wolfsgeheul.eu vom 17.11.2015

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Auf meine „Erektions-Kolumne“ vom 08.10.2015 gibt es Veranlassung, einmal zurückzukommen, da die dort thematisierte Pillenwerbung offenbar weitreichendere Folgen zeitigt.

In der letzten Ausgabe des leider überwiegend witzlos gewordenen, sporadisch erscheinenden Magazins der FAZ fällt eine doppelseitige Anzeige für Armbanduhren der Firma Chanel ins Auge!

Rechts bildfüllend der schwarzgoldene Glitzerwecker der Edel-Mode-Firma, der so häßlich und überflüssig wie ein Kropf ist! Frauen würden doch auch niemals ihre Dessous oder Kleider von Rolex kaufen, oder!? Wahrscheinlich liege ich jedoch inzwischen falsch. Der Trend zur Produkterweiterung bekannter Labels scheint nämlich unaufhaltsam und wurde ebenfalls hier schon kommentiert.

Sei es drum! Auf die linke Seite kommt es an. Da sitzt eine hübsche junge Frau in einem Roadster, steuert lässig mit einer Hand, während sie sich mit der anderen selbstbewußt und dezent aufreizend ins leicht wehende Haar greift. Jetzt kann man einmal sehen, was eine homöopathische Pillendreherbude mit einer leichtfertigen Werbung für ihre pflanzliche Aufrichtungshilfe so alles anzurichten vermag!

Die Amazone fährt nämlich nicht nur, sondern sie sitzt auch noch allein im Auto. Außerdem handelt es sich – es ist nur die obere Mitte des Wagens zu sehen – bei dem Roadster mit ziemlicher Sicherheit um eine Shelby Cobra, Baujahr ca. 64, ein Männerauto schlechthin. Außer von Elly Beinhorn oder Michelle Mouton kaum von Frauenhand beherrschbar!

Das ist eine radikale Steigerung zur fröhlichen Edel-Mutti, die ihren graumelierten Ehemann mit Potenzproblemen im offenen Triumph chauffiert. Noch vor gar nicht so langer Zeit hätte genau dieses Senioren-Männermodel neben der jungen Chanel-Dame gesessen, und sie durch den Wind gefahren. Seine sexuelle Vitalität hätte außer Frage gestanden, und als alter Gönner wäre er auch der edle Spender des diamantenblitzenden Goldührchens gewesen, als kleiner Dank dafür, daß der jugendliche Blickfang bereit ist, an seiner Seite zu glänzen.

Heute fährt die junge Frau selbst und kauft sich die begehrte Pretiose vom eigenen Geld, um dann einsam, aber geschmückt im Männer-Roadster abzurauschen.

Nun wird man der Werbung nicht unterstellen können, daß sie maßgeblich neue Rollenbilder kreiert. Vielmehr reagiert sie auf aktuelle Strömungen, im Glauben, sie müsse, um die Kunden zu erreichen, die veränderte Wirklichkeit abbilden. Da sie aber jeden noch so kleinen Trend sehr früh aufgreift, trägt sie eine prägende Mitverantwortung an gesellschaftlichen Veränderungen.

Wieder und wieder muß man traurig feststellen: Kein Wunder also, daß immer weniger Kinder geboren werden.

Und, liebes Potenzkräuterhexenunternehmen, der von euch gesetzte Trend wird langfristig nicht euer Freund sein und die Produktion ankurbeln, denn wo soll der grauhaarige Alters-Beau mit seinem revitalisierten Vermögen hin, wenn ihm die jungen Dinger in ihren röhrenden Roadstern davonfahren, während die Menopausen-Gattin wahrscheinlich in seinem TR 6 ebenfalls alleine ein Ründchen dreht.

Und noch etwas zum Abschluß, Chanel! Der Haupttext der Anzeige lautet „L’INSTANT CHANEL“, für die deutsche Version um das klein darunter gesetzte „DER CHANEL MOMENT“ ergänzt.

Was soll das denn!? Glaubt ihr wirklich, daß die potentielle Käuferin eurer Frisösenuhr sonst denkt, es handele sich um ein Instantprodukt, vielleicht sogar weil Band und Gehäuse tatsächlich aus schwarzer Hightech-Keramik bestehen? Eine köstliche Vorstellung übrigens, daß die Uhr als Bausatz geliefert wird, bei dem man feines schwarzes Pulver zunächst mit heißem Wasser übergießen muß, um es Uhr werden zu lassen. Euer Model vermittelt jedoch weder den Eindruck, nicht des Französischen mächtig zu sein, noch wird man einer teure alte Autos fahrenden, mutmaßlich gebildeten und erfolgreichen Frau unterstellen können, sie kenne sich mit modernen Materialien nicht aus. Die Kunst hätte also im Weglassen bestanden, denn die, die der Übersetzung bedürfen, können sich euer Produkt meist ohnehin nicht leisten oder würden es trotzdem haben wollen.

Pour l’instant, maggi, pardon, magie, non, merci!

Gute Nacht und vielleicht zum besseren Schlaf vorher noch ein Instant-Süppchen von Chanel – bestimmt im gutsortierten Feinkosthandel erhältlich- heiß machen!?

Ihr/Euer Wolf

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wolfsgeheul.eu vom 16.11.2015

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Als wären die Terrorakte und die vielen zu beklagenden, unschuldigen Opfer nicht schon schlimm genug, sind die diversen Folgeerscheinungen eine weitere Seite der Katastrophe.

Insbesondere ist da der postwendende Militärschlag Frankreichs gegen den IS zu nennen. So war mein gestriges Statement, wir stünden fest an der Seite des gebeutelten Frankreich, nicht gemeint. Unabhängig von der grundsätzlichen Frage, ob das die richtige Antwort, geschweige denn die zielführende Taktik der nächsten Zeit ist, kann eine solch blindwütige Aktion eines zivilisierten und kultivierten Landes nicht für gut befunden werden. Die Franzosen schaden sich damit selbst, machen sie sich doch nur zusätzlich weiter als Anschlagsziel attraktiv. Bevor nicht alle – und ich meine wirklich alle – maßgeblichen Staaten einschließlich aller Anrainer des IS, also auch der Glaubensbrüder im weiteren Sinne, eine Allianz schmieden und gemeinschaftlich die Vernichtung des IS beschließen und  in einem konzertierten „Weltkrieg“ in die Tat umsetzen, machen Einzelmaßnahmen keinen Sinn und beseitigen insbesondere das Problem nicht, sondern heizen den Haß des IS und seinen Feldzug gegen die freiheitliche Welt nur noch an. Damit erhöht der französische Staat gleichzeitig das Bedrohungspotential auch auf den Territorien seiner Verbündeten. Deshalb müßten sich diese Alleingänge unter unierten  Freunden verbieten. Attentätern, die ihren eigenen Tod in Kauf nehmen und provozieren, kann man meist nicht mehr den Prozeß machen, womit eine direkte Genugtuung mit den Mitteln des Rechtsstaates überwiegend leer läuft. Warum aber – wir haben doch angeblich so tolle Geheimdienste – gelingt es uns stattdessen nicht, unterstützt durch die Aussetzung millionenschwerer Kopfgelder, die Hintermänner lebend zu fangen und bei uns vor ein ordentliches Gericht zu stellen? Unnachgiebigkeit und Besonnenheit sollten sich in einem Land der Aufklärung nicht nur nicht ausschließen, sondern beispielgebend ergänzen.

Traurig ist auch, wie größere Teile der Presse und zunehmend der Politik reagieren. Wenn sogar unserer Bundespräsident leichtfertig von Krieg spricht, stellt das eine herbe Enttäuschung dar. Einen kühlen Kopf bewahren zwar zum Beispiel der Spiegel und die Zeit, die ach so seriöse FAZ schwingt aber die Weltkriegskeule. Feige Schreiberlinge, die riskieren, andere in den Tod zu schicken, um aus sicherer Entfernung als Beobachter ihr Mütchen zu kühlen! Wer auf der einen Seite die Werte des christlichen Abendlandes beschwört, sollte nicht auf der anderen Seite seine Forderungen allein auf die archaischen Regeln des Alten Testamentes gründen.

Die entsetzlichste Folge scheint also zu sein, daß das Kollektiv mehr und mehr die Contenance verliert. Einen schöneren Erfolg kann sich der IS gar nicht wünschen. Das ist genau die Form von Destabilisierung, die er bezweckt. Eine demaskierte freie Welt, die, nur weil man sie ein „bißchen“ geärgert hat, dem Barbaren in sich wieder das Feld überläßt. Wenn wir uns nicht schnellstens auf unsere elaborierten Tugenden besinnen, scheitert unser kultiviertes Lebensmodell.

Und zu allem Überfluß stellen wir postwendend jede Kurzweil und Ablenkung bietende Unterhaltung ein. Daß zum Beispiel die ohnehin fragwürdige Heute-Show am vergangenen Freitag abgesetzt wurde, mag man da noch verschmerzen, aber daß die neue Dittsche-Staffel verschoben worden ist, stellt das völlig falsche Signal und eine sogar kontraproduktive Maßnahme dar. Diesen Fehler haben wir 1991 schon einmal ähnlich gemacht, als wir wegen des Irakkrieges den Rosenmontagszug haben ausfallen lassen. Gerade in schwierigen Zeiten braucht es genauso intelligente wie Zerstreuung und Ablenkung bietende Unterhaltung, um das Aufkommen von lähmender Schwermut und Vergeltung fordernder Aggressivität zu verhindern. Und ein Volk, das nicht mehr befreit lacht, ist nicht mehr frei und vor allem verwundbar. Charlie Hebdo hat damals keine Sekunde gezögert, sein Werk fortzuführen.

Die Zeiten bleiben äußerst besorgniserregend. Zeigen wir der Welt unsere Stärke durch Gelassenheit und gerne auch mit einem lachenden Gesicht.

Gute Nacht!

Ihr/Euer Wolf

P. S.: Als kleinen Anfang hätte ich da noch einen Lacher! Im Zusammenhang mit meiner gestrigen Kolumne ist mir zur Kenntnis gelangt, daß es hierzulande schon problematisch geworden ist, von „Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit“ zu sprechen. Genderneutral heißt das deshalb jetzt wohl zum Beispiel im SPD-Grundsatzprogramm „Freiheit, Gerechtigkeit, Solidarität“! Da hat uns Frankreich noch etwas voraus.

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