wolfsgeheul.eu vom 10.06.2016

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„Der Islam gehört weg aus Deutschland!“.

Wenn man einmal von den Extremisten von NPD, Pegida und AfD absieht, sagt keiner offen diesen Satz, wenngleich wir alle ahnen, daß an Stammtischen jedweder Couleur in vertrauter, semiöffentlicher Runde in ähnlicher Richtung gelallt wird. Was aber in letzter Zeit nach meiner Beobachtung auffällt, ist die Zunahme subtilerer Versuche, die Andersgläubigen – so jedenfalls mein Eindruck – zu verteufeln und Ressentiments gegen sie zu schüren.

In meiner Leib- und Magen-Tageszeitung FAZ mehren sich Leserbriefe, die zum Beispiel die Grundsätze der AfD für richtig erklären und verteidigen. Nun stellt im Rahmen der Meinungsfreiheit und -vielfalt ein ausgewogener Abruck von Ansichten der Leser eine nicht nur nicht zu beanstandene, sondern grundsätzlich achtenswerte Vorgehensweise dar. Langsam denke ich aber, daß die Zeitungen vor Veröffentlichung zumindest den Versuch unternehmen sollten, weitestmöglich die Hintergründe des Autors zu beleuchten, um sicherer zu gehen, nicht zum U-Boot-Hafen von Meinungsmachern einer Szene zu verkommen, denen man eigentlich keine Stimme geben und keinen Platz einräumen möchte. Wohlgemerkt, mir fehlt leider die Zeit eines hauptberuflichen Journalisten, so daß ich keine tiefergehenden Recherchen anzustellen vermag. Aber oft meint man die Absicht zu spüren und ist verstimmt. Es ist beispielsweise diese verdächtige „Ich bin kein xxxxxxx, aber“-Argumentation, die so manches Mal stutzig macht.

Oder, wie heute, eine abstruse Herleitung von Gründen für die Ablehnung von etwas Fremdem! In der aktuellen FAZ findet sich der Leserbrief eines Werner Salzmann aus Trier – wahrscheinlich, mehr gibt das Netz nicht her, einem ehemaligen Notar -, der die „Vereinbarkeit“ der „religiösen Pflichten des Ramadans“ mit „unserer Lebensweise“ in Frage stellt. Ausgangspunkt ist die Regel, im Fastenmonat zwischen Sonnenaufgang und Sonnenuntergang, also rund 16 Stunden lang, auf Essen und Getränke verzichten zu müssen. Der Briefautor wurde nach eigener Aussage mit diesem Brauch auf einer touristischen Jordanienreise konfrontiert und berichtet, daß der einheimische Busfahrer angeblich während einer Tagesetappe weder etwas Festes noch etwas Flüssiges zu sich genommen habe. Die Gruppe sei „außer sich“ gewesen und habe „ernsthaft überlegt“, die Fahrt abzubrechen und – da kommt wohl der Jurist durch – den „Veranstalter in Regress“ zu nehmen. Die Conclusio des mutmaßlich im Ruhestand befindlichen Ex-Urkundenvorlesers lautet auf einen kurzen Nenner gebracht erwartbar, daß es unverantwortlich sei, Menschen in Deutschland im Straßenverkehr zu dulden, die tagsüber dehydriert seien.

Gauland-Niveau läßt grüßen! Da reist ein einfältiger Trierer idiotischerweise während des Fastenmonates nach Jordanien, obwohl das Netz voll ist mit Hinweisen und Warnungen ob der damit verbundenen Folgen und Einschränkungen, und wundert sich nicht nur, sondern echauffiert sich gar. Statt aber froh zu sein, trotzdem einen Busfahrer gefunden zu haben, der sie offenbar sicher durchs Land gefahren hat, versteigt er sich sogar zu aussichtslosen Regreßüberlegungen, denn landestypische Besonderheiten geben defitiv keinen Anlaß zur Begründung eines solchen. Außerdem verkennt er, daß das Fasten-Regelwerk durchaus Ausnahmen für zum Beispiel „Reisende“ zuläßt, eine Kategorie, unter die ein professioneller Fahrzeuglenker im Tourismusgeschäft auch fallen dürfte. Und dann läßt er sich zu der These hinreißen, daß Personen, die diesen Ritus pflegen, bei uns eine Gefahr im öffentlichen Verkehr darstellten. Ja, toll! Gibt es Erhebungen, die belegen, daß Muslime in der Zeit des Ramadan auffallend häufig an Unfällen beteiligt sind, die auf ihre vermeintliche körperliche Schwächung zurückzuführen wären? Mir ist keine bekannt! Und hat der hinterlistige Briefverfasser auch die Nichtmuslime im Blick, die das ganze Jahr über nicht fahrtüchtig, weil zum Beispiel unter Tabletten oder Drogen stehend oder nach dem Verzehr einer Schweinhaxe vollkommen träge und müde seiend, sich gefahrgeneigt im Verkehr bewegen? Letztlich drängt sich die Frage auf, ob Herr Salzmann eigentlich auch fastende Katholiken aus dem Straßenverkehr verbannen will.

Was soll also der Blödsinn? Nachtigall, ick hör‘ dir trapsen! Es ist schon erstaunlich, was sich der kleine Rassist von nebenan so alles einfallen läßt, um zu begründen, warum man bestimmte Menschen hier nicht haben will.

Und, liebe FAZ, so einen erkennbar tendenziösen, ideologischen Schwachsinn braucht man bei aller Toleranz gegenüber Andersdenkenden angesichts allein des juristischen Erstsemesterfehlers und erst recht der vermutlich vorsätzlichen Denkbeschränkungen nicht abzudrucken. Das macht sich bereits am Inhalt des Briefes mehr als deutlich, ohne daß man genauer nach dem Autor schaut. Wie kommt es dann trotzdem zur Veröffentlichung? Hat das eventuell dein Herr Kohler entschieden, zu dem so ein verschrobenes und fehlerbehaftetes(s. z. B. Kolumne vom 04.12.2015) Geschreibsel leider ebenfalls passen würde? Oder läßt du, verehrte FAZ, inzwischen in der Leserspalte gar die Meinungen auftreten, die du dich selbst (noch) nicht traust, redaktionell zu verantworten? Das will ich nicht glauben. Hoffentlich irre ich mich also. Aber solche Texte möchte ich bei dir nicht mehr lesen müssen.

Beenden wir doch die Diskussion mit folgender Feststellung: „Der Islam bleibt bis auf weiteres noch etwas fremd und gehört damit aktuell nicht unbedingt zu Deutschland, steht aber selbstverständlich unter unserem grundgesetzlichen Schutz der freien Religionsausübung, und seine Anhänger geniessen hierzulande ohne Wenn und Aber solange Gast- und Bürgerrechte, wie sie sich an die bei uns bestehenden Regeln halten.“ So geht friedliches Miteinander! Basta!

Gute Nacht!

Ihr/Euer Wolf

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wolfsgeheul.eu vom 09.06.2016

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Dulce et decorum est, pro patria mori.

In einer ansonsten recht ereignisarmen Zeit rauscht es im Blätterwald und man ergeht sich in wilden Spekulationen über die Möglich- und Wahrscheinlichkeiten, daß im Zuge der Fußball-EM Schreckliches geschehen kann. Da wird über die Sicherheit in den Stadien grundsätzlich und sogar über mögliche Drohnenangriffe auf sie lamentiert und selbst die Frage ventiliert, ob aufs Public-Viewing im Heimatland Angriffe denkbar und zu erwarten sind. Das ist wenig hilfreich, denn es verunsichert nur und enthält keine verläßliche Hilfestellung für bzw. Handlungsanweisung an Spieler und Zuschauer. Daß Massenveranstaltungen immer mit einem Restrisiko behaftet sind, weiß man auch so. Deshalb wäre es doch viel interessanter und wichtiger zu hören, daß und was alles getan wird, um die Spiele optimal zu schützen. Nur so könnte man zu einer abgewogenen Entscheidung gelangen, ob es verantwortbar ist, sich vom heimischen Sofa zu erheben und ins Getümmel zu stürzen. Wenn man zum Beispiel versichert würde, daß Militär, Polizei und Ordnungskräfte auf jeden erdenklichen Angriff vorbereitet sind und über eine nachvollziehbare und valide Anschlagsvermeidungsstrategie verfügen, dann könnte man seine Pläne daran ausrichten und beruhigt hinfahren. Davon aber liest man viel zu wenig, was jedoch nichts daran ändert, daß die Behörden umfassend gewarnt sind und es deshalb nicht unberechtigt ist, davon auszugehen, daß sie alles in ihrer Macht Stehende getan haben und tuen werden, um Schäden zu vermeiden. Dieses Grundvertrauen wird aber mit den wilden Mutmaßungen kaputtgeschrieben und zerstört. Wer sich also ab morgigem Freitag auf die Straße begiebt, kann dies eigentlich nur in dem Gefühl tun, sich einer nicht unbeträchtlichen Gefahr auszusetzen.

Sollte man die Spiele also lieber absagen? Nein, das wäre in meinen Augen fatal und ein Sieg für den Terrorismus. Vielmehr brauchen wir ein kollektives (Selbst- bzw. Gott-)Vertrauen, daß die Sicherheit gewährleistet werden wird. An der Erzeugung einer solchen gemeinschaftlichen Gelassenheit müssen jedoch alle mitarbeiten, die Presse, die nicht Angst schüren, sondern Sicherheit vermitteln sollte, die Behörden, die Offiziellen und die Spieler selbst.

Wenig hilfreich ist es dann allerdings, wenn Jérôme Boateng via Bild-Zeitung verkündet, er werde seine Familie nicht als Zuschauer mit ins Stadion nehmen, weil ihm das zu gefährlich erscheine. Was soll das! Mutiert der fußballspielende Ehemann und Vater hier zum Soldaten, der für sein Land in die möglicherweise tödliche Schlacht zieht? Und warum sagt er unter diesen, von ihm erkannt geglaubten Umständen seine Teilnahme nicht ab? Er ist doch ein freier und reicher Mann. Und die Nationalmannschaft tritt nicht an, um Deutschland gegen Angriffe von außen, sondern um die Ehre des Landes zu verteidigen. Es ist (nur) Sport! Säen sie also keine Zweifel, Herr Boateng. Ihre Familie braucht sie. Und wenn sie es tatsächlich für denkbar halten, daß das Publikum am und sie auf dem Spielfeld der Ehre fallen, sprich tödlich verwundet werden könnten, dann sollten sie lieber zu Hause bleiben. Es gibt Wichtigeres als den Fußball.

Ansonsten gilt: Auf eine schöne und friedliche EM!

Dulce et decorum est, pro patria vincere.

Gute Nacht!

Ihr/Euer Wolf

 

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