wolfsgeheul.eu vom 18.11.2015

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Der Karneval kann zuweilen auch eine ernste Sache sein, und in Aachen ist er traditionell immer „tierisch“ ernst. Die beeindruckend und achtenswert umtriebigen Lackschuhkarnevalisten des AKV haben mit ihrem Orden „Wider den tierischen Ernst“ seit 1950 eine einzigartige Marke geschaffen, die absolut zu Recht überregionale Bedeutung erlangt hat. Die Liste der Ordensritter ist von wenigen Ausnahmen abgesehen durchweg illuster. Nach der Pleite mit Karl-Theodor zu Guttenberg, der, obwohl unbestritten ein politisches Ausnahmetalent, ohnehin eher eine Fehlentscheidung war aber immerhin zur Entdeckung des feinen und wirklich humorvollen Bruders Philipp geführt hat, lief es – wer wollte sich schon vom eigentlich zuständigen Karl-Theodor, der dann allerdings glücklicherweise letztlich wieder gekniffen hat, laudatieren lassen! – mit Otti Fischer noch etwas holprig weiter, aber danach schien man sich gefangen und die alte Reputation fast wiederhergestellt zu haben. Trotzdem sanken leider die Quoten, der Traditionsorden blieb bedauerlicherweise etwas angeschlagen. Um so wichtiger war und ist eine kluge Wahl bezüglich zukünftiger Kandidaten.

Als im Juli diesen Jahres bekannt wurde, daß Markus Söder der Ritter der Session 2015/2016 sein sollte, haben sich so zwar manche gewundert, daß die Wahl auf diesen aalglatten und wendehälsischen Karrieristen und unangenehmen Kläffer gefallen war, aber immerhin ist er ein ausgewachsener Landesminister und zugegebenermaßen mit seinen aufwendigen Kostümierungen im fränkischen (sogenannten) Karneval nicht alltäglich. Und am Ende geht es doch nur um einen Karnevalsorden!

Daß Söder – wie damals auch Ritter Stoiber – eine Rolle bekleidet, in der er zumeist mutmaßlich auf Anweisung seines Chefs einfache und zum Teil nur doofe Stammtischparolen absondert, wußten auch alle vorweg. Daß er in der Zeit zwischen Nominierung und Ordensverleihung damit nicht aufhören würde (können und dürfen), mußte ebenfalls jedem klar sein. Jetzt hat Söder direkt nach den Anschlägen von Paris nicht nur seine Trauer und sein Beleid bekundet, sondern im selben Atemzuge den Bogen zur Einwanderungsproblematik und der begründeten Vermutung, daß diesen Weg leider auch Terroristen nutzen, geschlagen, was einen Shittorm auslöste. Damit hat er jedoch dem Wirthausbesucher aus der Seele gesprochen, wie es allenthalben seine, von ihm offenbar sogar gern und willfährig wahrgenommene Aufgabe ist. Im übrigen ist es als Meinungsäußerung sogar legitim, diese Verbindung herzustellen. Ob die direkte Verknüpfung mit der Kondolenz allerdings pietätvoll war, steht auf einem anderen Blatt. Söder wird aber auch nicht für gutes Benehmen und Feingeistigkeit in Bayern bei Hofe gehalten.

Also alles wie erwartet! Aber der AKV wird, statt zu seiner Entscheidung zu stehen, unsicher und wankt. In einer gestrigen Abendsitzung hat man dann angeblich mit allen Beteiligten, damit wohl auch dem Delinquenten und dem für die Fernsehübertragung zuständigen WDR, beraten, ob Söder, der eigentlich nie besonders tragbar war, weiterhin tragbar sei. Was für eine Peinlichkeit! Egal in welche Richtung das Pendel ausschlagen würde, hatte man damit allseits schon unrettbar verloren. Traurigerweise eine unverständliche taktische Fehlleistung der Sonderklasse! Doch noch ist Polen nicht verloren!

Jetzt hat man wohl entschieden, an Söder festzuhalten. Das werden noch bange Wochen bis zum Januar. Wenn Söder aber doch einen Arsch in der Hose hätte, würde er nun seinerseits den Bettel hinschmeißen. Er stünde souverän da, und Ritter Philipp wäre sicher bereit und in der Lage, die Show zu retten, so wie er das bereits mehrfach bewiesen hat. Es steht doch noch eine richtige eigene Ritterrede aus und die Laudatorin, Ritter Annegret Kramp-Karrenbauer, hätte bestimmt nichts dagegen, im Gegenteil, wäre es vielleicht sogar lieber.

Noch besser jedoch wäre die Einführung einer Novität im Aachener Edel-Karneval! Wie wäre es mit einer offiziellen Zelebration der eigentlich überfälligen Aberkennung der Ordensritterwürde für Karl-Theodor!? Die Begründung der Geschworenen, richtig des Elferrates des AKV könnte keiner besser vortragen, als wieder Ritter Philipp, eventuell als Henker-Duo mit Ritter Annegret. Oder man inszeniert eine Inquisitionsverhandlung mit vorher feststehendem Urteil, bei der der Bruder die Rolle des Verteidigers übernimmt. Der Möglichkeiten sind viele! Kreativität ist halt gefordert! Und wenn Karl-Theodor wirklich in die deutsche Politik zurückmöchte, wie es möglicherweise Seehofer und er planen, könnte er das Feld nicht besser bereiten, als die Größe und den Humor zu besitzen, bei dieser humoristischen Degradierungszeremonie dann endlich einmal Präsenz zu zeigen und sich zu stellen. Eine karnevalistische, humoristische und anarchistische Qualität, die dem Öcher Karneval und ihm zur Ehre gereichte! Und fürderhin hätte der AKV immer wieder die Option, bei Problemen mit zukünftigen Würdenträgern naht- und schadlos einem anderen alten Ritter, der einer Aberkennung würdig (geworden) ist, öffentlich mit Esprit und Humor den Garaus zu machen.

Damit käme der Karneval endlich auch da wieder an, wo er seinen Ausgang nahm, nämlich in der Verhohnepiepelung bürgerlicher Rituale. Lieber AKV, die Ideen sind gratis. Mach was draus, damit die Quoten wieder steigen und Aachen in aller Munde bleibt.

Gute Nacht!

Ihr/Euer Wolf

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wolfsgeheul.eu vom 17.11.2015

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Auf meine „Erektions-Kolumne“ vom 08.10.2015 gibt es Veranlassung, einmal zurückzukommen, da die dort thematisierte Pillenwerbung offenbar weitreichendere Folgen zeitigt.

In der letzten Ausgabe des leider überwiegend witzlos gewordenen, sporadisch erscheinenden Magazins der FAZ fällt eine doppelseitige Anzeige für Armbanduhren der Firma Chanel ins Auge!

Rechts bildfüllend der schwarzgoldene Glitzerwecker der Edel-Mode-Firma, der so häßlich und überflüssig wie ein Kropf ist! Frauen würden doch auch niemals ihre Dessous oder Kleider von Rolex kaufen, oder!? Wahrscheinlich liege ich jedoch inzwischen falsch. Der Trend zur Produkterweiterung bekannter Labels scheint nämlich unaufhaltsam und wurde ebenfalls hier schon kommentiert.

Sei es drum! Auf die linke Seite kommt es an. Da sitzt eine hübsche junge Frau in einem Roadster, steuert lässig mit einer Hand, während sie sich mit der anderen selbstbewußt und dezent aufreizend ins leicht wehende Haar greift. Jetzt kann man einmal sehen, was eine homöopathische Pillendreherbude mit einer leichtfertigen Werbung für ihre pflanzliche Aufrichtungshilfe so alles anzurichten vermag!

Die Amazone fährt nämlich nicht nur, sondern sie sitzt auch noch allein im Auto. Außerdem handelt es sich – es ist nur die obere Mitte des Wagens zu sehen – bei dem Roadster mit ziemlicher Sicherheit um eine Shelby Cobra, Baujahr ca. 64, ein Männerauto schlechthin. Außer von Elly Beinhorn oder Michelle Mouton kaum von Frauenhand beherrschbar!

Das ist eine radikale Steigerung zur fröhlichen Edel-Mutti, die ihren graumelierten Ehemann mit Potenzproblemen im offenen Triumph chauffiert. Noch vor gar nicht so langer Zeit hätte genau dieses Senioren-Männermodel neben der jungen Chanel-Dame gesessen, und sie durch den Wind gefahren. Seine sexuelle Vitalität hätte außer Frage gestanden, und als alter Gönner wäre er auch der edle Spender des diamantenblitzenden Goldührchens gewesen, als kleiner Dank dafür, daß der jugendliche Blickfang bereit ist, an seiner Seite zu glänzen.

Heute fährt die junge Frau selbst und kauft sich die begehrte Pretiose vom eigenen Geld, um dann einsam, aber geschmückt im Männer-Roadster abzurauschen.

Nun wird man der Werbung nicht unterstellen können, daß sie maßgeblich neue Rollenbilder kreiert. Vielmehr reagiert sie auf aktuelle Strömungen, im Glauben, sie müsse, um die Kunden zu erreichen, die veränderte Wirklichkeit abbilden. Da sie aber jeden noch so kleinen Trend sehr früh aufgreift, trägt sie eine prägende Mitverantwortung an gesellschaftlichen Veränderungen.

Wieder und wieder muß man traurig feststellen: Kein Wunder also, daß immer weniger Kinder geboren werden.

Und, liebes Potenzkräuterhexenunternehmen, der von euch gesetzte Trend wird langfristig nicht euer Freund sein und die Produktion ankurbeln, denn wo soll der grauhaarige Alters-Beau mit seinem revitalisierten Vermögen hin, wenn ihm die jungen Dinger in ihren röhrenden Roadstern davonfahren, während die Menopausen-Gattin wahrscheinlich in seinem TR 6 ebenfalls alleine ein Ründchen dreht.

Und noch etwas zum Abschluß, Chanel! Der Haupttext der Anzeige lautet „L’INSTANT CHANEL“, für die deutsche Version um das klein darunter gesetzte „DER CHANEL MOMENT“ ergänzt.

Was soll das denn!? Glaubt ihr wirklich, daß die potentielle Käuferin eurer Frisösenuhr sonst denkt, es handele sich um ein Instantprodukt, vielleicht sogar weil Band und Gehäuse tatsächlich aus schwarzer Hightech-Keramik bestehen? Eine köstliche Vorstellung übrigens, daß die Uhr als Bausatz geliefert wird, bei dem man feines schwarzes Pulver zunächst mit heißem Wasser übergießen muß, um es Uhr werden zu lassen. Euer Model vermittelt jedoch weder den Eindruck, nicht des Französischen mächtig zu sein, noch wird man einer teure alte Autos fahrenden, mutmaßlich gebildeten und erfolgreichen Frau unterstellen können, sie kenne sich mit modernen Materialien nicht aus. Die Kunst hätte also im Weglassen bestanden, denn die, die der Übersetzung bedürfen, können sich euer Produkt meist ohnehin nicht leisten oder würden es trotzdem haben wollen.

Pour l’instant, maggi, pardon, magie, non, merci!

Gute Nacht und vielleicht zum besseren Schlaf vorher noch ein Instant-Süppchen von Chanel – bestimmt im gutsortierten Feinkosthandel erhältlich- heiß machen!?

Ihr/Euer Wolf

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