wolfsgeheul.eu vom 12.04.2017

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Ohne Seichtigkeit des Seins!

Wenn man, wie ich, keinen Fernseher besitzt, verpaßt man nichts. Das kann ich nach über sechsjähriger Beobachtung ohne Einschränkungen sagen. Selbst die wenigen Ausflüge über das Internet am kleinen Laptop stellen dieses Ergebnis nicht in Frage, sie bestätigen es eher.

Kabarett und Satire wird immer belangloser, und die bestellten Claqueuere im Studio sind an Peinlichkeit für vermeintlich kritische Künstler nicht zu überbieten. Kunst und Kommerz schreiten Hand in Hand und versanden zunehmend in der Unterirdischkeit. Sport kommt am Radio viel besser rüber und die ewiggleichen Interviews stehen so oder ähnlich am nächsten Tag in der Zeitung. Feuilletonleser brauchen auch nicht das, was sich televisionär Kulturprogramm nennt. Bleibt die Politik! Was will man da verpassen, was nicht später genauso der Presse zu entnehmen ist!? Und die unerträglichen Talkshows bringen schon lange keine Erkenntnis mehr, außer daß überwiegend unfähige, unkritische, speichelleckende oder spiegelfechtende Moderatoren am Werke sind, die mit den immergleichen Abziehbildern in ihren Sendungen eine Schau abziehen, die beide Seiten der Medaille direkt auf einer abbildet. Ein kollusives Zusammenwirken im Politik-Showbusiness! Außer Dittsche ist wirklich nichts sehenswert, und selbst der ergeht sich im semper idem, spiegelt damit aber durchaus den Alltag wider und tut dies so brilliant, daß es immer wieder eine Freude ist, die Virtuosi- und Kreativität Olli Dittrichs zu bestaunen. Und solange er den Beckenbauer besser kann als das lächerliche Original, braucht es eigentlich sowieso nur noch ihn.

Nun müßte ich lügen, behauptete ich, daß ich die gewonnene freie Zeit überwiegend sinnvoller ausfülle. Aber jede fernsehfreie Stunde hat zumindest die Chance, eine gewinnbringendere zu werden. Selbst also, wenn man sie nicht entsprechend nutzt, hat man trotzdem mehr gemacht und (nach)gedacht als mit laufender Kiste, weil man sich dieser Möglichkeit nicht benommen hat. Und jedenfalls war es erholsamer und weniger ärgerlich. Es offenbart vielmehr die allgegenwärtige Schwierigkeit, seinem kurzen Leben immer optimalen Sinn zu geben.

Gerade höre ich Bachs wunderbare Oster-Kantanten. Allemal klarer und ehrlicher als der verlogene Herr Plasberg und Konsorten! Und vielleicht gottgefälliger!? Mit zwei Ohren hört und mit zwei Augen sieht man besser! Die Television ist  dabei entbehrlich.

Gute Nacht!

Ihr/Euer Wolf

 

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wolfsgeheul.eu vom 20.01.2016

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Nichts geht über live, auch und gerade bei Musik. Mönchengladbach und sein Initiativkreis haben sich einmal wieder selbst übertroffen. Wer dabei war, weiß es wahrscheinlich selbst, und allen anderen sei es versichert.

Zugegebenermaßen hat mich am meisten die Solokünstlerin, Kathia Buniatishvili, gelockt. Der junge funkelnde Stern am Pianistenhimmel, den man nicht überall und einfach die Chance hat zu erleben. Um es kurz zu machen: Eine tolle, bescheiden aber selbstbewußt und überhaupt nicht exaltiert, sondern unprätentiös, selbstverständlich auftretende junge Frau, die sowohl mit ihrer Musik als auch mit ihren Worten etwas Fundiertes und interessantes Neues zu sagen hat. Keine Spur von mehr Schein als Sein, kein bißchen virtuoser Musikroboter, eine Pianistin mit großer Fertigkeit und ganz viel Herz und Verstand. Und – das kann ich nicht verschweigen – höchstattraktiv, aber ein Typ und kein Model-Abziehbild! Zu Recht alles in allem ein aufstrebender Weltstar!

Ihre Interpretation des d-Moll Klavierkonzertes Nr. 23 von Mozart, solide und kundig begleitet von der Kammerphilharmonie Amadé, war im wahrsten Sinne des Wortes einzigartig. Nicht so nüchtern à la Gould wie die von mir bisher favorisierte Gulda-Aufnahme aus München von 1986. Fast im romantischen Stil spielte sie den 2. Satz mit einem Sinn und einem Vermögen für reines, klingendes Pianissimo, das man nur mit dem Herzen und nicht allein mit einem besonderen Feingefühl in den Fingerchen dem Steinway entlocken kann. Und das Traurige, das dem Konzert immer zugeschrieben wird und sich mir von der Tonart abgesehen ohnehin kaum erschließt, hatte bei Buniatishvili eine Mozartsche Leichtigkeit und Fröhlichkeit, die er selbst, als er das Stück komponierte, angeblich gar nicht mehr gehabt haben soll. Das ganze garniert mit der Klasse und dem Mut, im 3. Satz mit der Beethovenschen Kadenz zu beginnen und dann in eine eigene beachtenswerte Version überzuleiten, weil, wie sie hinterher leichthin auf Befragen erklärte, ihr die Beethoven-Kadenz für den letzten Satz nicht Beethoven-typisch genug sei. Da geschieht nichts unbedacht. Genauso wie sie darauf hinweist, daß ihre gesamte Herangehensweise vom ebenfalls in d-Moll gehaltenen Requiem Mozarts, ihrem Lieblingsstück dieses Ausnahmekomponisten, beeinflußt sei. Der Fachjournalist mag nun noch an der einen oder anderen Stelle kritisieren können und wollen, vielleicht sogar an etwas, das auch mir aufgefallen ist. Für meinen Teil möchte ich aber resümieren, daß ich Zeuge einer besonderen und so noch nie gehörten Interpretation dieses außergewöhnlichen und damals für Mozart und die Musikwelt bahnbrechenden Klavierkonzertes neuen Stils geworden bin. Mönchengladbach hat es einem vollbesetzten Haus zugänglich gemacht, und wir können sagen, wir sind dabei gewesen. Interessierte sollten bei nächster Gelegenheit Frau Buniatishvili live zu erleben versuchen, um sich ein eigenes Bild zu machen, und auch Mönchengladbach in ihrem Konzertkalender zukünftig berücksichtigen.

Die Kammerphilharmonie gehört aber ebenso gewürdigt, vielleicht nicht in besonderer Weise wegen ihrer guten Darbietung der Ouvertüre zu „Cosi fan tutte“ und der fünf Contredances KV 609, aber wegen ihrer Aufführung der Haydn-Symphonie Nr. 99, die, obwohl offenbar die Lieblingssymphonie des Komponisten, mir (peinlicherweise) vorher nicht geläufig war. Ein authentischer, unprätentiöser aber nicht herzloser Haydn, den die Amadé da höchstsolide und mit großer Spielfreude hingelegt hat! Man bekam die Idee der Musik unverbrämt und ohne unnötiges Getüdel und verhüllende Schwülstigkeit erklärt, und es war eine Wonne, den Musikern bei ihrem Spiel und ihrer kollegialen (un)heimlichen Kommunikation, die immer wieder freundliche und lachende Minen produzierte und insgesamt den eisernen Willen zur geschlossenen Teamleistung erkennen ließ, zuzusehen. Ein Klangkörper, der sich mehr als sehen und hören lassen kann und noch Luft nach oben hat. Dem kauzigen älteren Herrn mit den vielen symphatischen Lachfalten im Gesicht, dem Dirigenten Frieder Obstfeld, der das Orchester zu dem gemacht hat, was es ist, dürfte da noch vieles zuzutrauen sein.

Insgesamt große Klasse bei den Gladbachern! Stars in der (Provinz-)Manege! Immer eine Reise wert! Und noch etwas muß erwähnt werden. Viele junge Leute waren unter den Besuchern und nicht nur die (Älteren), für die es zum Teil eine gesellschaftliche Pflicht ist, dort aufzulaufen. Wenn ich das mit Aachen vergleiche, reizt es, hinter das Geheimnis Mönchengladbachs zu kommen, um es zu kopieren. Die familiäre Atmosphäre der Veranstaltung und die Freigetränke und Häppchen zu Beginn, in der Pause und nach dem Konzert sind aber sicherlich ein Teil des Erfolges. Ohne Moos, nichts los! Es geht eben nur etwas voran, wenn sich das Kapital und die Honoratioren einer Stadt nicht nur dem Sport widmen, sondern auch und gerade bei der Kultur den klammen und oft obendrein kulturunterbelichteten Haushalten auf die Sprünge helfen. Und einen weiteren Schlüssel stellt die offensichtlich gute und warmherzige Betreuung – sportliches Vorbild ist das von Porsche ins Leben gerufene, immer hochkarätig besetzte Damentennisturnier ehemals in der Provinz in Filderstadt – der Künstler dar. Geld allein reicht nämlich nicht, sie müssen gerne kommen und sich wohlfühlen, so wie man das der Solistitin deutlich anmerkte. Sie kommt bestimmt einmal wieder.

Neben mir saßen übrigens zwei kleinere Mädchen im Kleidchen, die mich an mich selbst – nicht im Kleid natürlich – vor fünfzig und meine Kinder vor bald zwanzig Jahren erinnerten. Schön, daß es noch Eltern gibt, die sich der auch nicht immer leichten Aufgabe stellen, ihre Kinder an die seligmachende Musik heranzuführen. Diszipliniert und überhaupt nicht gelangweilt haben sie das Konzert verfolgt, wenngleich sie sich nicht in besonderer Weise von Kathia inspiriert gefühlt haben, weil, wie sie auf Befragen stolz erklärten, sie beide Violine spielen. Na, also! Für Nachwuchs ist gesorgt, und da kann die Kammerphilharmonie Amadé vielleicht noch kompetente Verstärkung in der zweiten Reihe gebrauchen.

Musik öffnet Herzen und Mönchengladbach hilft nach Kräften dabei! Und jetzt lehne ich mich zurück und warte in aller Ruhe auf den Artikel vom ebenfalls anwesenden Profi, Christian Oscar Gazsi Laki, in der Rheinischen Post. Vor Ort waren wir uns in einer ersten Manöverkritik relativ einig. Aber haben wir wirklich dasselbe gehört?

Gute Nacht!

Ihr/Euer Wolf und Karnevals-Wolf, denn wir waren gestern beide unterwegs!

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