wolfsgeheul.eu vom 08.03.2016

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„Billy“, Bauhaus für Arme, also Bauhaus im eigentlichen Sinne!

Gillis Lundgren, der schwedische Designer, der 1979 das Billy-Regal für Ikea schuf, ist mit 86 Jahren verstorben. Ihm gebührt durchaus Anerkennung für dieses geniale Bücher-Staumöbel, das bis heute unübertroffen in seinem Preis-Leistungs-Verhältnis und in seiner Schlichtheit sowie einfachen aber stabilen Konstruktion ist. Durch die massenhafte und preiswerte Herstellung ist es zu einem Produkt geworden, das die Tradition des Bauhauses und seine Grundgedanken, einfache, erschwingliche, formschöne und gleichzeitig genauso praktische wie geniale Möbelstücke für das Volk zu entwerfen und zu fertigen, nahezu vorbildhaft fortgeführt hat. Während also die Entwürfe der Bauhäusler heute überwiegend als Luxusmöbel in Wertigkeit und Preis daherkommen, findet „Billy“ Eingang in die Wohnungen von Alt und Jung und von Arm und Reich. Daß hätten sich die Dessauer bestimmt nicht träumen lassen, selbst einmal der Zulieferer für die vermögende Oberschicht zu werden und ihre Ideale später von einem schwedischen Möbelgiganten vertreten zu sehen.

Wenn Lundgren aber, zum Beispiel in einem kleinen Nachruf auf Spiegel-Online, auch mit der Tatsache würdigend hervorgehoben wird, er habe die geniale Idee gehabt, bei einem Sofa-Tisch die Beine abzuschrauben, um ihn leichter verschicken zu können, wird ihm zuviel der Ehre angetan, wenngleich es zugegebenermaßen immer wieder herausfordernd und die hohe Schule ist, bei einem Entwurf gleichzeitig an den platzsparenden Versand zu denken. Hier gebührt wohl eher den Brüdern Thonet die Krone, die ab den 1850er Jahren ihren Kaffeehausstuhl Nr. 14(heute Nr. 214) so konstruiert hatten, daß er zum einen arbeitsteilig in Serie gefertigt und zum anderen, weil er aus nur sechs Holz-Einzelteilen und zehn Schrauben sowie zwei Muttern bestand, zerlegt äußerst raumökonomisch – so passen 36 Stühle in eine Kiste von einem Kubikmeter Rauminhalt, die von Stühlen im zusammengebauten Zustand wohl kaum mehr als 8 Exemplare zu fassen vermag – expediert werden konnte. Auch der Däne Poul M. Volther zum Beispiel hat bereits in den 40er Jahren Holzstühle entworfen, die alle diegleichen Schraubbeine hatten.

Der Thonet-Stuhl aber, der im übrigen ansonsten das Schicksal der Bauhausmöbel teilt und heute fast 700 Euro kostet, macht deutlich, was industrielle Fertigung, kluge Verpackung und weltweite Vermarktung vermag und damals schon vermochte. Steht man eventuell staunend vor der Zahl von über 40 Millionen Billy-Regalen, so haut es einen geradezu um, wenn man zur Kenntnis nehmen muß, daß vom Kaffeehaus-Stuhl mit der Nummer 14 bis heute über 50 Millionen Exemplare verkauft worden sind. Vom Massenprodukt zu Luxusgegenstand in gut 150 Jahren!

So preisen wir denn gerne im Namen unserer Bücher Herrn Lundgren, aber seine Leistung benötigt es nicht, mit fremden Federn geschmückt zu werden. Das „Billy“ wird ihn (hoffentlich) noch lange überleben und ihm ein würdiges Andenken bewahren.

Gute Nacht!

Ihr/Euer Wolf

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