Mischung aus Sensationsjournalismus, Prominews und Sex and Crime auf der einen und kundiger Sportberichterstattung und knapper Meinung auf der anderen Seite. Dabei beherrscht man souverän den schizophrenen Spagat zwischen dem Blick hinter die Kulissen der Schönen und Reichen und der Befriedigung der Futteranspüche unserer Neidgesellschaft, wie sich an zwei Nachrichten von gestern und heute zeigt.

„Passt dieses Party-Foto wirklich in die VW-Krise?“ titelt Bild am Montag und zeigt ein Bild des neuen VW-Chefs Müller und seiner 20 Jahre jüngeren Geliebten Barbara Ritter als Gäste des Leipziger Opernballes, auf dem Tisch vor sich eine Flasche Champagner im Eiskübel stehend. Ja, dieses Photo paßt! Die VW-Werker und alle anderen, die davon leben, haben ein virulentes Interesse daran, daß es der ehemaligen Vorzeigefirma weiterhin gut geht. Und auch und gerade die Region Leipzig profitiert in erheblichem Maße von der dortigen Porscheansiedlung, so daß es absolut konsequent und richtig ist, bei diesem Ball als Sponsor aufzutreten und den Hauptpreis für die Tombola zu stiften. Dazu gehört auch, daß hochrangige Vertreter des Konzerns anwesend sind. Und außerdem hat ein Spitzenmanager das gleiche Recht wie der VW-Schrauber, der abends in seinem Schrebergärtchen mit Freunden ein paar Bierchen trinkt, und darf seinen Feierabend in geselliger Runde verbringen. Da solcherart Termine aber immer auch beruflicher Natur sind, hat er im Gegensatz zum Arbeiter weniger vom Abend. Obendrein muß er sich auch noch zusammenreißen und darf nicht besoffen vom Stuhl fallen, wenn er nicht ganz andere Schlagzeilen von der Bild-Zeitung ernten will. Wenn er sich dann ein Gläschen Champagner gönnt, dann mag er den wohl offensichtlich und kann ihn sich leisten. Basta! Soll doch einmal der einfache Mann von der Straße seine Zahlen offenlegen, wieviel Geld er monatlich in der Kneipe und im Getränkemarkt läßt. Vielleicht liegen die Monatskosten des Herrn Müller für Edelbrause häufig weit darunter. Daß die Bild einfach sein muß, liegt in ihrer Natur. Daß sie aber einen enormen Einfluß auf das Denken der Menschen hat, weiß jeder und sollten auch die Verantwortlichen des Revolverblattes wissen. Und dann bedenkt man die fatalen Wirkungen, die die Berichterstattung über einen Arbeiter im Smoking haben kann, und läßt es entweder weg oder schreibt es aus einem positiven Blickwinkel heraus. Als nächstes sind sonst nämlich die sektsaufenden Journalisten selbst das Ziel des Neides, eines der übelsten Gifte der Gesellschaft und eine ganz fiese Charaktereigenschaft.

Ganz anders zu bewerten ist es, wenn unser Innenminister als Staatsdiener aktuell urlaubshalber mit seiner Frau auf Mallorca weilt, während hier die Einwanderungskrise tobt. Jemand, der zumindest in seinen letzten Positionen wenig Fortune hatte – oder sollte man besser sagen, daß er dort seine Unfähigkeit unter Beweis gestellt hat!? -, sollte sich brav auf den Hosenboden setzen und seine Hausaufgaben machen. Daß hier die Bildzeitung hämisch reingrätscht – übrigens auch mit einem bissigen Kommentar des sehr respektablen Bela Anda – ist vollkommen richtig. Da Frau Dr. Merkel aber selbst der Arsch auf Grundeis geht, wird sie wohl leider nicht mehr die Kraft haben, diesen unsymphatischen Giftzwerg vom Hof zu jagen und ihm mitzuteilen, daß er seinen Mittelmeerurlaub nahtlos in die Frührente überführen kann. Dies ist auch deshalb dringend angeraten, weil der Herr Innenminister noch nicht einmal mehr Manns genug zu sein scheint, die Vorwürfe selbst zu kontern. Stattdessen wird seine doofe Frau – si tacuisses, philosophus mansisses – in der MallorcaZeitung zitiert mit der Entschuldigung, ihr Mann müsse „sich angesichts der Dauerkrise dringend ausruhen und ausschlafen“. Diese Memme! Es sollte schon ein Unterschied sein, zwischen einem Manager, der nach seinem Tagwerk einen offiziellen Termin wahrnimmt, bei dem er auch ein bißchen Spaß hat, und einem dem Volk dienenden Politer, der dringend das Problem in den Griff kriegen helfen müßte. Und wenn er das nicht mehr will und/oder kann, muß er zurücktreten. Niemand hat ihn gezwungen, diesen Job zu machten, und alle wären froh, machte er ihn nicht mehr.

Gute Nacht!

Ihr/Euer Wolf

 

0
0

wolfsgeheul.eu vom 01.11.2015

0
0

Mein rätselhafter „Freund“ Dollase(s. Kolumne vom 02.10.2015) berichtet in der FAZ vom vergangenen Freitag über das „Einstein“ in St. Gallen. Ob es sich bei den beschriebenen Gerichten tatsächlich und ausschließlich um Essen handelt, bleibt wie so oft teilweise unergründlich.

„Mit …..Schweinebauch, einem Sauerampfereis oder einem Kefir-Espuma wird das zum wohlstrukturierten Ereignis en miniature – Slow Food sozusagen, aber hier einmal wirklich so, wie es sein sollte, als Sog sich wie von selbst ergebender Konzentration, weil die Hand des Meisters so prächtige Verläufe und Räumlichkeiten schafft.“. „Hier wird ein ausgeweitetes aromatisches Verständnis vorgeführt, das nicht nur vordergründig ins mediterrane Fach geht, sondern auch einen Hauch erfrischender Säure entwickelt, die in der Lage ist, alle beteiligten Elemente umzufärben.“. „Man schmeckt Zusammenhänge, Distanzen zum Original und die aromatischen Varianten.“. „Alle drei sind exzellent und öffnen den Weg zu gründlich variierten Bildern: ins asiatisch-herzhafte, ins maritim-jodige und ins, sagen wir: japanisch-ländliche.“. Und zu guter Letzt hat „Eines der Gerichte ….den Titel…..“.

??????????. Der hat sie doch nicht mehr alle! Oder spricht hier nicht ein gestelzter Dummschwätzer, sondern ein allen und allem entrückter Genius zu uns?

Man wünscht sich, daß Dollase einmal eine beliebige Uni-Mensa testet. Das könnten wir vielleicht verstehen!?

Wie würde ein solcher Bericht wohl aussehen?

„Vor einem Monat übernahm Chefkoch Horst Schlemmer, der schon in Münster, Göttingen und Marburg gekocht und dort überall und durchgehend mit zwei Sternen im Bafög-Mensaführer des Deutschen Studentenwerkes seine Spitzenrolle unter den Kantinenwirten bewiesen hat, die Universitätsmensa der altehrwürdigen Alma Mater zu Heidelberg. Sehnlichst erwartet von den Studiosi, die jahrelang unter Heinz Schipanski gelitten hatten, der schon in der berüchtigten Haftanstalt Santa Fu nur unter Polizeischutz seinen Dienst verrichten konnte. Ein krasser Widerspruch zu der ansonsten so rennomierten Universität.

Der Speisesaal überzeugt mit seiner unprätentiösen, eher kargen Ausstattung. Hier soll nichts vom kulinarischen Genuß ablenken. Auf harten Formholzstühlen, ungepolstert mit braunem Stoff von speckiger Textur bespannt, der an die pittoresk verschmierten Hinterteile edler Limousin-Rinder erinnert, sitzen die studentischen Genießer und diskutieren lebhaft jede noch so kleine Nuance der Schlemmerschen Kochartistik. Als da wären:

Das Eintopfgericht trägt den Titel „Dialog von Erbsen und sauren Nierchen mit niedertemparaturgegartem Aufbackbrötchen von Knack&Back“, ein Gedicht, das uns nicht nur gedanklich in den Weiten der Gulaschkone baden läßt und olfaktorisch mit leichten Zwiebelnoten und kontrapunktisch gesetzten Specktönen einen wohlklingenden Akkord von Deftigkeit und Neuseeländischer Wanderromantik auslöst, sondern auch in den Tiefen der Gourmandeingeweide lange fröhlich nachhallt und die Umwelt in angemessen massiver Weise an der edlen Speise und ihrem Werdegang teilhaben läßt. Der Gott der lauten Küche, Thor, hätte seine Freude, schwebte er durch die Flure der Heidelberger Studentenwohnheime.

Auch die vegetarische Kreation „Zuccini-Kartoffel-Möhren-Triptychon“ mit Sauerteigbrotbeilage der bekannten Feinbäckerei Lieken überzeugt in ihrer angenehm breiigen Konsistenz, breitet den Aromenfächer aus und deckt alles mit einer dezenten Liebstöckelnote – endlich wagt sich wieder einmal ein Meister der Großküche an dieses zu Unrecht lange verfehmte, genauso diffizile wie in seiner mystischen Kraft überraschende Gewürz heran – zu, um dem filigranen Gemüsestudenten die Nahrungsaufnahme so ruhig und unaufgeregt wie möglich zu gestalten. Ein Volltreffer für die Zielgruppe! Da merkt man die kundige Hand des einfühlsamen Sternekochs, den die Studierenden schon jetzt liebevoll „Mutti“ nennen, wohlwissend, daß die eigene Mutter niemals dieses Niveau in der häuslichen Küche erreicht hat. Da ist der Wunsch der Vater des Nicknames!

Den Höhepunkt stellt die „Rindswurst im Curry-Tomatenmus-Mantel mit gerösteten Kartoffelbausteinen unter einem Windhauch Natriumchlorid der Manufaktur K+S und Sauce Colognèse“ dar. Die fein herausgearbeiteten Röstaromen der bekannt guten, auf den dunklen Höhepunkt gegarten Hertha-Wurstkreation lösen im Mund und anderswo geradezu orgiastische Eruptionen aus, ganz zu schweigen von der hinreißenden Optik in verwaschenem Schwarz-Rot-Gold – eine gelungene Reminiszenz an das Land ihrer genialen Erfinder – , die bauhausgleiche Räumlichkeit der puren Kartoffel, die trotz des ausschweifenden Ölbades nichts von ihrer vornehmen Gespreiztheit verloren und einen geradezu mallorquinischen Teint entwickelt hat, der zwischen glänzendem Gelbgold und einem subtilen Schwarzbraun wie ein tranchiertes Chameleon aus der gußeisernen Pfanne changiert, und einem weiß-roten Saucengeflecht aus dem Delikatessenhaus Kraft welches einem alle Variationen dieser althergebrachten Köstlichkeit in moderner Interpretation am Gaumen verschmelzen läßt, als gäbe es kein Morgen. Heidelberg sehen und sterben!

Alle Gerichte werden in deftigen Portionen gereicht, damit den wißbegierigen Kopfarbeitern nicht der Saft ausgeht. Wer hier den Gürtel enger schnallt, ist selber schuld!

Das alles wird abgerundet von herrlich einfachen Suppen- und Dessertkreationen, wie der unübertrefflichen Zwiebelconsomé von Knorr, der Schlemmer mit Kräutern der Provence und einem Spritzer Zitronenkonzentrat aus bekannt fremder Herstellung eine mediterran-asiatische Breitseite und ureigene Einzigartigkeit verpaßt, oder einem Dialog von feinem Yogurt-„Espanthère“ – dagegen ist der Standard-Schaum betonschwer – und sanft blanchierten Sägespänen, einer Novität des Traditionshauses Bauer, bei dem es sich der mirakulöse Maître nicht nehmen läßt, dem an sich schon starken Süßtraum mit einer beinahe scherzhaften „infusion d’arome de fraise“ aus der Kaiserstadt Aachen einen Kick zu geben, der selbst hartgesottene Schlemmermäuler – wie Horst übrigens keckerweise und mit großartiger Selbstironie seine Gäste nennt – in selige Trance versetzt.

Serviert wird alles auf einem rechteckigen, grauen „assiette togo“, der in seiner Einfachheit und wegen der rätselhaften Facheinteilung an antike Brettspiele erinnert und von den Studenten so verehrt wird, daß sie es sich nicht nehmen lassen, ihn höchstselbst in, neuzeitlichen Kultgegenständen ähnelnden, edelstahlmatten Boxen abzustellen und dann dem verdienten Bade zuführen zu lassen.

Unterstützt von einem kundigen, angenehm wortkargen Service, der sich immer dezent zurückhält und im Gastraum niemanden stört, ist die Heidelberger Mensa mit Fug und Recht zum Mekka der studentischen Gourmetreisen geworden. Mal sehen, in welche Sphären der Küchengott Schlemmer noch vorstößt. Der Zenit scheint noch nicht erreicht, aber ein Platz im Olymp unter mir dürfte ihm sicher sein.

Seid beneidet, Heidelberberger Studentenschaft! Wir haben damals an der Kunstakademie Düsseldorf noch die Ravioli kalt aus der Dose gefressen. Wer aber wie ihr bei Schlemmer ißt, braucht nicht nur halbherzig zu studieren. Er kann sich viel früher als ich dem reinen Essen zuwenden, zu Fuß über den Neckar wandeln und sich fortan an seiner eigenen, nur dem absoluten Kenner sich erschließenden Sprache ergötzen und dem Letzten, dem Göttlichen öffnen. Die Welt soll meiner gedenken, wenn sie morgen ihre vielleicht letzte Notdurft verrichtet. Mehr davon! Oder, wie der Franzose sagt: „Merde alors!“. J. D.“

Und, liebe FAZ, wenn der Dollase nicht aufhört, höre ich auch nicht auf!

Gute Nacht!

Ihr/Euer Wolf

0
0