wolfsgeheul.eu vom 23.09.2016

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Drei beileibe nicht unterbeschäftigte Alphatiere sollen künstlerisch ein, nein, sogar das „Ensemble“ bilden können!? Und ein Vierter dieser Gattung soll der gastgebende Galerist der „Massemblage“ genannten Ausstellung sein!? Das hört sich eher nach Karambolage an. Das kann nicht gutgehen.

Doch, es kann! Es macht natürlich sehr viel Arbeit, gefühlt fast mehr als der jeweilige individuelle Teil des Schaffens des eigenen Beitrages. Vier ausgeprägte Charaktere unter einen Hut zu bringen, dazu bedarf es Gelassenheit und eines gehörigen Maßes an gegenseitiger Rücksichtnahme. Einige Treffen, unzählige E-Mails, Mißverständnisse und dutzende unbeantwortete oder ungeklärte Fragen weiter steht und hängt trotzdem alles, und die Besucher können kommen. Der Rest klärt sich beim Verputz. Und wir reden, lachen, speisen, trinken immer noch miteinander und necken uns obendrein bei nahezu jeder passenden Gelegenheit. Ein Spaß und gleichzeitig eine Herausforderung für Geist, Seele und Herz! Vielleicht sind wir nicht repräsentativ. Vielleicht liegt es an unser aller fortgeschritterem Alter. Vielleicht hatten wir auch nur Glück. Aber wenn es irgendwo gelingt, dann nach meinem Eindruck am ehesten unter Künstlern. Denn bei aller Ernsthaftigkeit haftet der Kunst doch etwas Leichtes – nicht Flüchtiges – an. Dem Spannenden, Geheimnisvollen und Schönen dienen und nachzuspüren ist zwar für die Macher Arbeit, aber auch, wie für die Konsumenten, ein Lebenselixier, jedoch nicht im Sinne des täglichen Brotes allein, sondern im Sinne auch des Sahnehäubchens auf dem Alltag, des schleckbaren Lohnes des außerhalb des Gewöhnlichen liegenden bzw., nüchtern gesprochen, nicht – außer für den Nur-Künstler – lebensnotwendigen  und vorallem unerwarteten, geschweige denn von irgendjemandem geforderten Werkes.

Goethe rät der Kunstwelt in „Wilhelm Meisters Wanderjahre“ zur Geselligkeit und eventuell sogar Gemeinsamkeit auch und gerade als Quell‘ der Inspiration:

»Zu erfinden, zu beschließen,
Bleibe, Künstler, oft allein;
Deines Wirkens zu genießen,
Eile freudig zum Verein!
Hier im Ganzen schau‘, erfahre
Deinen eignen Lebenslauf,
Und die Taten mancher Jahre
Gehn dir in dem Nachbar auf.

Der Gedanke, das Entwerfen,
Die Gestalten, ihr Bezug,
Eines wird das andre schärfen,
Und am Ende sei’s genug!
Wohl erfunden, klug ersonnen,
Schön gebildet, zart vollbracht –
So von jeher hat gewonnen
Künstler kunstreich seine Macht.

Wie Natur im Vielgebilde
Einen Gott nur offenbart,
So im weiten Kunstgefilde
Webt ein Sinn der ew’gen Art;
Dieses ist der Sinn der Wahrheit,
Der sich nur mit Schönem schmückt
Und getrost der höchsten Klarheit
Hellsten Tags entgegenblickt.

Wie beherzt in Reim und Prose
Redner, Dichter sich ergehn,
Soll des Lebens heitre Rose
Frisch auf Malertafel stehn,
Mit Geschwistern reich umgeben,
Mit des Herbstes Frucht umlegt,
Daß sie von geheimem Leben
Offenbaren Sinn erregt.

Tausendfach und schön entfließe
Form aus Formen deiner Hand,
Und im Menschenbild genieße,
Daß ein Gott sich hergewandt.
Welch ein Werkzeug ihr gebrauchet
Stellet euch als Brüder dar;
Und gesangweis flammt und rauchet
Opfersäule vom Altar.«

Das haben wir beherzigt und tatsächlich etwas Gemeinsames auf die Beine gestellt. Wir – so scheint es mir – sind alle letztlich tief zufrieden. Diese positive Erfahrung möchte ich nicht missen.

Jetzt müssen die Menschen nur noch zu uns streben, denn ohne Aufmerksamkeit und öffentliche Wirkung ist das Ganze – so ehrlich muß man unabhängig vom jeweiligen Eitelkeitsgrad sein – gelinde gesagt nicht vollkommen.

Und, liebe Besucher: Der Lohn des Künstlers ist der Applaus, denn nur in der Not schmeckt die Sahne auch ohne Brot! Es ist eben nicht alles Wurscht.

Gute Nacht!

Ihr/Euer Wolf

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wolfsgeheul.eu vom 22.09.2016

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Neue Erkenntnis: Die Kastanie ist ein Sinnbild der Freiheit.

Vor meinem Bureaufenster steht stolz ein prächtiges Exemplar dieser Gattung und seit rund zwei Wochen trommeln die edelglänzenden braunen Kugeln mit lautem Knall auf die darunter abgestellten Autos.

In Deutschland wird an allen Ecken und Enden (über)reguliert und mehr und mehr verboten, aber die Roßkastanie bleibt von Verwaltung und Justiz unbehelligt. Sie wächst in unermeßliche Höhen und wirft im Herbst fröhlich ihre schwere Fracht ab, ohne daß ihr irgendjemand an den Kragen oder besser Stamm könnte. Wenn sie auf menschliche Köpfe oder – fast noch schlimmer – auf die Dächer geliebter Automobile fallen und Beulen hinterlassen, ist das Schicksal und keiner kann dafür in Regreß genommen werden. Das gleiche gilt übrigens auch für Obst und Nüsse. Die Gerichte unterstellen ein überwiegendes Mitverschulden derer, die angesichts eines prall gefüllten Baumes darunter hergehen oder parken. Das mutet eingedenk der deutschen Vollkaskomentalität und der hohen Wahrscheinlichkeit, daß auch der Audi A4 eines der obersten Richter unseres Landes schon Opfer einer solchen Himmelsattacke geworden ist, fast schon wie ein Wunder an.

Etwas anders scheint aber genauso erstaunlich. Während nämlich die eßbaren Hinterlassenschaften unserer Flora in der heutigen Zeit meist verrotten, weil deren Kauf im Supermarkt unbeschwerlicher ist, als sich zu bücken, werden Kastanien von Alt und Jung – nahezu keiner geht achtlos vorbei – aufgelesen und mitgenommen, obwohl jeder weiß, daß ihre Schönheit schnell verblaßt und auch sonst deren Gebrauchswert gegen Null tendiert. Und so verschwinden sie in Manteltaschen oder landen auf Kommoden und werden oft erst weggeworfen bzw. ausgetauscht, wenn nach Jahresfrist frische Exemplare verfügbar sind.

Bisher habe ich – obwohl ich ihn selber pflege – diesen Brauch nicht recht verstanden. Aber vielleicht hat der Mensch tiefverwurzelt eine Idee von Freiheit, die er symbolisch verkörpert in der Kastanie sieht.

Wäre sie nicht braun, eignete sie sich fast als mahnendes Zeichen auf unserer Nationalflagge dafür, daß es nichts Wichtigeres für unser Gemeinwesen gibt, als größtmögliche Freiheit zu bewahren.

Gute Nacht!

Ihr/Euer Wolf

 

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