wolfsgeheul.eu vom 08.07.2015

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Man fragt sich immer wieder und zunehmend, was in den Ostdeutschen politisch vorgeht und wo die Ursachen für ihr genauso berechenbares wie unberechenbares Verhalten liegen. Da wählt die traurigerweise zur Pegida-Hochburg verkommene Stadt Dresden einen FDP-Oberbürgermeister. Zur gleichen Zeit bringt der braune und engstirnige Mob mit Freital eine weitere sächsische Gemeinde in Verruf. Die Beteiligung ist bei allen Wahlen rekordverdächtig niedrig und jede noch so blöde Protestbewegung oder -partei bekommt sofort regen Zulauf. Die Altkommunisten erreichen bis heute hohe Ergebnisse. Die Politiker der bürgerlichen Parteien sind durch die Bank auffallend farblos und geradezu einfältig und kommen jetzt zumeist aus der Region. Das Volk ist überproportional apolitisch und regelrecht unwissend. Die freiheitliche Demokratie und der Rechtsstaat sind auch nach über 25 Jahren nicht als Wert und verteidigenswert in den Köpfen angekommen. Eine katastrophale Bilanz!

Wie schon in meinen Kolumnen vom 07. und 13. 04. 2015 zum Thema „Sachsen“ angesprochen, ist das „Tal der Ahnungslosen“ nur im regional begrenzten Raum als Erklärung heranzuziehen. Neben der allgemeinen Sattheit muß es noch andere Gründe für Ignoranz und Intoleranz geben.

Einen wesentlichen Einfluß hat meines Erachtens der öffentlich-rechtliche Rundfunk- und Fernsehbereich. Man sehe sich die größte Sendeanstalt, den MDR, den ich von 1995 bis 2010 als Wahlsachse beobachten konnte bzw. „genießen“ durfte und mußte, einmal genauer an. Bis heute hat man den Eindruck, daß hier die DDR weiterlebt und am Leben gehalten wird. Als Autofahrer ist der Test leicht. Wenn man keine Lust auf nur Hochtrabendes hat und deshalb DLF, DR und die reinen Infokanäle verschmäht, ist es mehrheitlich doch ein natürlicher Reflex, auf WDR 2, Bayern oder HR oder SWR 3 etc. zu schalten, weiß man sich dort doch genauso gut informiert wie bedudelt. Beim MDR steht für diese Kategorie „MDR JUMP“ und das in Thüringen, Sachsen-Anhalt und Sachsen. Hier wird man geduzt, bekommt im Deutschland der Frühaufsteher ab 14 Uhr einen schönen Feierabend gewünscht, und der Informationswert hält sich gelinde gesagt in Grenzen. Und im Fernsehen? Ostalgie und Provinz pur! Bis heute werden da uralte „Polizeirufe“ und sonstige DEFA-Filme, DDR-Unterhaltung wie „Ein Kessel Buntes“ und Spielfilme aus dem damaligen befreundeten kommunistischen Ausland gezeigt. Garniert wird es mit Sendungen wie „Unter uns“ – da ist der Name Programm – oder wunderbaren Reportagen wie „Der Osten – Entdecke wo du lebst / Hammer, Zirkel, Gartenglück – Der Schrebergarten in der DDR“ sowie ostalgischen „Stars“ wie Steimle und alten Staatskünstlergrößen wie Emmerlich. Ernstzunehmende Satire und gutes politisches Kabarett fehlen im Programm, obwohl mit dem 1. Chemnitzer Kabarett, den Academixern etc. solches existiert. DDR-Kritisches vermißt man nahezu vollständig. Offenbar wäre es undenkbar, so einen phantastischen Film wie „Barabara“ mit Nina Hoss und Ronald Zehrfeld in den großartig besetzten Hauptrollen oder Dokumentationen über die Stasi oder die Mauertoten zur Hauptsendezeit über den Äther zu schicken. Der Sender würde wohl mit Lügenpressevorwürfen bombadiert.

Unerträglich ist es, daß es nicht gleichwohl respektive gerade deshalb gemacht wird. Wenn man unterstellt, daß Printmedien nur einen geringen Anteil an der Volksbildung haben, weiß man doch jetzt, warum der Osten nur rückständig (geblieben) sein kann. Selbst wenn die Volksseele es aber verlangt, bleibt es doch Hauptauftrag der dritten Programme zu bilden und zu informieren. Wenn einem Volk nicht die Chance gegeben wird, schlauer und weltoffener zu werden, braucht man sich nicht zu wundern, wenn es in großen Teilen rückständig und rückwärtsgewandt bleibt. Der Staat ist der Hauptbrunnenvergifter und nicht die bösen kommerziellen Privaten.

Hierüber gilt es nachzudenken und dessen eingedenk muß man sogar hier und da Nachsicht üben, wenn man Ostdeutschland nicht versteht oder gar verteufelt. Sieht man dann noch, daß auch der Westen zunehmend verblödet, weiß man, daß es fünf vor zwölf ist. Darauf sollten die Verantwortlichen ein Auge haben und wir sie mit der Nase stupsen. Mir tut es weh, das jetzige Drama mit anschauen zu müssen, habe ich doch gerne und sehr lange das zum Glück wiedervereinigte Deutschland und in Sachsen, in dem zum Beispiel auch meine Kinder eine sehr gute schulische Ausbildung erfahren haben, gelebt.

Gute Nacht!

Ihr/Euer Wolf

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wolfsgeheul.eu vom 07.07.2015

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Die Verwandlung

Man stelle sich vor, ein Mann wacht morgens auf, (sieht keinen Rollstuhl neben seinem Bett,) erhebt sich mühsam, schlurft schlaftrunken Richtung Bad, öffnet die Tür und es trifft ihn fast der Schlag. Wo früher die Designerwanne frei im Raum stand, macht sich ein gläsener Eßtisch umringt von zehn weißledernen Chromfreischwingern lang, anstatt des opulenten Doppelwaschtisches findet er eine breite, schwarze Schleiflackanrichte für die Audio- und TV-Technik vor, die ehemalige Glasdusche hat sich mit mehreren Glasböden in eine beleuchtete Vitrine mit Ferrarimodellen, Grappaphiolen und anderem Schnickschnack darin verwandelt, anstelle der kleinen Dampfsaunakabine brummt ein Weinschrank mit Glasfront leise vor sich hin, der Eckwhirlpool ist einer puristischen Sofalandschaft gewichen und statt Toilette und Bidet prunkt der obligatorische Eames Lounge Chair mit passendem Hocker. An den Wänden hängen wenige minimalistische Litographien. Wenn der besagte Mann belesen wäre, liefe er Gefahr, verrückt zu werden. Wie konnte es so weit kommen? Langsam erinnert er sich.

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Obige, verstörende Geschichte spielt sich in der Zukunft ab. Ihren Anfang nimmt sie heute nach der Lektüre der FAZ. Irgendein vermögendes, bücher- und kulturlos lebendes Pärchen sitzt im karg möblierten Penthouse, und er – wie schon so oft – träumt den Traum von einer schönen Sauna, wie man sie auch gestern wieder bei Freunden neidisch bestaunen durfte. Er grummelt verärgert, man habe aber leider dafür keinen Platz im Bad, und versucht sich wenig erfolgreich damit zu beschwichtigen, daß man es doch auch so ganz schön und komfortabel habe. Da fällt sein Blick auf Seite T2 des „Technik und Motor“-Teiles und er beginnt zu frohlocken. „Schwitzen im Wandschrank“ lautet die Überschrift und unter dem Artikel ist ein zu dreivierteln verglaster Edelholzschrank im Wohnambiente abgebildet. Begierig liest er den Bericht, für den zwar eine Monika Schramm verantwortlich zeichnet, der aber mutmaßlich überwiegend aus den Werbeunterlagen der Firma Klafs abgeschrieben wurde. Da gab es wohl viel Champagner, edle Häppchen und nette Giveaways bei der Präsentation der neuen Sauna S1!? Jedenfalls hat es die nahezu komplette Lähmung der journalistischen Ehre bewirkt, so daß es gerade für die Überschrift gereicht hat und danach als eigener Satz noch „Den versammelten Zuschauern entlockte das ein staunendes „Aa-aahhh““ folgt. Nicht unter Drogen stehende Schreiberlinge hätten doch mit großer Sicherheit schallend gelacht und danach irgendetwas Witziges oder Kritisches statt Werbung zu Papier gebracht!?

Die tolle, führende Schwitzkastenbude Klafs hat in dreijähriger Entwicklungszeit – hört, hört, es war also Zeit genug, das Projekt als schwachsinnig zu erkennen und zu stoppen – dieses sensationelle Produkt S1 entworfen; in drei Längen und Holzvarianten erhältlich ist der schrankähnliche Körper im Normalzustand 2,11 Meter hoch und nur 60 Zentimeter tief und läßt sich bei Bedarf zur Nutzung auf 1.6 Meter ausfahren. Der Kasten ist nur als Sauna zu gebrauchen, was man auch durch die Glasfront unschwer erkennt; wer es nicht sehen will, kann – für ein Wohnzimmer mit Schlafraumambiente auch ein großartiger Einfall – verspiegelte Scheiben ordern. Die Idee ist, daß der moderne Städter keinen Keller und kein ausreichend großes Badezimmer besitzt und deshalb nicht nur geneigt, sondern begierig ist, endlich den unbändigen Saunawunsch im Wohnraum verwirklichen zu können.

Vielleicht wäre es für die FAZ eine amüsante Idee, demnächst in loser Folge uns die reichen urbanen Idioten vorzustellen, die sich diesen kostspieligen Apparat tatsächlich zulegen und damit ihren „living room“ verschandeln.

Man sieht Mutti schon mit dem Feudel wedeln, wenn er nach dem ersten Vitrinensaunagang, bei dem sie krampfhaft zum Fernseher geschaut hat, um ihren nackten Mann nicht lächerlich im Schrank liegen und schwitzen sehen zu müssen, heraustritt und seinen Schweiß fröhlich auf das Edelholzparkett oder den Seidenteppich rinnen läßt. Auch seine Idee mit den Schüsseln mit kaltem und warmem Wasser vor dem Sofa für die Fußbäder findet ihre Zustimmung nicht. Und wenn er sich das erste Mal in die neben der Sauna platzierte Hydrokultur erleichtert, wird spätestens der Punkt erreicht sein, an dem ihr der Geduldsfaden reißt. Da die teure Edel-Bretterbude aber nirgendwo anders Platz finden kann und nicht zum Steakreifeschrank umgebaut werden soll und dafür auch zu groß ist, wird sich das Paar der normativen Kraft des Faktischen ergeben und nach und nach ihr Wohnzimmer zum Bad umbauen, eine Toilette, eine Schwalldusche mit Wasserschlauch installieren, den Boden kacheln und abwaschbare Ruheliegen statt des schwarzen Ledersofas aufstellen. Der verlorengegangene Wohn- Eßraum wird dann sukzessive in das zwar kleinere aber glücklicherweise trotzdem großzügig bemessene – man hat es ja – Badezimmer verlegt werden. Und so schließt sich der Bogen zur einleitenden Geschichte!

Da mutier‘ ich doch fast lieber zum Käfer.

Gute Nacht!

Ihr/Euer Wolf

 

 

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