Deutschland kommt mit seinen Flüchtlingen und dem braunen Mob nicht zur Ruhe. Auch wenn in Baden-Würtemberg wieder ein Asylbewerberheim gebrannt hat – Brandstiftung nicht ausgeschlossen – und – Gipfel des Hasses und Ausdruck eines Totalverlustes an Grundeigenschaften eines zivilisierten Menschen und einer Verrohung, die nicht einmal im Tierreich eine Entsprechung fände, also nur unmenschlich ist – zwei polizeibekannte, besoffene Rechtsradikale in Berlin auf die Kinder einer Migrantin uriniert haben, kommt der Freistaat Sachsen nicht nur nicht aus den Schlagzeilen, sondern macht weiter in extrem unrühmlicher Weise mit den Vorfällen in Heidenau auf sich aufmerksam. Was auch immer die Politik jetzt anfallartig tut, sie hat viel zu lange geschwiegen und wenig bis nichts dagegen unternommen und hinkt somit meilenweit hinterher. So hat gerade der in den Ruhestand gegangene, seit der Wende amtiert habende Oberbürgermeister – ein Lionsfreund von mir, dem ich unterstellen kann, diesbezüglich immer das Beste gewollt zu haben – der Großen Kreisstadt Limbach-Oberfrohna, wo ich fünfzehn Jahre lang gelebt und gearbeitet habe, zugegeben, daß er es im nachhinein als Fehler ansieht, gegen den Rechtsradikalismus nicht früher härter vorgegangen zu sein. Ein Eingeständnis, das zwar eine verpaßte Chance bedeutet, mir aber gleichwohl Respekt abringt und ein richtiges Signal setzt! Die mit Heidenau vergleichbaren Vorfälle in Rostock-Lichtenhagen jähren sich nämlich gerade zum dreiundzwanzigsten Male. Und was wurde seither getan?
Wegen der auffälligen sächsischen Häufung findet man immer mehr Artikel, die sich an der Antwort auf die Frage „Warum gerade Sachsen?“ versuchen. Bei allem, was ich diesbezüglich bisher gelesen habe, kann ich mich des Eindruckes – genauer habe ich bis jetzt nicht eruiert – nicht erwehren, daß der jeweilige Autor zwar zum Teil gute Beobachtungen wiedergibt und richtige Schlüsse daraus zieht, es aber an einer fundierten Insider-Kenntnis des Landes und seiner Bürger fehlt, so daß sie entweder zu kurz springen oder sogar am Thema vorbeigehen. Schon vielfach(s. Kolumnen v. 07.04., 13.04., 08.07., 12.08. 2015) habe ich diesbezüglich meine Analysen und Ansichten geäußert.
Jetzt bekomme ich mit, daß am Gymnasium obig benannter Stadt, für die Lehrerschaft zu Schulbeginn erstmalig ein Projekttag zum Thema „Rechtsextremistische Erscheinungen im Schulalltag“ abgehalten wurde. Recht so! In der Schule liegt der Schlüssel. Gegen rechtsradikale bzw. linke oder rechte nationalkonservative Haltungen im Elternhaus kann der Staat wenig bis gar nichts unternehmen. Aber an den Schulen kann und muß den Kindern das Rüstzeug vermittelt werden, daß Immunität gegen Hass und Extremismus verschafft. Natürlich gilt das gleichermaßen für alle anderen Institutionen, die mit Kindern umgehen.
Meine 22-jährige Tochter, die selbst Grundschullehramt studiert, habe ich gefragt, was sie diesbezüglich lernt und an was sie sich im Vergleich dazu diesen Themenbereich betreffend aus ihrer eigenen sächsischen Schulzeit – auf das sächsische Schulsystem lasse ich ansonsten nichts kommen – erinnern kann. Da klaffen nahezu Welten! An den Universitäten in Bayern – nur da habe ich Einblick – lernen zukünftige Lehrer für Sachkunde, wie sie ab der ersten Klasse zu Werten und Demokratie erziehen und den Komplex „Die Welt bei uns und wir in der Welt“ und Europa vermitteln. Am Gymnasium wird das Themenfeld dann in Gemeinschaftskunde vertieft. Bei meiner Tochter wurde hier und da auch darüber gesprochen, selbst aber im Gymnasium sind ihr dazu keine ganzen Stunden erinnerlich. Da liegt der Hase im Pfeffer. Als meine Tochter eingeschult wurde, lag Rostock schon sieben Jahre zurück. Solange darf es nicht dauern, bis die Kultusminister und die Schulen reagieren. Die Kinder brauchen das entsprechende Wissen als Verteidigungswaffen gegen die Anfeindungen und Verlockungen aus der Gesellschaft. Ansonsten läuft man Gefahr, die Labilen und Gefährdeten einer Generation ungeschützt an die Radikalen zu verlieren. Nun kann ich nicht beurteilen, ob in Bezug auf diesen Bereich gravierende Unterschiede in den Ausbildungen der einzelnen Bundesländer bestanden. Faktum ist aber, daß kein Bundesland existiert, das mit diesem Problem bei jungen Menschen nicht zu kämpfen hat, so daß der Schluß erlaubt sein dürfte, daß es überall Versäumnisse gab.
Nun hilft es nicht, die Vergangenheit zu beklagen, aber lernen sollte man aus ihr. Wer jetzt nichts ändert und – schlimmer noch – an der Bildung spart oder sogar kürzt, versündigt sich nicht nur an den Kindern, sondern gefährdet massiv den positiven Grundkonsens in unserer Gesellschaft. Spätestens nach Heidenau heißt es also, sofort zu reagieren. Glück auf!
Gute Nacht!
Ihr/Euer Wolf