„Man wird nicht besser mit den Jahren
Man wird nicht besser mit den Jahren,
Wie sollt‘ es auch, man wird bequem
Und bringt, um sich die Reu‘ zu sparen,
Die Fehler all in ein System.
Das gibt dann eine glatte Fläche,
Man gleitet unbehindert fort,
Und „allgemeine Menschenschwäche“
Wird unser Trost- und Losungswort.
Die Fragen alle sind erledigt,
Das eine geht, das andre nicht,
Nur manchmal eine stumme Predigt
Hält uns der Kinder Angesicht.“
Dieses nette Gedicht hat uns Theodor Fontane geschenkt. Abgesehen von der Feststellung, daß alle Fragen erledigt seien, die ich nicht unterschreiben kann – ganz im Gegenteil werden es bei mir neben der elementaren Seinsfrage eher mehr -, meine ich, daß er im wesentlichen recht hat und all‘ jene, die uns weismachen wollen, das Alter sei wunderbar, sich selbst belügen und als Rufer in der Wüste eine mehr oder minder lächerliche und vorallem unglaubwürdige Figur abgeben, insbesondere dann, wenn sie geradezu zwanghaft noch Dinge zu tun versuchen, die ihren verbliebenen Fähigkeiten eigentlich nicht mehr gänzlich entsprechen.
In Würde zu altern, sich in jeder Hinsicht treu zu bleiben, scheint eine Kunst zu sein, die beherrscht sein will. Und dazu gehört auch, daß man über Einschränkungen und Zipperlein überwiegend schweigt und die Umwelt nicht mit epischen Berichten hierzu belästigt. Ebensowenig sollte allgemeine Klage geführt werden. Stattdessen sollte man sich weitestgehend altersgerecht und entsprechend dem noch vorhandenen Vermögen verhalten und geben. Das ist authentisch und bedarf keiner kommentierenden Begleitmusik. Es hat viel mit Demut zu tun. Nur so wird man die notwendige Gelassenheit entwickeln und damit der Umgebung den Respekt abringen, den die Lebensleistung und die Person an sich gegebenenfalls verdient. Jedenfalls bleibt man so ein allseits verträglicher Zeitgenosse, der nicht nur nicht stört, sondern als angenehm und eventuell sogar als Bereicherung empfunden wird. Und eine gesunde, sprich vitale Lebensmüdigkeit hat auch etwas Beruhigendes, Friedliches und Versöhnliches.
Mein kürzlich verstorbener Vater wäre heute übrigens 95 Jahre alt geworden. Und der Wille, diesen Tag noch zu erleben, war trotz seines äußerst mißlichen Zustandes fast bis zum Ende ungebrochen.
Das Leben, wie es auch immer aktuell sein mag, erscheint also wohl alle Mal besser als der Tod. Das dürfte die Essenz des Alterns sein, daraus bezieht es seine Kraft. Nicht mehr, aber auch nicht weniger!
Gute Nacht!
Ihr/Euer Wolf
P. S.: Und jetzt gehe ich in memoriam zur Premiere von Glucks „Orpheus und Eurydike“, eine der wenigen Opern – grundsätzlich ein Genre, das ohnehin eher für Menschen erschaffen wurde, denen der Zugang zur puren klassischen Musik zu beschwerlich ist -, die mein Vater wirklich geliebt hat und tatsächlich Musik zum Niederknien bietet, ins Theater Aachen, das mich bereits mit Verdis „Macbeth“ positiv überrascht, alte berechtigte Vorbehalte nahezu ausgeräumt und als Kunden wiedergewonnen hat. Wie sagt es mein Valentin!? „Lasset die Klänge klingen!“.