wolfsgeheul.eu vom 24.05.2016

4
1

„OTTO…..fand ich noch nie gut“!

Über eine ganze Seite berichtet die FAZ im Berufsteil der Samstagsausgabe vermeintlich journalistisch(Autor: Corinna Budras), in Wirklichkeit aber vollkommen kritiklos, was tief blicken läßt, fast ganzseitig über den Versender OTTO, der sich einen „Leiter Unternehmenskultur“ leistet. Seine Aufgabe besteht darin, die Mitarbeiter des Unternehmens in der Mittagspause zu bespaßen. Dafür wurde extra eine „Lounge 6“ genannte Veranstaltungsstätte geschaffen, in der dann zum Beispiel YouTube-Filmchen gezeigt werden und zur Mittagszeit eine Disco durchgeführt oder ein Poetry Slam abgehalten wird. Auch andere Arbeitgeber wetteifern offensichtlich kreativ um die Pausengestaltung, beispielsweise mit als „Luncheons“ bezeichneten Mittagessen, die mit Vorträgen garniert oder als Netzwerk-Events ausgestaltet werden.

Ja, ihr gleichgeschalteten Angestelltenlemminge, merkt ihr noch was!? Reicht es euch nicht, mit einer elektronischen Fußfessel – genannt Firmenhandy – und Betriebsfeiern sowie Abteilungs-Retreats vom eigenen, selbstbestimmten Leben abgehalten zu werden? Müßt ihr tatsächlich auch noch in der Mittagspause euch dem billigen Gehirnwäschegeriesel aussetzen, daß man euch gütigst bereitstellt? Wo bleibt da die anarchistische „Kantinenschauspielerei“ à la Harald Schmidt(s. Kolumne vom 05.04.2016)!?

Engagierte und loyale Mitarbeiter zu haben und zu pflegen, ist in Ordnung, ihnen jedoch sektenartig den Unternehmensgeist über das ganze Leben zu stülpen, stellt eine unredliche Vereinnahmung von Menschen dar, die einer Versklavung gleichkommt. Aber sind die Unternehmen dafür zu schelten? Vielleicht nicht, denn der freizeit- und eventorientierte Mitarbeiter neuen Schlages, der es einzig gewohnt ist, daß man etwas mit ihm unternimmt, verlangt doch geradezu danach. Und in einem Arbeitnehmermarkt könnten sich die Arbeitgeber so praktisch gezwungen sehen, in ihrem Werben um gute Arbeitskräfte alle Register zu ziehen. Nein, so viel Wohlwollen verdienen sie nicht. Vielmehr ist es wie immer eine Sauerei, denn letztlich waren Firmen noch nie Samariter. Es geht ihnen nämlich allein um den Profit, und der wohlanimierte Angestellte ist eben nicht so widerborstig und schaut nicht vornehmlich aufs Geld, wenn nur das Umfeld stimmt. Hier entlarvt sich auch das Heuchlerische am angeblichen Trend zum kritischen Mitarbeiter. Stattdessen sucht und findet man potentielle Guru-Anhänger, die alles mit sich machen lassen.

Wann traut sich wohl ein Unternehmen, einmal damit zu werben, daß bei ihm hart gearbeitet, dafür aber auch gut bezahlt wird und es für besondere Verdienste Kartengutscheine zum Beispiel für die Oper, das Symphoniekonzert oder Theater gibt? Ehrliche Arbeit ohne überflüssiges Chichi! Alles andere ist doch ohnehin eine Illusion. Und wann gibt es wieder eine intelligent aufsässige Jugendgeneration, die Herrn OTTO auf die Bühne scheißt, wenn er ihr mit primitiven Mätzchen die Mittagspause versauen will? Der Trend ist nämlich besorgniserregend. Denn wer heute bei OTTO begeistert die „Lounge 6“ besucht, jubelt morgen eventuell auch wieder kritiklos auf Parteitagsinszenierungen einem neuen Führer zu.

Gute Nacht!

Ihr/Euer Wolf

 

4
1

wolfsgeheul.eu vom 23.05.2016

1
0

Für den gewöhnlichen Mitteleuropäer – so mein Eindruck – ist Belgien eher ein Buch mit sieben Siegeln. Gäbe es nicht Brüssel und in letzter Zeit die beiden Atommeiler in Tihange und Doel, was wüßte man dann von diesem Land, außer daß es seine Autobahnen beleuchtet, manchmal ganz gut Fußball spielt, gerne Muscheln mit Pommes Frittes mit fetter Mayonnaise ißt und die schlechtesten Autofahrer hat? Selbst das Königshaus genießt nicht die gleiche Popularität, wie die anderer konstitutioneller Monarchien in Europa.

Wohnt man jedoch in Grenznähe, bekommt man manchmal Dinge mit, die einen überraschen. Wie neulich, als eine französische Lionsfreundin, die als Lehrerin mit ihrer Familie in Belgien lebt und arbeitet, von ihrer beruflichen Tätigkeit im Centre PMS(psycho-médical-social), einer Unterbehörde der FW-B(Féderation Wallonie-Bruxelles) auf einem Mitgliederabend unseres international besetzten Clubs berichtete. Was ist denn das? Jeweils ein Team dieses überregionalen Zentrums ist fester Bestandteil einer jeden Schule im Verwaltungsgebiet. Es besteht aus bis zu vier Personen, einem Psychologen, einem Sozialarbeiter, einem Paramedizischen Assistenten sowie anlaßbezogen einem Mediziner und ist den überwiegenden Teil der Woche vor Ort anwesend als Ansprechpartner für Schüler, Lehrer und Eltern in Problemfällen aller Art. Das Spektrum reicht von Lernschwierigkeiten und Hilfe bei der Bildungsorientierung über zwischenmenschliche Konflikte, Drogen bis zu sexuellen Übergriffen. Durch die ständige Präsenz und jederzeitige Erreichbarkeit werden aufkeimende Probleme direkt bei der Wurzel gepackt, betreut und einer Klärung zugeführt. Das Team agiert als eine Art Notfalltruppe – heute wohl Task-Force genannt – und organisiert und koordiniert die notwendigen Hilfsmaßnahmen, vermittelt Gespräche, Kontakte und gegebenenfalls Therapien. Auf diese Weise können sich aus dem Ruder laufende Prozesse gar nicht erst entwickeln, geschweige denn manifestieren. Das liegt im Interesse aller schulischen Beteiligten, sowohl der Betroffenen selbst als auch deren gesamtes Umfeld. Diese Einrichtung stellt auch keinen überflüssigen Luxus dar, nach dem Motto, dieses Feld sei doch Teil der Lehrertätigkeit. Selbst wenn gute Lehrkräfte vieles bereits selbst zu klären vermögen, irgendwann stoßen sie naturgemäß an Grenzen, weil ihnen Zeit, Kompetenz und als Beteiligter im sozialen Geschehen oft die notwendige Neutralität fehlen. Hier braucht es den Blick von außen durch nicht direkt betroffene Fachleute. Das System scheint also Vorbildcharakter zu besitzen.

Respekt! Ein hochverschuldetes Land wie Belgien, scheut weder Kosten noch Mühen, um die wichtigste Ressource eines Volkes, nämlich seine Kinder, bestmöglich zu betreuen. Da saßen wir verdutzt da in der Lionsrunde und keiner – nicht der Italiener, nicht der Iraner, nicht der Niederländer, nicht der Däne, nicht der Engländer, nicht der Amerikaner, nicht der Franzose, nicht der Deutsche- konnte in seinem Land auf eine ähnliche Institution verweisen. Peinlich!

Wie kann es in einer globalen, kompetitiven Welt sein, daß man sich die guten Dinge des Nachbarn nicht abschaut!? Jedes Land verdient einen genaueren Blick, offensichtlich auch und gerade Belgien. Lernen wir voneinander! Denn, wer an der Bildung spart, richtet nachhaltigen Schaden an!

Gute Nacht!

Ihr/Euer Wolf

P. S.: Dr. Alexander Van der Bellen ist Österreichs neuer Bundespräsident. Herzlichen Glückwunsch! Tu felix Austria celebra!

1
0