„Mein Gott, jetzt hab ich’s!“ – „Heureka!“!
Stand ich beim Schreiben meiner letzten Kolumne ob der kollektiven Stille unseres gesellschaftlichen Mittelbaus noch etwas ratlos da, bin ich nach dem gestrigen Abend ein gutes Stück schlauer!
Der Besuch von Rockkonzerten mit Altachtundsechziger-Bands ist eine moderne Form des Ablaßhandels für unser schweigendes Bürgertum! Es kauft sich durch das Anhören und Mitträllern dröhnender Musik mit kritischen Texten vom eigenen lautstarken Aufbegehren frei, entrichtet seinen Obolus für ansonsten fehlende Zivilcourage und hat obendrein einen geselligen Abend. Im Käfig
mit Gleichgesinnten singt man unter volksmusikartigem – eigentlich, so dachte ich, vom Bildungsbürger verhaßt, aber hier geht es offenbar um die gute Sache, so daß Ausnahmen gerechtfertigt zu sein scheinen – Klatschen die alten Protestsongs ab und geht befriedigt nach Hause. Das reicht dann wieder für eine gewisse Zeit, um den Rest seiner ungeliebten Berufstätigkeit auszuüben, die nörgelnde Alte bzw. den verfetteten und/oder spießigen Alten zu ertragen, die mißratenen Kinder zu goutieren und dem Ruhestand entgegenzudämmern. Bappt man dann noch einen „Tihange abschalten“-Aufkleber ans Auto und neben die Klingel am kleinen Häuschen mit dem Keramikschild „Hier wohnen Karin, Klaus, Kevin, Kira und Bello“, braucht man sich um die restlichen Probleme im Lande nicht mehr so nachdrücklich zu kümmern. Man hat sich einmal wieder öffentlich unter und mit Brüdern und Schwestern im Geiste bekannt und damit schon mehr als manch anderer getan.
Wie komme ich darauf? Gestern bin ich trotz – wie zumeist – versäumter rechtzeitiger Akkreditierung als Pressevertreter ins „Da Capo“- Montagskonzert, dem Anhängsel zum kompletten Wochenende „Kurpark Classix“ in Aachen – sehr erfolgreich(s. auch Kolumne v. 18.06.2015) und dieses Jahr erstaunlicherweise ohne den traditionellen Öcher Reen – mit der alten Kölschrockformation „BAP“ als immer schon eher ungeübter Besucher solcher Veranstaltungen reingerutscht. Zugegebenermaßen eine Gruppe, mit der ich in deren Anfängen großgeworden bin! Die erste – und vielleicht beste – ernstzunehmende Platte „affjetaut“ von 1980 steht heute noch in meinem Schrank und wird ab und zu abgespielt. Die Sitzplatzkarte, die ich benutzen durfte, auf der mittig vor der Bühne aufgebauten Tribüne – eigentlich ein Nogo bei Popkonzerten – hätte 54,70 Euro gekostet, und die seitlichen Rasenstehplätze, auf denen, je weiter man nach außen ging, die Musik zunehmend wie aus dem Kofferradio klang, schlugen immerhin noch mit 43,00 Euro zu Buche. Ablaß war eben noch nie zu Discounttarifen zu haben. Im Zentrum des Klangorkanes – breiig, übersteuert und fast zu laut – holte man sich die Absolution auf Klappstühlen ab und zahlte zusätzlich mit einer temporären Taubheit. Da war es außen nicht nur günstiger, sondern auch gesünder, weil fast angenehm leiser.
Es ist schon ein merkwürdiges Bild, ein Heer – es sollen 4500 Besucher gewesen sein – von Graukappen in kontrollierter Ekstase zu erleben, während vorne ein kleiner kauderwelschender Rentner aus Kölle – Wolfgang Niedecken ist bereits 65 Jahre alt –
in etwas gebückter Haltung auf dem Niveau einer besseren Schülerband unterschiedlichste, von Bütteln gereichte Gitarren traktierte. Auch die sonstige musikalische Leistung – aber bei einer so „hochpolitisch“ mundartlichen Musikgruppe kommt es ja ohnehin mehr auf die Texte an, die allerdings kaum einer versteht, geschweige denn beherzigt – hielt sich in etwa auf diesem Level. Ein verhindeter Rick Wakeman an den Keyboards und ein Perkussionist, der mehrere Angebote, eine veritable Schlagzeugsession abzuliefern, wie es auf Rockkonzerten Usus ist und zu den Highlights gehört, zwar annahm, aber eher kläglich scheiterte! Der Gitarrist war nicht signifikant besser. Die Beste – ein echter Lichtblick – war noch das musikalische Multitalent aus Dresden, Anne de Wolff, mit virtuoser Geige, Posaune, toller Stimme etc.. Ein Hoch auf die Wiedervereinigung und die phantastische kölsche Integrationskraft!
Was bleibt? Ein paar politische Statements des Bandleaders wie das lapidare „Wenn die amerikanische Wahl schiefgeht, müssen wir uns aber ganz warm anziehen.“! Ob er Trump oder Clinton meinte, blieb offen. Trotzdem: Applaus! Ein Bericht über seinen letzten Marokko-Urlaub – wo und wie edel oder einfach er dort abstieg, hat er nicht erzählt – und das vor Ort gesehene Elend mit Hinführung zu einem von der Band beförderten Projekt für die Reintegration von Kindersoldaten und Zwangsprostituierten! Egal, Respekt! Sympathische Momente bei der Mitsinganleitung „Der Kölsche kennt kein „g“.“ für das bekannte Lied „Jraduss“. Und durchaus Gänsehautmomente bei „Kristallnaach“ von 1982(!) oder „Arsch huh, Zäng ussenander“ aus dem Jahre 1992! Solange gibt es schon den kulturellen Kampf gegen Rechts! War aber eben auch wieder nur eine Art Rockkonzert! Und was hat es bewirkt!? Leider viel zu wenig!
Nichts für ungut, BAP! Ich mag euch, und mehr könnt ihr mit eurer Begabung auch nicht leisten! Aber, liebe Besucher des Konzerts: Ein bißchen Schunkeln und die alten Parolen intonieren ändert an der heutigen mißlichen Lage wenig bis nichts. Bürger, der Kampf um die Freiheit geht (immer) weiter!
BAP hat recht!
„Wenn mir dä Arsch nit huh krieje,
ess et eines Daachs zu spät.“
In diesem Sinne
gute Nacht!
Ihr/Euer Wolf
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Das ist eine werktägliche Kolumne!
Hate it or love it and read it, if you want!
„„wolfsgheul“ will zur Besinnung bringen, zur Diskussion und zum Nachdenken anregen sowie einfach nur niveauvoll Freude und Kurzweil bereiten.“
Das gelingt hier wohl leider nicht …
Leider habe ich auch keine Zeit, 500 Kolumnen durchzulesen, um Antwort auf meine Fragen zu obigem Beitrag zu finden (ohne Ihnen Gründe aufzählen zu wollen).
Ich habe den Eindruck, dass es hier insgesamt wohl eher um quantitative Selbstdarstellung geht, die möglichst kritiklos hingenommen werden soll, das interessiert mich dann doch nicht so.
Viel Glück beim Kampf um die Beendigung der „heutigen misslichen Lage“, ich würde die Taktik allerdings vielleicht doch noch einmal ein wenig überdenken. Destruktive Artikel dieser Art ohne Wille zu Antworten und Erklärungen sind generell eher kontraproduktiv.
Mit freundlichen Grüßen,
Thomas Freytag
Lieber Herr Freytag,
leider habe ich durch mein Golfspiel und meine über zwanzigjährige ehrenamtliche karitative Arbeit für einen Service-Club grundsätzlich wenig Zeit. Nebenbei bin ich auch noch Anwalt, habe die Folgen eines Todesfalles in der Familie zu bewältigen, sitze in den Vorbereitungen für die Aachener Kunstroute, um nur einiges zu nennen. Deshalb haben Sie bitte Verständnis, daß ich mich nicht auf längere schriftliche Diskussionen einlassen kann. Sicher bin ich mir aber, daß Sie in meinen fast 500 Kolumnen so manche Frage beantwortet bekommen und gegebenenfalls einen differenzierteren Eindruck gewinnen können.
Nichts für ungut und – wer weiß – vielleicht bleiben Sie mein Leser und irgendwann eventuell sogar ein ab und an gewogener.
Mit herzlichem Gruß
Wolf M. Meyer
Publikum schlecht gemacht
Sänger schlecht gemacht
Musiker schlecht gemacht
Location schlecht gemacht
Sound schlecht gemacht (war ja zu laut UND zu leise)
Preise zu teuer –
Mit einem Schlag mehrere Tausend Menschen respektlos beleidigt.
SO bewirkt man richtig was! Und mit dem Freiheitskampf klappt´s so auch besser.
Herrlich.
Was mich nach wie vor brennend interessiert, ist, was ein Rockkonzert mit anständigem Publikum, guter Band, „richtigem“ Sound, ohne Klappstühle und ganz billig im Normalfall bewirken muss? Ich freue sehr gern über Beispiele aus Ihrer Konzertgängerhistorie.
Für mich persönlich haben an diesem Abend viele Menschen friedlich und froh gemeinsam Musik gehört. Was soll daran falsch sein???
Wollten Sie gern noch meinen Nachnamen wissen?
Sehr geehrter Herr F.,
na, welchen alten Klassenkämpfer habe ich denn da aufgescheucht? Schade um die Mühe! Zu anonymen Kommentaren nehme ich nämlich keine Stellung.
Genau solche Personen aber habe ich möglicherweise gemeint. Es freut mich allerdings sehr, daß sie mich lesen und sich echauffieren.
Mit freundlichem Gruß
Wolf M. Meyer
Selten so einen anmaßenden, arroganten und inhaltlich dünnen Artikel gelesen…
Woher weiss denn „unser Wolf“, womit sich BAP-Konzertbesucher sonst so beschäftigen und wie engagiert sie sind? Ich befürchte, hier wird das eigene schlechte Gewissen mal ganz schlicht und praktisch den beängstigend Gleichaltrigen und ähnlich Gebildeten und Sozialisierten übergestülpt, die ja vielleicht sogar auch so was wie Lions- und Golf-Club besuchen.
Wahrscheinlich haben diese aber im Gegensatz zum Autor immerhin folgendes von allein verstanden:
1. Das Konzert ist ein Anhang an die „Classix“ – deshalb die Tribüne. Die Tage vorher spielte dort ein Orchester;
2. Mehr als Zimmerlautstärke ist bei Rockkonzerten Usus, genau so wie das Abliefern einer durchaus veritablen und geschmackvollen „Schlagzeugsession“. Sönke Reich ist übrigens einer der besten jungen Trommler, die wir in Deutschland haben (natürlich orientiert er sich eventuell weniger an Jeff Porcaro, sondern an zeitgemäßen Drummern, wie Jim Kelter oder Matt Chamberlain, die dem Autor aber wahrscheinlich nicht bekannt sind, da er offensichtlich – zumindest bei BAP – 1980 hängen geblieben ist. Dumm nur, dass sich Zeiten ändern. Da kann man schon mal schlechte Laune bekommen).
3. Sie würden wahrscheinlich nicht im Traum daran denken, vom Sänger Rechenschaft über die Kategorie seines Urlaubshotels zu erwarten, genau so wenig wie man ihnen
4. genauer erläutern müsste, was gerade bei den amerikanischen Wahlen schiefgeht.
Mich interessiert ganz persönlich noch eine Frage zum Fazit des Artikels:
Was muss ein Rockkonzert denn bewirken (also vor allem direkt noch in der Nacht direkt nach dem Konzert, mehr konnte der Autor ja nicht vorhersehen…?). Sollten sich die (tatsächlich) 4500 Besucher noch voller Elan vor dem Ausgang formieren und vor den Reichstag wandern? Oder eine neue Partei gründen? Oder nach Syrien reisen?
Im Lebenslauf des Autors ist leider so direkt von „Arsch huh“ auch nichts zu lesen, deshalb möchte ich hier einfach mal nicht in seine Fussstapfen treten und ihm unterstellen, es sieht da vielleicht etwas dünn aus.
Eines kann ich mit Sicherheit sagen: Die Welt wird durch Gehässigkeit keinen Deut besser, da kann man am Ende noch so sehr vom Freiheitskampf faseln und dann wieder Golf spielen gehen… Läuft definitiv anders mit dem wirklich Guten.
Viele Grüße,
Thomas