wolfsgeheul.eu vom 26.05.2018

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Jedem sein Schweinchen!

Mit dieser aus einer leicht verkürzten, falschen Schreibweise bzw. Aussprache resultierenden Verballhornung von „suum cuique“ bin ich großgeworden. Bereits vor meinem Lateinunterricht war mir der altehrwürdige und in jeder Hinsicht positiv besetzte Sinnspruch aus der Antike also nicht nur bekannt, sondern gehörte zu meinem Sprachgebrauch. Das hat sich auch nicht geändert, als ich früh erfahren mußte, daß sich die Nazis in zynischster und sinnentstellender Weise dieser Sentenz bemächtigt und ihn in das schmiederne Eingangstor zum KZ Buchenwald – zu allem Überfluß obendrein in Bauhaus-Stilistik! – aufgenommen haben. Die ursprüngliche und die später angemaßte Verwendung haben nämlich außer des Wortlautes nichts miteinander gemein und zu Recht niemanden bewogen, die vielfachen Inschriften in Gerichtsgebäuden zu unterlassen oder gar zu verbieten.

Wer demnach heute „Jedem das Seine“ sagt, für den gilt bis zum Beweis des Gegenteiles die Unschuldsvermutung insoweit, als er nicht im nationalsozialistischen Fahrwasser schwadroniert, sondern sich im Gegenteil einer gehobenen, vielschichtig bedeutsamen Sprache bedient. Natürlich entlarvt sich dagegen ein blöder Neonazi sofort, wenn er sich über dem Steiß eine Buchenwald-Silhouette inklusive des Spruches(s. Kolumne vom 22.12.2018) tätowieren läßt. Der Mehrzahl der anderen jedoch dürfte bona fide sein, so daß keinerlei Notwendigkeit besteht, die Sentenz auf den Index zu setzen.

Anderer Ansicht ist natürlich unsere leider zunehmend mächtiger werdende, vermeintlich korrekte Fraktion. Und deshalb sieht sich die Firma Peek & Cloppenburg im Auge eines  orkanartigen Shitstorms, weil sie in einer Zeitungsbeilage auf einer Seite mit vielen dort abgebildeten Herrenhemden meinte, die Worte „Jedem das Seine“ augenzwinkernd, weil sinnverengend, kommentierend einfügen zu müssen. Die einhellige Verurteilung lautet, man habe einen „Nazispruch“ verwendet und sei „geschichtsvergessen“ und „geschmacklos“. Nichts davon trifft zu.

Laßt uns bitte unsere Sprache! Sie bleibt was sie war und ist, auch wenn sich immer wieder Menschen ihrer zum Zwecke ihres frevelhaften Tuns bemächtigt haben und es weiterhin tun werden. Ein Generalverdacht vergiftet unsere Kultur und beraubt uns der differenzierten sprachlichen Möglichkeiten. Wer aber nicht elaboriert spricht, der denkt auch nicht so.

Gute Nacht!

Ihr/Euer Wolf

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wolfsgeheul.eu vom 29.03.2017

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Wer schon einmal ein Haus gebaut hat, weiß, daß die kleinste Einheit für Kostensteigerungen gefühlt bei 1.000 Euro liegt. Will man auf den klassischen Bauhaustürdrücker und die edle Badarmatur nicht verzichten, muß man lernen, in dieser Kategorie zu denken. Natürlich sind die Möglichkeiten unbegrenzt und preislich nach oben komplett offen.

Offensichtlich wird das zum Beispiel bei der Firma Grohe. In doppelseitigen Anzeigen bewirbt sie eine Brausemaschine namens „Aquasymphonie“ und preist deren Erwerb als die Schaffung „Ihrer persönlichen Wellness-Oase“.

Nur diese Formulierung ließ mich zunächst aufhorchen, da ich zur Zeit kein potentieller Bauherr sein will. Wellness, dieses Unwort des Jahrtausends! Daß man durchaus versuchen sollte, es sich im Leben gutgehen zu lassen, beanstande ich nicht, aber dieser Drang zur Lustüberhöhung und zum permanenten Wohlfühlen ist mir fremd. Ob man es will oder nicht, das Leben hat sehr viele, vielleicht sogar überwiegend gewöhnliche Seiten. Das muß auch nicht schlecht sein, verhilft es doch den besonderen (Genuß-)Momenten zu ihrer herausragenden Wahrnehmung und zu bleibender wohliger Erinnerung. Eine Maximierung solcher Ereignisse addiert sich in der Wirkung nicht, sondern auch hier geht, wie überall, der Grenznutzen gegen Null. Wenn ich also Wellness jeden Tag in der eigenen Hütte habe, kann mich Vergleichbares außerhalb nicht mehr beeindrucken. Zuviel davon im Alltag ist demnach kontraproduktiv, ja geradezu lustfeindlich.

Natürlich steht es jedem frei, sich in diesen Sog hineinzubegeben, er sollte aber wissen, daß das Stillen des ständigen Verlangens nach mehr nicht nur harte Arbeit und kostspielig ist, sondern auch Enttäuschungen vorprogrammiert und irreversible Abstumpfungen erzeugen kann. Es besteht damit sogar im schlimmsten Falle die Gefahr, daß man auf dieser Himmelsstürmerleiter dauerhaft unzufriedener wird als ohne die teuer erkauften dauerhaften Glücksschübe.

Neben dem Wohlfühlaspekt hat mich dann aber doch die Neugierde getrieben. Was kann denn der angepriesene Duschapparat alles? Die Liste ist wahrlich beeindruckend. Sie geht vom äußeren Regen- und Lichtvorhang über verschiedene Strahlvariationen, den XL-Wasserfall, die Nebeldüsen bis zur großflächigen Regenzone. Und Musik spielt die Kiste wohl auch noch. Klasse! Es läßt sich nicht abstreiten, daß jeder Duschfanatiker das Angebot einer Brausesymphonie bestimmt nicht ablehnen würde. Aber zu Hause? Und beim Googeln ist mir zufällig auch der Preis untergekommen. Über 20.000 Euro! Für eine Brause! Das verschiebt die mir bisher bekannten Kostenkategorien in astronomische Höhen. Es sei allerdings selbstredend jedem gegönnt.

Mich bestärkt es aber, das zweifelhafte Bauerlebnis eher nicht zu wiederholen. Valentin sagt so herrlich lapidar: „Warum soll ich auch noch bauen!?“. Das wird nämlich mit ziemlicher Sicherheit beim zweiten Male genausowenig schöner, womit es sich nicht von Wellness im Da capo unterscheidet!

Gute Nacht!

Ihr/Euer Wolf

 

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