wolfsgeheul.eu vom 01.03.2018

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Der Weinstein-Reflex!

Nein, ich meine nicht das intuitiv abrupte Absetzen des Glases mit Refluxtendenz, wenn aus Nachlässigkeit doch einmal das unappetitliche Depot der Flasche entrinnen konnte. Vielmehr habe ich gestern auf Amazon Prime den Film „Notting Hill“ angeschaut. Neben der immerwährend aufkommenenden Frage, warum nur Hollywood es vermag, derart herrliche Schnulzen abzudrehen, habe ich tatsächlich im Nachhinein bei Wikipedia nachgeguckt, wer Produzent des Streifens war.

Mit leichtem Aufatmen habe ich zur Kenntnis genommen, daß es sich nicht um Harvey Weinstein handelte. So war es mir also erlaubt, mich ganz dem Genuß hinzugeben.

Was für ein Quatsch! Als erklärter Gegner von Bilderstürmerei sollte es mir doch vollkommen gleichgültig sein, welche Personen hinter einem filmischen Machwerk stehen. Wenn die Geschichte, die Schauspieler, die Regie, die Musik und die Kamera gut sind, dann ist es auch der Film, egal wer ihn produziert hat.

Kann es davon individuelle Ausnahmen geben? Das muß jeder selbst entscheiden. Seit der widerlichen Vorwürfe gegen Michael Jackson – von denen er sich freigekauft hat, weshalb leider niemals ein Gericht darüber entscheiden konnte und mußte – zum Beispiel, neige ich dazu, den Sender zu wechseln oder das Radio auszuschalten, wenn er gespielt wird, obwohl die Musik einzigartig ist und bleibt. Bei Roman Polanski und Klaus Kinski hingegen behalten die Qualitäten der Filme die Oberhand, so daß ich sie weiterhin schätze und konsumiere, wenn sich die Gelegenheit bietet. Auch bei einem bekannt übergriffigen Maler würde ich nicht nicht wegschauen, wenn mir eines seiner Bilder präsentiert wird. Allerdings wäre der Kauf eines solchen Gemäldes als Schmuck meiner eigenen vier Wände für mich tabu. Da könnte und wollte ich nicht trennen zwischen der Biographie des Machers und seinem Opus.

So muß also wohl jeder seinen eigenen Weg finden, wie er mit über das Kunstprodukt hinausgehenden Informationen umgeht. Bei dem Versuch einer kollektiven Ächtung bin ich jedoch nicht mitzutun bereit.

Deshalb gibt es für mich nur einen allgemeingültigen Reflex mit Spuckreizauslösung, und das ist der beim Weinstein. Prost!

Gute Nacht!

Ihr/Euer Wolf

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wolfsgeheul.eu vom 02.02.2018

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Warum ist unsere Gesellschaft so wenig in der Lage, Mitmenschen, die sich erkanntermaßen von allgemeingültigen Konventionen verabschiedet haben, auszugrenzen und ihnen auf diese Weise unmißverständlich deutlich zu machen, daß sie mit ihrem Verhalten in der Gemeinschaft unerwünscht sind und deshalb nicht mehr mittun dürfen respektive man mit ihnen nicht umgehen und zusammenarbeiten möchte!?

Die – von mir auch und gerade wegen des damit leider zwangsläufig verbundenen Aushebelungseffektes bei der rechtsstaatlich äußerst kostbaren Unschuldsvermutung teilweise kritisch betrachteten – #MeToo-Bewegung hat definitiv eines deutlich gemacht. Das Hauptproblem sind gar nicht unbedingt zu lange – aus welchen Gründen auch immer – schweigende Opfer, sondern das unabgesprochene faktische Schweigekartell, welches im Umfeld der Vorkommnisse herrscht.

Wenn jetzt ein von mir durchaus geschätzter Til Schweiger im Fernsehen erklärt, daß er selbstverständlich von dem unmöglichen bzw. anders und gleichzeitig vorsichtig gesagt rüden Benehmen des Regisseurs Wedel Kenntnis hatte, dann muß man – ohne daß ich deswegen einen Vorwurf erheben möchte – ihn und andere Eingeweihte schon einmal fragen dürfen, warum sie auch als nicht persönlich Betroffene nicht in irgendeiner Form dagegen etwas unternommen haben, statt es einfach stillschweigend hinzunehmen. Und warum ist man bei Galas, Preisverleihungen und sonstigen Anlässen mit ihm gemeinsam über den roten Teppich geschritten und hat sich mit ihm in einen Raum begeben, hat ihm vielleicht sogar das harte Händchen geschüttelt und sich mit ihm ablichten lassen?

Dieses Phänomen spielt nicht allein in prominenten Zirkeln, sondern steht pars pro toto für alle Lebensbereiche, in denen tagtäglich Nämliches geschieht bzw. eben gerade nicht geschieht. Dabei mangelt es gerade nicht an Sozialkontrolle, denn Verstöße gegen gesellschaftliche Basiswerte werden überall durchaus wahrgenommen. Aber die entsprechenden Erkenntnisse werden unter der Decke gehalten und der gewöhnliche Verkehr mit dem Normbrecher geht unbeeindruckt weiter, so daß sein eigentlich gemeinschaftlich verachtetes Tun ohne spürbare negative Konsequenzen für den Täter bleibt. Weshalb also sollte er an seinem irregulären Verhalten etwas ändern?

In dem Moment aber, in dem sein soziales Umfeld ihm bedeutete, daß man nicht bereit ist, fürderhin über seine Verfehlungen hinwegzusehen und ihn bei unverminderter Fortsetzung derselben zu schneiden und damit auf sich zu stellen, läge die Chance sicherlich extrem hoch, daß dem von Ausgrenzung Bedrohten in den Sinn käme, sein Verhalten zu überdenken und gesellschaftskonform anzupassen.

Wir sind demnach alle gefordert und dürfen die Verantwortung nicht allein auf andere schieben. Schon gar nicht auf die Justiz, denn eigentlich sollte es doch das Ziel, sein, es nicht erst so weit kommen zu lassen, daß diese Anlaß zum Einschreiten hat! Dann gibt es nämlich schon Opfer.

Unsere soziale Gemeinschaft funktioniert nicht mehr richtig, weil die Mehrheit nicht mehr an einem Strang zieht und sich gegenseitig Rückendeckung gibt. Das betrifft eben nicht allein die Opfer, sondern auch die Masse der Beobachter, die sich so nicht getraut, klar Position zu beziehen und eindeutig Grenzen des Akzeptierbaren aufzuzeigen. Stattdessen wird das kollektive Wegschauen zum Programm erhoben. Es macht das Leben halt weniger kompliziert und anstrengend. Aber da gibt es gleichwohl immer noch das schlechte Gewissen. Und das plagt einen möglicherweise lebenslang. Da muß man sich schon fragen, ob es nicht viel sinnvoller und letztlich befriedigender sein kann, die Duldungshaltung aufzugeben und sich einzumischen, wenn es erforderlich bzw. eigentlich unumgänglich ist, um dem Spuk ein Ende zu setzen.

Die Debatte hat selbstverständlich etwas angestoßen und Mißstände aufdeckt. Es kommt nun einzig darauf an, was wir daraus machen.

#MeToo ist also wichtig, aber mindestens genauso wichtig ist #FreeDeniz.

Gute Nacht!

Ihr/Euer Wolf

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