wolfsgeheul.eu vom 01.07.2018

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Die Zeit läßt sich bekanntlich nicht anhalten und erst recht nicht zurückdrehen. Deshalb sollte man in vielen Lebenssituationen auch vorsichtig sein, übermutgetrieben enthusiastisch und blind nach Wiederholung oder Zugabe zu rufen.

Am vergangenen Freitag hat das Deutschlandradio Kultur ein Konzert live übertragen, das das Deutsche Symphonie-Orchester Berlin gegeben hat. Nach einem Teil aus Smetanas Zyklus „Mein Vaterland“ stand ein Violinenkonzert – Nr. 2 g-moll op. 63 – von Prokofjew auf dem Programm, welches gerade im Schlußsatz ein besonderes Ohr für die moderne Klassik vom Zuhörer verlangt. Der tadellosen Solistin, Baiba Skride, wurde lange genug Beifall zuteil, so daß sie sich zu einem Extra veranlaßt sah. Sie spielte die Elegie für Violine(ursprünglich Viola) solo von Strawinsky, ein todtrauriges, im Exil komponiertes, durchgehend mit Dämpfer – bei der Viola eigentlich durchaus willkommen, aber hier war es eine Geige – gespieltes Stück, welches nicht nur den geschulten Zuhörer braucht, sondern auch dessen Leidensfähigkeit erfordert, wenn es halbwegs gefallen soll. Was allerdings erwartet man sich auch von einer Musik, die für Bratsche geschrieben wurde!?

Da ich als Besucher des Konzertes sicherlich gleichermaßen solange mitgeklatscht hätte, bis sich die Solistin zu einer Zugabe bemüßigt fühlt, gibt mir das Ereignis gerade am Tage meines 58ten Geburtstages jedoch zu denken. Selbst wenn sich für die meisten im Publikum wahrscheinlich ein Da capo-Ruf – der an sich ebenfalls Tücken aufweist, wenn man weiß, daß Aufgewärmtes abgesehen vom Sonderfall des Eintopfes selten bis nie gleichermaßen mundet – verbot, weil man etwas Netteres zu hören erhoffte, war es im vorliegenden Falle offensichtlich recht leichtfertig, die Wundertüte „Zugabe“ herauszufordern. Denn dann kann es wie erlebt geschehen, daß man schmerzenden Gehöres dasitzt und sich ohrfeigt, daß man so blöd sein konnte, eine weitere Probe der Solistenkunst zu erzwingen. Sich jedoch in die Hände eines Künstlers zu begeben, birgt eben die gleichen Risiken wie bei jedem anderen Menschen auch.

Vielleicht sollte man im Leben deshalb sowohl kein Gratisextra als auch kein Nochmal ersehnen, geschweige denn herausfordern und mit Macht durchdrücken, sondern einfach demütig auf ein Weiter hoffen und sich überraschen lassen, um die Vielfalt der Möglichkeiten nicht im geringsten einzuschränken.

Wenn man allerdings Pech hat, hört man morgen trotzdem eine Strawinsky-Elegie. Dann heißt es: Ohren zu und durch! Hauptsache es endet nicht. Es kommen vielleicht auch wieder bessere Tage.

Gute Nacht!

Ihr/Euer Wolf

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wolfsgeheul.eu vom 10.08.2019

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Alles Schlechte kommt aus Amerika, und wir sind so blöd, es trotzdem mit Zeitverzögerung nachzumachen.

Von den unzähligen Segnungen, die uns unstreitig von dort erreicht haben und fürderhin erreichen, einmal abgesehen, ist die Eingangsthese leider sehr häufig mehr als richtig. Aber manchmal täten wir gut daran, genauer auf die USA zu schauen. Nämlich dann, wenn die Amerikaner Fehler einsehen und – in diesen Fällen meist viel schneller als wir – sich von ihnen lösen, sie revidieren! Das zügig nachzuvollziehen wäre dann nicht dumm, sondern ausgenommen klug.

Mag der Grund – nämlich der Online-Handel – auch noch so traurig und beklagenswert, aber letztlich unstreitig unaufhaltsam sein, die Malls, die Einkaufspassagen- und -paläste sind wahrscheinlich von einigen Ausnahmen abgesehen todgeweiht. Ihnen werde ich keine Träne nachweinen. Dieses Uniforme semper idem bin ich schon lange leid. Jedes Aufsuchen eines Händlers in freier (Ladenzeilen)-Lage im individuellen urbanen Umfeld war und ist tausendmal attraktiver als der Besuch dieser klimatisierten unnatürlichen Shopansammlungen unter einem Dach.

Jetzt muß der sonstige städtische Handel neben der Meisterung anderer Herausforderungen, die der Versandtrend mit sich bringt, nur noch seine einmalige Chance, die in diesem Alleinstellungsmerkmal liegt, erkennen. Eine sicherlich schwierige Aufgabe in unserem häufig dienstleistungsfernen Umfeld in Deutschland!

Friede den Händlerhütten, Krieg den Konsumpalästen!

Gute Nacht!

Ihr/Euer Wolf

P. S.: Quelle der zugrundeliegenden Meldung mit beindruckenden Photos: http://www.businessinsider.de/einkaufszentren-in-den-usa-schliessen-wegen-onlinehandel-galerie-1-2017-8#/#auch-shopping-malls-sind-bedroht-1

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