Wenn Sachsen so weiter macht, wird der Freistaat noch zum Sargnagel der schönen neuen großen Bundesrepublik.
Geradezu fassungslos – nicht zum ersten Male mache ich mir an dieser Stelle darüber Gedanken, weil ich immer noch zu meiner vorübergehenden, langjährigen Wahlheimat Sachsen halte – steht man vor der Tatsache, daß in keinem anderen Bundesland – leider muß aber gleichzeitig der guten Ordnung halber ausdrücklich festgehalten werden, daß peinlicherweise überall in Deutschland mehr oder minder schwere Fälle von Fremdenfeindlichkeit auftreten – so viele Ausländerfeinde zu existieren scheinen und mobilisiert werden können, wie im bisher quasi ausländerfreien und eigentlich wunderschönen Sachsen. Die Zahlen der letzten Tage: Wieder fast 10.000 bei Pegida in Dresden; 5.000 in Plauen; 1.000 in Schneeberg; hunderte in Chemnitz, in Cottbus, sogar in Limbach-Oberfrohna, obwohl hier noch gar keine Flüchtlinge angekommen sind, etc.! In Chemnitz versperren seit Tagen Chaoten in Springerstiefeln und Filzpantoffeln die Zufahrt zu einer Unterkunft für Asylbewerber; eine nahe Kirchgemeinde, die Flüchtlinge vorübergehend aufgenommen hat, wird mit Steinen beworfen, ein schlafendes Kind gar von einer berstenden Scheibe leicht verletzt.
„Die spinnen, die Sachsen!“, möchte man ausrufen.
Aber was ist mit dem grundsätzlich liebenswerten, schrulligen ostdeutschen Menschenschlag der besonderen Art mit dem köstlichen Dialekt geschehen? Welche Therapie kann da noch helfen? Vielleicht sollte der Sachse lieber wieder singen statt grölen! Der Ost-Kabarettist, Jürgen Hart, Mitbegründer der berühmten „academixer“ in Leipzig, hat 1979 ein Lied geschrieben, das geradezu eine Hymne für die Sachsen geworden ist. Den Text erlaube ich mir, für die gute Sache zitieren:
„Sing mei Sachse, sing
Der Sachse liebt das Reise sehr, nu dem lich das in‘ Knochen!
Drum fährt er gerne hin und her in sein‘ drei Urlaubswochen.
Bis nunder nach Bulgarchen, tut er de‘ Welt beschnarchen!
Und sin‘ die Koffer noch so schwer, und sin‘ zu voll die Zieche
und is‘ es Essen nich weit her, das kennt er zur Genieche.
Der Sachse tut nich‘ gnietchen, der Sachse singt e Liedchen:
Sing, mei Sachse, sing! Es is‘ e eichen Ding
und ooch e tichtches Glick um d’n Zauber der Musik:
Schon es kleenste Lied, das legt sich offs Gemied
und macht dich oochenblicklich ze’frieden, ruhig und glicklich!
Der Sachse liebt e satten Saund, und tun wo Geichen röhrn –
ob Opernhaus, ob Andergraund – echal, das muß er hör’n!
Und schluchzt der Geichenboochen, da kriecht er feichte Oochen!
Der Sachse schmilzt ähm leicht dahin auf des Gesanges Fliecheln,
doch eh‘ die Träne troppt vom Kinn, da weißer se zu ziecheln!
Der Sachse tut nich wein‘, der Sachse stimmt mit ein:
Sing, mei Sachse, sing! Es is‘ e eichen Ding
und ooch e tichtches Glick um d’n Zauber der Musik:
Schon es kleenste Lied, das legt sich offs Gemied
und macht dich oochenblicklich ze’frieden, ruhig und glicklich!
Der Sachse is der Welt bekannt als braver Erdenbercher,
und fährt er ringsum durch das Land, da macht er keenen Ärcher.
Da braucht er seine Ruhe und ausgelatschte Schuhe!
Doch kommt der Sachse nach Berlin, dort könn’se ihn nich‘ Leiden!
Da wolln’sen eene drüber ziehn, da wolln’se mit ihm streiten!
Und tut mern ooch verscheißern – sei‘ Liedchen singt er eisern:
Sing, mei Sachse, sing! Es is‘ e eichen Ding
und ooch e tichtches Glick um d’n Zauber der Musik:
Schon es kleenste Lied, das legt sich offs Gemied
und macht dich oochenblicklich ze’frieden, ruhig und glicklich!“
Glauben wir bis auf weiteres dem gutmütigen Gaukler, daß der Sachse ein „braver Erdenbercher“ ist, und hoffen wir, daß der Berliner nicht den richtigen Riecher hatte und immer schon den wahren Sachsen gesehen hat.
Und an alle ergeht die Aufforderung: Kümmert euch um Sachsen, reist – Anfänger-Sprachkurs s. o. – dort hin, zeigt ihnen, daß ihr sie ernst nehmt, aber geigt ihnen die Meinung und erklärt ihnen deutlich, daß sie sich zur Zeit außerhalb der Gesellschaft stellen. Und dann singen wir, denn gute Menschen singen bekanntlich keine Lieder, gerne alle gemeinsam: „Sing mei Sachse, sing“. Und du, Sachse, besinne dich schleunigst auf deine Tugenden und Qualitäten, willst du nicht zum Arsch der Nation werden! Oder gefällst du dir etwa in der Rolle? Das will ich nicht glauben.
Gute Nacht!
Ihr/Euer Wolf