wolfsgeheul.eu vom 21.11.2016

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Behinderte haben es niemals leicht, aber unsere Gesellschaft ist bei allen zugestandenen Fortschritten auch noch weit davon entfernt, ihnen gleichwohl einen weitestgehend ungehinderten Alltag inmitten von uns zu ermöglichen. Grenzen wird es zwar je nach Art und Schwere des Handikaps bei allem redlichen Bemühen immer geben, aber Alltägliches sollte überwiegend gewährleistet sein.

So der Besuch einer Kirche! Denkste! Heute habe ich mir in Köln in St. Andreas die Lüpertzfenster(s. auch Kolumne vom 08.11.2016) anschauen wollen. Das Gotteshaus gehört noch zu denen – selbst bei den Katholiken leider keine Selbstverständlichkeit mehr -, die tagsüber durchgehend jedem offenstehen. Vor einer geöffneten Hauptportalstür standen allerdings zwei Damen, eine davon im Elektrorollstuhl, im Gespräch mit einem bärtigen Herrn, der im Rahmen stehend wie der herausgeklingelte Hausherr wirkte. Na, sollte die Kirche eventuell doch geschlossen sein, und würden die Frauen -mutmaßlich Mutter mit erwachsener Tochter übrigens – den Türsteher vor dem Schloß des Herrn überwinden können?

Unsinn! Wir konnten problemlos rein als man uns den Weg freigemacht hatte. Aber die Rollstuhlfahrerin nicht! Weil, wie wir erfuhren, St. Andreas eine von zwei (katholischen?) Kirchen ist, die über keinen barrierefreien Zugang verfügen. Eine der großartigen zwölf romanischen Kirchen in Köln und dann noch die mit den wundervollen Lüpertz-Fenstern!

Natürlich kamen wir ins Gespräch und haben überlegt, wie man die Besichtigung zum Beispiel durch Hineintragen vielleicht doch darstellen könnte. Letztlich wurde das jedoch dankend abgelehnt. Aber die Begründung des Kirchenmannes für eine fehlende Rampe oder Ähnliches verblüffte. Das sei alles wahnsinnig kompliziert, da insbesondere für gewichtige Elektrorollstühle beispielsweise bestimmte Rampenwinkel eingehalten werden müßten, und erschwerend käme der Denkmalschutz hinzu. Das alles zusammengenommen habe bisher die Umsetzung einer natürlich gewünschten Lösung verhindert.

Aha! Es gäbe also eine grundsätzlich umsetz- und gang- bzw. fahrbare Variante, aber überzogene Bestimmungen aus unterschiedlichen Richtungen verhindern eine Realisierung. Es bleibt bis auf weiteres dabei: Rollis müssen draußenbleiben.

Das kann doch bitte nicht wahr sein. Hätten vor der Tür zwei Bretter gelegen, hätte ich mir zugetraut, mit Hilfe des Mannes in zupackender und unkomplizierter Selbsthilfe eine sichere Einfahrt ins Kircheninnere – zwei Stufen – kurzfristig herzustellen. In Italien, Spanien, Belgien, Holland oder Frankreich gäbe es diese Behelfsvariante wohl auch. Aber in Deutschland geht so etwas nicht! Wo leben wir!?

Hier endet für mich jegliches Verständnis! Denn die traurigen Gesichter der unverrichteter Dinge sich entfernen müssenden Damen müßten Anlaß genug für jeden Verantwortlichen sein, sofort etwas ins Werk zu setzen, damit dieser untragbare Zustand umgehend beseitigt wird.

Bis dahin gilt: Kölsche Romanik mit Lüpertz – Nur für Fußgänger!

Frau Oberbürgermeisterin Reker und Herr Erzbischof Woelki, bitte aufwachen und an die Arbeit!

Gute Nacht!

Ihr/Euer Wolf

 

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wolfsgeheul.eu vom 07.07.2015

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Die Verwandlung

Man stelle sich vor, ein Mann wacht morgens auf, (sieht keinen Rollstuhl neben seinem Bett,) erhebt sich mühsam, schlurft schlaftrunken Richtung Bad, öffnet die Tür und es trifft ihn fast der Schlag. Wo früher die Designerwanne frei im Raum stand, macht sich ein gläsener Eßtisch umringt von zehn weißledernen Chromfreischwingern lang, anstatt des opulenten Doppelwaschtisches findet er eine breite, schwarze Schleiflackanrichte für die Audio- und TV-Technik vor, die ehemalige Glasdusche hat sich mit mehreren Glasböden in eine beleuchtete Vitrine mit Ferrarimodellen, Grappaphiolen und anderem Schnickschnack darin verwandelt, anstelle der kleinen Dampfsaunakabine brummt ein Weinschrank mit Glasfront leise vor sich hin, der Eckwhirlpool ist einer puristischen Sofalandschaft gewichen und statt Toilette und Bidet prunkt der obligatorische Eames Lounge Chair mit passendem Hocker. An den Wänden hängen wenige minimalistische Litographien. Wenn der besagte Mann belesen wäre, liefe er Gefahr, verrückt zu werden. Wie konnte es so weit kommen? Langsam erinnert er sich.

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Obige, verstörende Geschichte spielt sich in der Zukunft ab. Ihren Anfang nimmt sie heute nach der Lektüre der FAZ. Irgendein vermögendes, bücher- und kulturlos lebendes Pärchen sitzt im karg möblierten Penthouse, und er – wie schon so oft – träumt den Traum von einer schönen Sauna, wie man sie auch gestern wieder bei Freunden neidisch bestaunen durfte. Er grummelt verärgert, man habe aber leider dafür keinen Platz im Bad, und versucht sich wenig erfolgreich damit zu beschwichtigen, daß man es doch auch so ganz schön und komfortabel habe. Da fällt sein Blick auf Seite T2 des „Technik und Motor“-Teiles und er beginnt zu frohlocken. „Schwitzen im Wandschrank“ lautet die Überschrift und unter dem Artikel ist ein zu dreivierteln verglaster Edelholzschrank im Wohnambiente abgebildet. Begierig liest er den Bericht, für den zwar eine Monika Schramm verantwortlich zeichnet, der aber mutmaßlich überwiegend aus den Werbeunterlagen der Firma Klafs abgeschrieben wurde. Da gab es wohl viel Champagner, edle Häppchen und nette Giveaways bei der Präsentation der neuen Sauna S1!? Jedenfalls hat es die nahezu komplette Lähmung der journalistischen Ehre bewirkt, so daß es gerade für die Überschrift gereicht hat und danach als eigener Satz noch „Den versammelten Zuschauern entlockte das ein staunendes „Aa-aahhh““ folgt. Nicht unter Drogen stehende Schreiberlinge hätten doch mit großer Sicherheit schallend gelacht und danach irgendetwas Witziges oder Kritisches statt Werbung zu Papier gebracht!?

Die tolle, führende Schwitzkastenbude Klafs hat in dreijähriger Entwicklungszeit – hört, hört, es war also Zeit genug, das Projekt als schwachsinnig zu erkennen und zu stoppen – dieses sensationelle Produkt S1 entworfen; in drei Längen und Holzvarianten erhältlich ist der schrankähnliche Körper im Normalzustand 2,11 Meter hoch und nur 60 Zentimeter tief und läßt sich bei Bedarf zur Nutzung auf 1.6 Meter ausfahren. Der Kasten ist nur als Sauna zu gebrauchen, was man auch durch die Glasfront unschwer erkennt; wer es nicht sehen will, kann – für ein Wohnzimmer mit Schlafraumambiente auch ein großartiger Einfall – verspiegelte Scheiben ordern. Die Idee ist, daß der moderne Städter keinen Keller und kein ausreichend großes Badezimmer besitzt und deshalb nicht nur geneigt, sondern begierig ist, endlich den unbändigen Saunawunsch im Wohnraum verwirklichen zu können.

Vielleicht wäre es für die FAZ eine amüsante Idee, demnächst in loser Folge uns die reichen urbanen Idioten vorzustellen, die sich diesen kostspieligen Apparat tatsächlich zulegen und damit ihren „living room“ verschandeln.

Man sieht Mutti schon mit dem Feudel wedeln, wenn er nach dem ersten Vitrinensaunagang, bei dem sie krampfhaft zum Fernseher geschaut hat, um ihren nackten Mann nicht lächerlich im Schrank liegen und schwitzen sehen zu müssen, heraustritt und seinen Schweiß fröhlich auf das Edelholzparkett oder den Seidenteppich rinnen läßt. Auch seine Idee mit den Schüsseln mit kaltem und warmem Wasser vor dem Sofa für die Fußbäder findet ihre Zustimmung nicht. Und wenn er sich das erste Mal in die neben der Sauna platzierte Hydrokultur erleichtert, wird spätestens der Punkt erreicht sein, an dem ihr der Geduldsfaden reißt. Da die teure Edel-Bretterbude aber nirgendwo anders Platz finden kann und nicht zum Steakreifeschrank umgebaut werden soll und dafür auch zu groß ist, wird sich das Paar der normativen Kraft des Faktischen ergeben und nach und nach ihr Wohnzimmer zum Bad umbauen, eine Toilette, eine Schwalldusche mit Wasserschlauch installieren, den Boden kacheln und abwaschbare Ruheliegen statt des schwarzen Ledersofas aufstellen. Der verlorengegangene Wohn- Eßraum wird dann sukzessive in das zwar kleinere aber glücklicherweise trotzdem großzügig bemessene – man hat es ja – Badezimmer verlegt werden. Und so schließt sich der Bogen zur einleitenden Geschichte!

Da mutier‘ ich doch fast lieber zum Käfer.

Gute Nacht!

Ihr/Euer Wolf

 

 

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