wolfsgeheul.eu vom 10.05.2017

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Piraten fahren heute Audi.

Schon grundsätzlich bewege ich mich mit sehr wachen Augen durch die Welt, so daß mir Dinge auffallen, die andere, die sich allein auf das Wesentliche konzentrieren, schlicht gar nicht wahrnehmen. Aber aus meinen fünfzehn Sachsen-Jahren resultiert zusätzlich eine erhöhte Aufmerksamkeit für Autoaufkleber – und aufschriften, weil über sie häufig Gesinnungen, insbesondere der rechtsextremen Sorte, transportiert werden. Oft kombiniert mit verfänglichen Zahlen- oder Buchstabencodes, die auch gerne die Nummernschilder verunzieren, wie „18“ – die Ziffern bezeichnen die laufende Nummer im Alphabet – für „Adolf Hitler“ bzw. „88“ für „Heil Hitler“ oder „ACAB“ für „All cops are bastards“ lassen sie tief blicken. Einfacher ist es beim Ritterkreuz oder Schwarz-Weiß-Rot-Fahnen. Ein erstes Anzeichen kann schon die verwendete Type sein, so daß Frakturschrift per se verdächtig ist. Schaut man in derartig gekennzeichnete Autos, deutet meistens der erste Anschein der Insassen – Glatze, tumbe und aufgedunsene Fresse, Bierbauch, Tattoos, Bomberjacke, blondes und leicht schlampiges Dummchen etc. – darauf hin, daß man mit seiner Vermutung bzw. Einschätzung wahrscheinlich richtig liegt. Es gibt aber auch schwierigere Rätsel mit ganz anderen, oft überraschenden Lösungen.

So sehe ich seit Wochen in meinem Quartier einen alten A3 herumfahren und parkieren, der eigentlich nur die typische Langeweile eines Ingolstädters versprüht, trüge er nicht in großen Lettern „Storm Seeker“ auf der Heckscheibe. Klingt merkwürdig und läßt durchaus unschöne Interpretationen zu! Heute habe ich nun zufällig dessen Fahrer entsteigen sehen. Ein kleines, zierliches, leicht gebeugtes, jüngeres Männchen mit rotgelockter, langer Mähne und von oben bis unten schwarz gewandet, wobei der lange Mantel besonders auffiel. Von Leipzig kenne ich noch die Gothic-Szene, an die mich sein Outfit als erstes erinnerte. Neonazilike jedenfalls sah er überhaupt nicht aus. Dann googelte ich endlich einmal „Storm Seeker“. Das ist demnach der Name einer jungen, deutschen sogenannten „Pirate-Folk-Metal“-Band – was es alles gibt! -, in der unter anderen ein Cello und eine Drehleier gespielt werden und die übrigens eine zwar überwiegend laute, aber recht ansprechende Musik mit romantisierenden Freibeutertexten kombiniert spielt. Aha! Der junge Mann kleidet sich also ganz im Stile der Räuber der Meere.

Es ist schon erstaunlich wie tief manche Menschen in die Welt ihrer Idole eintauchen und sie auf ihren Alltag einwirken lassen. Aber das macht unsere Umgebung doch bunt, so daß es hier gar keinen sonstigen Kommentares bedarf. Außerdem ist er wenigstens kein Rechter, sondern nur ein nostalgischer Straftäter im Geiste! Ahoi!

Gute Nacht!

Ihr/Euer Wolf

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