Die Welt dreht sich immer schneller und innerhalb von gut zwanzig Jahren kann sich der Stil einer Marke radikal ändern. Die Rede soll sein von „Mercedes-Benz“.
Dabei soll es weniger um die Präsentation im Autohaus gehen, wenngleich auch hier ein merklicher Wandel sich vollzogen hat. Während man noch vor rund vierzig Jahren taxiert und von oben herab behandelt wurde, war die Atmosphäre vor zwanzig Jahren schon etwas entspannter und freundlicher. Heute dagegen kann man weder von dem einen noch von dem anderen sprechen. Der Kunde wird gar nicht mehr wahrgenommen, er kann sich stundenlang im Luxus-Showroom aufhalten, ohne überhaupt beachtet zu werden. Und wenn man aktiv auf einen dieser Schreibtisch-Verkäufer zugeht, steht der zumeist noch nicht einmal auf. In der Folge werden dann zum Beispiel auch versprochene Rückrufe zur Vereinbarung einer Probefahrt geflissentlich vergessen. Man hat es wohl nicht mehr nötig.
Was aber viel eindrücklicher erscheint, ist die Art der verbalen Anpreisung der Produkte in den Katalogen.
Früher ging es vornehm und dezent zu, man war selbstbewußt, aber nicht überheblich. Heute quillt aus dem Hochglanzprospekt die Arroganz, die Selbsbeweihräucherung und die Hybris nur so hervor. Im zwanzig Jahre alten Katalog für die Coupés der E-Klasse redet man den Leser mit „Sehr geehrte Kundin, sehr geehrter Kunde,“ an, für die heutigen barocken Kisten fällt man mit der Tür ins Haus „Die E-Klasse. In Bestform.“. Gegen „Tugenden wie Zuverlässigkeit, Umweltverträglichkeit und Sicherheit mit kultivierter Kraft und dem Flair eines wirklich ungewöhnlichen Automobils“ steht „Schöner kann man Vorwärtsdrang nicht modellieren“. Das alte Coupé ist „dezenter als ein Sportwagen“ und hat „klare, klassische Linien“, „elegante Proportionen“, das neue steht für „in athletischem Schwung geformte Flanken“ und streckt sich „spannungsvoll nach vorne – den Straßen der Welt entgegen“. Und früher galt „Ein Bild sagt bekanntlich mehr als 1000 Worte – und eine Probefahrt mehr als 1000 Bilder“; heute ist das Wort „Probefahrt“ im gesamten Katalog gar nicht mehr zu finden.
Und genau deshalb machen die heutigen Mercedes-Automobile und viele ihrer Besitzer auch immer ein bißchen auf dicke Hose. Neumodischer Protz begegnet alter schwäbicher Solidität mit einer Prise Eleganz. Zurückhaltung und stiller Genuß treffen heute auf einen eher aufdringlichen Habitus. Die Straßen dieser Welt werden immer besser, und die Fahrzeuge darauf immer beliebiger, spielen aber gewaltig mit den Muskeln. Da steht Unterhemd gegen Smoking. Zwanzig Jahre ändern tatsächlich eine Marke. Schade, denn früher galt einmal Konstanz als Qualität.
Schön, daß es den alten Stil noch gibt. Und er hat nichts an Aktualität verloren, im Gegenteil, wir bräuchten ihn mehr denn je. Denn Hochmut kommt vor dem Fall.
Gute Nacht!
Ihr/Euer Wolf