wolfsgeheul.eu vom 08.11.2015

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Damit niemand denkt und behaupten kann, ich stürzte mich gerne und zu häufig auf die negativen Seiten des Lebens, werde ich heute im wesentlichen nur zwei hoffnungsvolle Dinge ansprechen.

Zum ersten möchte ich meine vorgestrige Kolumne arrondieren und damit gleichzeitig meine Kolumbaeloge krönen. Genau dort – vielleicht kein Zufall – habe ich nämlich das genaue Gegenteil der von mir angeprangerten Mutter-Tochter-Paare erleben, ja genießen dürfen. Es war mir schon aufgefallen, die stolze, klassisch damenhafte, attraktive und gleichzeitig unprätentiöse Frau mit ihrem pubertierenden, genauso süßen wie launischen Backfisch. Beide eher klassisch gekleidet, aber eindeutig unterscheidbar und zusammen im Museum! Was will man mehr!? Und da jedenfalls in der Kolumba der liebe Gott Hausherr ist, führte er diese Frau und mich zueinander. Das war das erwähnte spontane und außergewöhnlich privatime Gespräch. Es gibt sie also, die Ausnahmen von der leider vorherrschenden Regel. Zum Glück! Menschen von Klasse sind auf diese Art und Weise heute viel leichter mit einem Blick identifizierbar. Ein Vorteil! Wie gerne aber hätte ich wieder die Aufgabe, in einer Masse altersgerecht gekleideter Menschen, die Spreu vom Weizen zu trennen. Es erfreute vor allem mein Auge.

Zum zweiten gilt es, nochmals ausdrücklich herauszustellen, daß meine fünfzehn Jahre in Sachsen glückliche und gute Jahre waren, was nichts daran ändert, daß ich besser als andere auch die negativen Seiten erlebt habe und bezeichnen kann. Und so können die vielen dort gewonnenen Freunde den Eindruck nicht beseitigen, daß das Kollektiv erstaunlich hinterwäldlerische Züge trägt und ihm ein gewisser Separatismus genauso eigen ist wie eine leicht dümmliche Arroganz.

Entsprechend ist es zum Teil unerträglich, die größte sächsische Tageszeitung, die „Freie Presse“, zu verfolgen, wie ich es in alter Verbundenheit bis heute tue. Als ich 1995 kam, ähnelte sie noch sehr dem vormaligen Organ der SED-Bezirksleitung des Bezirks Karl-Marx-Stadt, das, ein Treppenwitz, damals schon „Freie Presse“ hieß. Inzwischen hat sich das ausgeschlichen, der Eigentümer kommt aus dem Westen und die Altkommunisten sind halt zunehmend erkannt, entfernt und/oder im Ruhestand. Wie man aber jetzt mit der Tatsache und dem Problem umgeht, daß Sachsen von allen Bundesländern die unschönsten Schlagzeilen produziert, macht einen wütend. Nahezu jede Belanglosigkeit landet in der Rangfolge der Berichterstattung vor Pegida, AfD, Nazidemos und Brandanschlägen. Positiv darf man unterstellen, daß es den Journalisten peinlich ist und sie mit dieser Art der Vertuschung und Verharmlosung versuchen wollen, den Freistaat in einem besseren Licht erscheinen zu lassen und nicht zusätztlich Öl ins Feuer zu gießen. Diese Taktik geht aber augenscheinlich genausowenig auf wie das jahrzehntelange Kleinreden bzw. Ignonieren der rechtsextremistischen Umtriebe, was im übrigen das groteske Ergebnis zeitigt, daß der Widerstand nahezu ausschließlich an der Hand der Kommunisten liegt. Peinlich für die bürgerliche Mitte. Stattdessen müßte man in die Offensive gehen und die meinungsbildende Deutungshoheit an sich reißen. Vielleicht aber gibt es Licht am Ende des Tunnels!?

Jetzt also wie angekündigt zum in der Tendenz Positiven! Eine Jeanette Bucher aus Chemnitz erschien in besagtem Presseorgan mit folgendem Leserbrief:

„Mich beschleicht eine Ahnung: Den Menschen macht die Zahl von wahrscheinlich mehr als eine Millionen Flüchtlingen Sorgen. Wie soll man ihnen helfen können? Ich frage mich, ob es den Leuten in den alten Bundesländern schon mal so ging. Vor 25 Jahren, als wir DDR-Bürger nicht mehr so weiterleben wollten, wie bis dahin und demonstrierten, in Botschaften flohen und dann BRD-Bürger wurden. Muss es dem kleinen Mann im Westen nicht Angst gemacht haben, knapp 17 Millionen Menschen aufzunehmen? Aus einem Land mit maroder Wirtschaft und schlechter Infrastruktur? Ob das alle gut fanden? Oder gab es damals im Westen vielleicht patriotische Alemannen gegen die Aufnahme sozialistischer Deutscher? Mich interessierte damals wenig, was die Leute in den alten Ländern von der Vereinigung hielten. Wir hatten mit uns zu tun, hofften, unseren Job behalten zu können, ärgerten uns über Konzerne, die viele unserer Betriebe übernahmen und abwickelten. Das könne ich nicht vergleichen, meinte eine Freundin. Wir seien doch eine Nationalität, ein Kulturkreis gewesen. Waren wir das wirklich? Sind wir alle nicht 40 Jahre von sozialistischer Bildung und Lebensführung geprägt worden? Seit mich diese Ahnung beschleicht, bin ich froh, dass die Wessis das damals alles mitgetragen haben, und dankbar, dass wir jetzt so leben können, wie wir es tun.“

Leicht kryptisch – was ich aber auf leider im Osten nicht seltene Schwierigkeiten, sich klar auszudrücken, zurückführe – formuliert, aber – ich verzichte hier bewußt auf denkbare negative Interpretationsmöglichkeiten -mit gutem Willen ein durchweg positives Statement, welches man, das kann ich beurteilen, in dieser relativen Klarheit traurigerweise nicht allzu häufig vernimmt. Außerdem zeigt sich hier exemplarisch die Verwirrtheit und Zerissenheit, die die Wende zwangläufig mitbringen mußte und bis heute hinterlassen hat. Danke, liebe Frau Bucher, und überzeugen sie bitte ihre Landsleute, damit die sich und ihr Land nicht ins Abseits katapultieren.

Abschließend im Zusammenhang mit den erkennbaren Unterschieden in Auftritt und Ausdrucksvermögen noch ein DDR- oder Nachwende-Witz:

„Warum brauchte man im Westen neun Jahre bis zum Abitur im Gegensatz zu den lediglich acht Jahren im Osten? Weil in Westdeutschland noch ein Jahr Schauspielunterricht dabei war.“

Zwei Seiten einer Medaille!

Gute Nacht!

Ihr/Euer Wolf

 

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wolfsgeheul.eu vom 06.10.2015

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In NRW sind schon wieder Herbstferien, obwohl die Sommerferien gefühlt gerade erst vorbei sind. Auch wenn das nur für Eltern mit schulpflichtigen Kindern von Relevanz ist, bringt es mich zu Überlegungen im Zusammenhang mit Urlaub.

Mit zunehmendem Alter überdenke ich nämlich meine Einstellung zum Reisen. Dabei spielt mein aktueller Status als Single, genauer die Tatsache, daß ich keine Übung im Alleinreisen habe, eine eher untergeordnete Rolle. Vielmehr stellt sich mir die generelle Frage, ob und wann man tatsächlich urlaubsreif ist und was man wirklich noch sehen und erleben will oder muß.

Wenn ich von Urlaub spreche, meine ich in jedem Falle die aktive Variante entweder sportlich mit Skifahren, Wandern etc. oder das Erkunden ferner Lande, wobei beides nicht in Streß ausarten sollte. Das Verharren an einem Fleck ist meine Sache nicht, da fehlt mir der Unterschied zum Zuhause. Wenn, dann möchte ich also reisen, was der Wahrig mit „fremde Orte besuchen“ und „in der Welt umherfahren“ umschreibt. Dem Reisen ist demnach auch die permanente Bewegung immanent. Wer den Flieger zu einer ferne Hotelanlage besteigt, reist nicht, er macht lediglich Urlaub – Wahrig definiert diesen als „Erlaubnis, vom Dienst fernzubleiben“ – an einem anderen Ort.

Die Frage nach der Urlaubsreife stellt sich mir nur im Sinne einer Erholungsnotwendigkeit, was aber das durchaus auch manchmal beschwerliche Reisen schon hierfür ungeeignet zur Zweckerfüllung macht. So erklären sich vielleicht die frühen Familienurlaube an der See, die wahrlich – für mich zum Teil bis zur Langweiligkeit – erholsam und durchaus sinnvoll und zuweilen eventuell sogar notwendig waren, um der Familie ihren ausreichenden Raum zu geben. Wenn man aber betrachtet, wie viele Menschen regelmäßig während ihres Urlaubes im eigentlichen Sinne reisen, weiß man wie wenige der Urlauber entgegen ihrer häufig gegenteiligen Bekundungen tatsächlich erholungsbedürftig sind. Urlaubsreif ist demnach kein besonders beachtenswertes Kriterium.

Entscheidener ist also die Frage, was unbedingt noch sein soll. Wenn man das Glück hatte, in jüngeren Jahren – daß die Jugend reist und reisen soll, steht deshalb selbstredend nicht zur Diskussion – einiges von der Welt zu sehen, wird es mit der Postulierung objektiver Notwendigkeiten eng. Denn Wiederholungen sind selten mit dem Original vergleichbar. Strenggenommen fehlt mir persönlich daher außer einer Rundreise mit dem Roadster, den ich lange Zeit nicht hatte, durch Schottland nichts, wenn man von der Lust am Schwimmen im Meer, für deren Erfüllung ich jedenfalls noch hin und wieder reisen muß, und dem neu erwachsenen Wunsch, zum Beispiel einmal auf dem Golfplatz in Étretat eine Runde zu drehen, einmal absieht. Auch nach sportlichen Höchstleistungen drängt es mich nicht mehr. So mancher Gipfel wurde doch bestiegen, es gibt also genügend gute Erlebnisse und Erinnerungen, aber die Träume und Wünsche zum Beispiel einer Kilmandscharo-Bezwingung oder Mountainbike-Alpenüberquerung können gerne unerfüllt bleiben. Alles hat seine Zeit, und wenn die vorüber ist, sollte man nichts mehr zwingen. Man hatte die Chance und hat sie nicht genutzt. Basta! Nichts ist doch lächerlicher als die rasende Rentnergang, die immer noch Dinge tut, die manch‘ Jüngerer sich nicht zutrauen würde. Als wenn man alles – hier wirkt offenbar auch ein profanes Abhakdenken – in seinem kurzen Leben erleben könnte und müßte! Der Reichtum eines Daseins hängt definitiv nicht von der Summe seiner extraordinären Erlebnisse ab. Und die Welt verstehen(s. auch Kolumne vom 31.08.2015) die meisten davon auch nicht besser, geschweige denn, daß es allgemein oder sogar abschließend sinngebend wäre. Reisen – man denke nur an Kant – muß also nicht unbedingt sein.

Was bleibt dann noch? Ach ja, den Tapetenwechsel habe ich ganz vergessen. In den eigenen vier Wänden ist er meines Erachtens unsinnig und überflüssig; die schönsten Tapeten, sprich Dekore sind doch ohnehin Bilder, Bücher, etc. und die ändern sich normalerweise im Laufe des Lebens immer mal wieder. Also reden wir von fremden Tapeten, für die, will ich ihrer ansichtig werden, ich mein Heim verlassen muß. Das tut jeder beruflich und privat nahezu täglich. Nur für den Anblick wechselnder Wandbespannungen, brauche ich also ebenso nicht zu reisen. Denn in dieser Hinsicht stellt jeder Konzert-, Museums- oder Restaurantbesuch, jeder Gang in die Stadt, jede Visite bei Freunden, jede Stunde auf dem Golfplatz, jede Radtour und jede Wanderung für sich genommen einen Tapetenwechsel, nach allgemeiner Lesart demnach sogar schon so etwas wie Urlaub, also Erholung dar. Und letztere empfindet man tatsächlich häufig selbst bei kürzeren Aushäusigkeiten.

Jeder Abstand vom Alltag ist entsprechend schon ein kleiner Urlaub. Wenn man zusätzlich noch ein bißchen reist, dürften die diesbezüglichen Bedürfnisse ganz einfach und ausreichend erfüllt sein. Das Alter führt – zumindest bei mir und ohne daß ich das will oder besonders betreibe – interessanterweise zu Bescheidenheit fern jeder Frugalität und Endzeitstimmung. Richtig verstanden kann das Altern also durchaus beglückend und viel entspannter sein. In diesem Sinne

schöne Ferien und gute Nacht!

Ihr/Euer Wolf

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