Anstatt wie geplant bis Aschermittwoch zu pausieren, lasse ich mich doch tatsächlich überreden, zwischen den Jahren wieder vertretungsweise einzuspringen! Schön blöd, aber auf der anderen Seite fehlte mir auch was.
So ist es mir zum wiederholten Male ein Bedürfnis, eine Lanze für die meist verkannte Stadt Frankfurt am Main zu brechen. Erstmalig weilte ich an Heiligabend dort. Zugegebenermaßen rein zufällig schlenderten wir gegen vier Uhr durch die fast menschenleere City mit dem Ziel, an den Main zu gehen. Die frühlingshaften Temperaturen machten es schwer, weihnachtliche Atmosphäre aufzuspüren. Ein Espresso im Straßencafé bei eintretender Dämmerung war fast grotesk aber auch besinnlich. In Richtung Paulskirche füllten sich plötzlich die Straßen, und wir hatten zunächst keine Erklärung dafür. War gerade ein Gottesdienst zu Ende gegangen? Ein Blick ins mobile Internet gab die Auflösung. Das „Große Stadtgeläut“! Seit mehr als fünfzig Jahren immer zu Ostern, Pfingsten und um 17 Uhr an Heiligabend! Neun Frankfurter Kirchen der Innenstadt und eine von der Sachsenhausener Seite lassen nacheinander einsetzend eine halbe Stunde ihr volles Geläut erschallen und zehntausende Menschen aller Couleur bevölkern den – hierfür wird in einem Gewaltakt extra der Weihnachtsmarkt komplett abgeräumt, nur der wunderschöne Weihnachtsbaum bleibt vor dem Rathaus stehen – Römerberg, den Platz um die Paulskirche, das Mainufer und den Eisernen Steg. Allesamt guter Laune mit mitgebrachtem Sekt oder gekauftem Glühwein in kleinen oder größeren Gruppen aus Familie und Freunden versammelt und genauso andächtig lauschend wie angeregt plauschend. Grandios! Die FAZ schrieb in der Ankündigung sinngemäß, daß sich nirgendwo der Frankfurter Bürgersinn besser und schöner zeige als bei dieser Tradition. Dem ist vollends beizupflichten. Und obendrein hat es erreicht, daß mit einem Male die frühlingshaften Temperaturen vergessen waren und Weihnachtsstimmung sich breitmachte. Besser hätte es kein noch so guter Gottesdienst vermocht. Das Große Stadtgeläut hat alle Menschen, die dort waren, verzaubert, unabhängig von ihrer Nationalität und Religion. Solche Veranstaltung braucht es in der heutigen Zeit. Etwas, das jedem Herzen zugänglich ist. So gelingt Integration, so hat Frieden eine Chance!
In der Rückschau war das Innenstadtereignis umso wichtiger, da der erstaunlich schwach besuchte evangelische Gottesdienst in Bockenheim, den wir um 23 Uhr noch besucht haben, leider alle Vorurteile und Vorbehalte, die man gegenüber der evangelischen Kirche haben kann, bedient hat. Aber wir waren in guter Stimmung, haben wenigstens noch kräftiger als gewohnt gesungen, um den schlechten Organisten zu übertönen, und uns recht gut amüsiert, ja teilweise herzlich in uns hineingelacht – in die Hose gemacht vor Lachen wäre zu despektierlich, aber wahrheitsgetreuer -, nach eigener Einschätzung, ohne über Gebühr negativ aufzufallen.
Das war ein schönes Weihnachtsfest. Danke Frankfurt!
Gute Nacht!
Ihr/Euer (Karnevals-)Wolf