wolfsgeheul.eu vom 29.03.2017

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Wer schon einmal ein Haus gebaut hat, weiß, daß die kleinste Einheit für Kostensteigerungen gefühlt bei 1.000 Euro liegt. Will man auf den klassischen Bauhaustürdrücker und die edle Badarmatur nicht verzichten, muß man lernen, in dieser Kategorie zu denken. Natürlich sind die Möglichkeiten unbegrenzt und preislich nach oben komplett offen.

Offensichtlich wird das zum Beispiel bei der Firma Grohe. In doppelseitigen Anzeigen bewirbt sie eine Brausemaschine namens „Aquasymphonie“ und preist deren Erwerb als die Schaffung „Ihrer persönlichen Wellness-Oase“.

Nur diese Formulierung ließ mich zunächst aufhorchen, da ich zur Zeit kein potentieller Bauherr sein will. Wellness, dieses Unwort des Jahrtausends! Daß man durchaus versuchen sollte, es sich im Leben gutgehen zu lassen, beanstande ich nicht, aber dieser Drang zur Lustüberhöhung und zum permanenten Wohlfühlen ist mir fremd. Ob man es will oder nicht, das Leben hat sehr viele, vielleicht sogar überwiegend gewöhnliche Seiten. Das muß auch nicht schlecht sein, verhilft es doch den besonderen (Genuß-)Momenten zu ihrer herausragenden Wahrnehmung und zu bleibender wohliger Erinnerung. Eine Maximierung solcher Ereignisse addiert sich in der Wirkung nicht, sondern auch hier geht, wie überall, der Grenznutzen gegen Null. Wenn ich also Wellness jeden Tag in der eigenen Hütte habe, kann mich Vergleichbares außerhalb nicht mehr beeindrucken. Zuviel davon im Alltag ist demnach kontraproduktiv, ja geradezu lustfeindlich.

Natürlich steht es jedem frei, sich in diesen Sog hineinzubegeben, er sollte aber wissen, daß das Stillen des ständigen Verlangens nach mehr nicht nur harte Arbeit und kostspielig ist, sondern auch Enttäuschungen vorprogrammiert und irreversible Abstumpfungen erzeugen kann. Es besteht damit sogar im schlimmsten Falle die Gefahr, daß man auf dieser Himmelsstürmerleiter dauerhaft unzufriedener wird als ohne die teuer erkauften dauerhaften Glücksschübe.

Neben dem Wohlfühlaspekt hat mich dann aber doch die Neugierde getrieben. Was kann denn der angepriesene Duschapparat alles? Die Liste ist wahrlich beeindruckend. Sie geht vom äußeren Regen- und Lichtvorhang über verschiedene Strahlvariationen, den XL-Wasserfall, die Nebeldüsen bis zur großflächigen Regenzone. Und Musik spielt die Kiste wohl auch noch. Klasse! Es läßt sich nicht abstreiten, daß jeder Duschfanatiker das Angebot einer Brausesymphonie bestimmt nicht ablehnen würde. Aber zu Hause? Und beim Googeln ist mir zufällig auch der Preis untergekommen. Über 20.000 Euro! Für eine Brause! Das verschiebt die mir bisher bekannten Kostenkategorien in astronomische Höhen. Es sei allerdings selbstredend jedem gegönnt.

Mich bestärkt es aber, das zweifelhafte Bauerlebnis eher nicht zu wiederholen. Valentin sagt so herrlich lapidar: „Warum soll ich auch noch bauen!?“. Das wird nämlich mit ziemlicher Sicherheit beim zweiten Male genausowenig schöner, womit es sich nicht von Wellness im Da capo unterscheidet!

Gute Nacht!

Ihr/Euer Wolf

 

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wolfsgeheul.eu vom 27.06.2016

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Gestern habe ich nach einem Golfturnier im Clubhaus vor Barbecue und Siegerehrung das Achtelfinalspiel der Deutschen in Form des Rudelguckens angeschaut. Die Augen waren zwar überwiegend zum Fernseher gerichtet und die Tore wurden beklatscht, aber insgesamt hatte ich nicht den Eindruck, hier einem einmaligen und spannenden Ereignis beizuwohnen, das die Zuschauer vollkommen in seinen Bann zog. Dies wurde insbesondere deutlich, als nach dem Spiel alle stante pede sich abwendeten und anderen Dingen zuwandten. Obwohl man bereits während des Spieles geredet und gelacht hatte, ohne daß sich irgend jemand daran gestört hätte, schien ein jeder fast froh zu sein, daß es vorbei war und man nun ungestört sich dem Gespräch, Trinken und Essen widmen konnte.

Das ganze war keinesfalls unsympathisch, hat mich aber zum Nachdenken gebracht. Meine Erinnerung ging zurück zum WM-Finale 1966 gegen England, das ich – obwohl mein Gedächtnis für Vergangenes nicht das beste ist, weiß ich es noch – bei meiner Großmutter mit Eltern, Tante und Onkel gesehen habe. Welch‘ gespannte Stille, welch‘ Aufgeregtheit, welche Emotionen! Und dann das legendäre Wembley-Tor, bei dem ein Pantoffel meines Oheims versehentlich und zum Glück folgenlos vor die Mattscheibe flog, weil er sich vor Entsetzen auf dem Sofa zurückgeworfen und dabei partiell die Kontrolle über sein Hausschuhwerk verloren hatte! Das war ein einmaliges Ereignis.

An dieser Besonderheit fehlt es bedauerlicherweise heute. Gegen die Vielzahl von Höhepunkten ähnlicher Art stumpft halt auch der Begeistertste irgendwann ab. Der Betriebswirt weiß, daß der Grenznutzen gegen Null geht. Das Phänomen der Übersättigung ist allerorten spür- und greifbar.

Schade, daß unseren Kindern solche Momente nicht mehr beschert und ihre Erinnerungen durch die Massierung von Spitzen verwässert werden. Es ist höchste Zeit für Mäßigung.

Gute Nacht!

Ihr/Euer Wolf

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