wolfsgeheul.eu vom 23.10.2015

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Neulich habe ich einen älteren Mann beobachtet, der nach dem umständlichen Parkieren seines betagten, ungepflegten Geländewagens, den sicherlich niemand auf die Idee käme zu stehlen, geschätzt mehr als zehnmal zurückgegangen ist, um zu überprüfen, ob der Wagen richtig abgesperrt war. Der Kölner sagt jetzt, der habe halt „ne Ratsch am Kappes“, also eine Meise, und sicherlich spricht vieles dafür, daß das gezeigte Maß an Kontrollmanie statt einer kleinen Macke eine ausgewachsene Verhaltenseigenheit pathologischer Ausprägung darstellt.

Zwangsverhaltensweisen haben aber sehr oft auch Züge eines Aberglaubens, der sich zum Beispiel in der besonderen und immer gleichen Anzahl von gleichen Handlungen manifestiert. Abergläubische Rituale sind dabei zumeist frei vom Verdacht, krankhaft zu sein, und im übrigen und/oder gerade deshalb besteht eine volle gesellschaftliche Akzeptanz, die obendrein aus der allgemeinen Verbreitung resultiert.

Was aber ist Aberglaube? Die These, daß der, der nicht glaubt, abergläubisch ist, wird nicht widerlegt, gleichwohl doch zumindest relativiert dadurch, daß jeder auch gläubige Menschen kennt, die ebenfalls auf Holz klopfen oder ähnliche Eigenheiten pflegen. Wahrscheinlich gehört dieses Phänomen aber lediglich unter das Motto, daß doppelt gemoppelt besser hält. Und in gewisser Weise ist es wahrlich eine Doppelgläubigkeit.

Deshalb wage ich trotzdem die Behauptung, daß, wer glaubt, nicht mehr abergläubig ist und sein muß, weil es des Aberglaubens nicht mehr bedarf. Gottvertrauen ersetzt die kultischen Handlungen, macht sie überflüssig. Das dreimalige Klopfen auf Holz ist damit nichts anderes als das Gebet eines Gottesgläubigen, in dem er sich Glück, Gesundheit, Erfolg etc. für sich und die seinen erbittet. Das bedeutet, daß Aberglaube nur eine andere Form des Glaubens, eine Übergangsform ist, quasi die Ersatzdroge, und daß die Menschen sich so oder so aus ihrer eigenen tatsächlichen wie intellektuellen Begrenztheit und Hilflosigkeit heraus an eine übergeordnete Macht wenden, an die sie glauben müssen, ansonsten es keinen Sinn ergäbe, sie anzurufen. Es sind nicht verirrte, sondern nur verwirrte Gottgläubige. Das gilt auf jeden Fall für bekennende Agnostiker, eventuell jedoch nicht für Atheisten, dies aber wohl nur dann, wenn letztere aus echter Überzeugung auch keine abergläubischen Rituale pflegen. Der abergläubige Atheist ist demnach insofern gar keiner, denn er leugnet zwar angeblich Gott, pflegt aber Umgang mit der Götze „Aberglaube“, was einander bei konsequenter atheistischer Einstellung ausschließen müßte.

Vorstehende Gedanken entspringen eigenem Erleben und eigener Erfahrung. Gottgläubig war ich bis vor knapp vier Jahren nicht, aber immer irgendwie abergläubig. Auf Holz habe ich geklopft, gewisse Zahlen hatten bei mir eine Bedeutung, unter Leitern bin ich möglichst nicht hindurchgegangen etc.. Auch beim Anblick einer schwarzen Katze hat es mich leicht durchzuckt, es kam mir allerdings beruhigend zugute, daß ich mir nie merken konnte, von wo nach wo sie schleichen müssen, damit es das eine oder andere bedeutet. Und meine Kinder sind auf Autofahrten und Wanderungen mit dem Gruß der Schafe zur Linken – lassen das Glück dir winken – bzw. einer abweisenden Geste zu Schafen zur Rechten – bringen alles zum Schlechten – aufgewachsen und vielleicht auch genervt worden. Darüberhinaus habe ich durchaus auch Kontrollrituale  beim Verlassen der Wohnung oder des Autos gepflegt, die den Charakter von Aberglauben besaßen, weil sie mir Sicherheit bzw. Schutz vermittelten und ein Unterlassen oder Vergessen ein leicht unangenehmes Gefühl verursachte.

Davon bin ich nun geheilt. Und zwar von dem Moment an, als ich mich zum Glauben bekannt habe. Das ist zwar nur ein Nebeneffekt, aber ein durchaus beachtlicher, beweist er doch, daß Gottesglaube sicherer und lockerer macht. Ich jedenfalls vermisse nicht nur nichts, sondern betrachte diesen vermeintlichen Nebeneffekt, der wahrscheinlich eine viel maßgeblichere Bedeutung hat, als merklichen Gewinn an Lebensqualität.

Und was bedeutet jetzt das Sichbekreuzigen vor einem Kruzifix? Na, es kann doch keinen Aberglauben im Glauben geben, oder!?

Gute Nacht!

Ihr/Euer Wolf

 

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wolfsgeheul.eu vom 22.10.2015

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Schon wieder so ein langweiliger Film, der nur das Alltägliche abbildet, gestern bei der ARD! „Ich will dich“ erzählt laut recht zufriedener – wen wundert es(s. Kolumne v. 11.10.2015) – Rezension in der gestrigen FAZ die Geschichte zweier Frauen, die eine verheiratet mit Kindern, die andere verlobt und schwanger, die zufällig Nachbarn werden und sich ineinander verlieben. Das Finden und Ausleben dieser lesbischen Beziehung mit allen Höhen und Tiefen prägen die Geschichte. Garniert wird diese mit kleinen Gags, wie dem Ehemann, der mit einer Untergebenen fremdgeht, und dem Sohn, der – welch ein Zufall – eine lesbische Freundin hat.

So etwas will doch keiner sehen. Jeder kennt lesbische Ehefrauen, die, wenn der Mann zu Arbeit geht, stante pede mit Nachbarinnen ins Bett steigen. Und daß Jungs heute mit nicht geringer Wahrscheinlichkeit auf lesbische Mädchen treffen, weiß doch auch jedes Kind. Der Mann ist im Rückzug begriffen und verliert zunehmend an Bedeutung. Waren solche Streifen vor zwanzig Jahren noch die sozialpolitische Waffe kampfbereiter Emanzen zur Durchsetzung der Gleichberechtigung, kann heutzutage fast jede biedere Hausfrau – Männer könnten es auch, werden aber nur noch selten gefragt – aus eigener Erfahrung solche Drehbücher schreiben.

Liebe ARD, hört auf, uns lediglich die gesellschaftliche Realität zu zeigen!

Deshalb hier als Vorschlag ein Kurzdrehbuch für einen wirklich außergewöhnlichen und interessanten Film mit dem Arbeitstitel „Der Traktor“:

Dr. Ingmar Kasulke ist 57 Jahre alt und in Bad Salzungen in Thüringen geboren. Da seine Eltern evangelisch waren, durfte er zunächst in der DDR nicht studieren und wurde zum „Facharbeiter für Landmaschinen“ ausgebildet. Bei einem Ernteeinsatz geriet er in das Mahlwerk eines Rübenhäckslers und verlor seinen linken Arm. Trotzdem bewarb er sich freiwillig für die Grenztruppen, wurde aber wegen mangelnder Treffsicherheit überraschenderweise nicht genommen. Stattdessen erhielt er den langersehnten Theologie-Studienplatz in Jena. Heute lebt und arbeitet er als Pfarrer in einer kleinen hessischen Gemeinde nahe der ehemaligen Grenze und leitet dort unter anderem eine Selbsthilfegruppe für Menschen, die erfüllten Geschlechtsverkehr nur auf einem Traktor, z. B. der Marke „Fortschritt ZT 300“, haben können, der immerhin 25 Männer und Frauen angehören. Seine dunkelhäutige Frau, Ingrid, geborene Rübsahm, entstammt einer Bauernfamilie und wurde in Angola geboren, als ihre Mutter dort einen Entwicklungshilfeeinsatz organisiert vom DDR-Landwirtschaftsministerium absolvierte. Ihren angolanischen Vater hat sie nie kennengelernt. Ingrid hat einen Klumpfuß, weshalb sie später eine Ausbildung zum Orthopädieschuhmachermeister anfing aber nie abschloß. Das Paar hat zwei Kinder, den schwer fehlsichtigen, arbeitslosen 27-jährigen Bernd, der noch zuhause lebt und als ausgebildeter KFZ-Schlosser seine Zeit hauptsächlich mit der Reparatur und Wartung des DDR-Traktors seines Vaters verbringt, auf dem er auch gezeugt wurde, und die erst 23-Jährige Tochter, Jana. Die ist ein Kuckuckskind und entstammt einer kurzen, leidenschaftlichen Beziehung ihrer Mutter mit dem Schwimmmeister  des örtlichen Freibades, der seit einem Mofaunfall ein verkürztes rechtes Bein hat und entsprechend hinkt; sie hatten sich im Internet-Forum „Orthopädische Schuhe gibt es auch bei Deichmann“ kennengelernt. Jana hat nach ihrem Bachelor-Abschluß in Ökotrophologie ein Tattoo-Studio in Gießen eröffnet und ist nur noch selten bei den Eltern. In diese Idylle bricht ein furchtbares Ereignis. Während des Geschlechtsaktes des Vaters mit der jungen, sehr häßlichen Sozialarbeiterin Ina, die er in der Selbsthilfegruppe kennengelernt hatte und die ihn an ein minderjähriges Schaf erinnerte, das er während seiner Ausbildung in der sächsischen „LPG-Dr.-Goerdeler“ sehr gemocht hatte, bricht durch eine Ungeschicklichkeit von Ina der Schalthebel des „ZT 300“ ab. Eigentlich eine Petitesse, aber ein nahezu nicht mehr zu erhaltendes Ersatzteil. In rasender Wut erwürgt Ingmar seine Geliebte. Die Kasulkes stehen plötzlich vor dem Nichts. Ingrid hält die Familie mit einem Job bei „Mister Minit“ in Bad Hersfeld über Wasser, der aber nicht viel einbringt, weil sie täglich mit dem Traktor dorthin fahren muß. Auf den Fahrten spürt sie, daß sie sich auf dem Bock wie ein Mann fühlt, und beschließt eine Geschlechtsumwandlung. Während der vorbereitenden psychologischen Beratung findet sie heraus, daß ihre Kinder schon seit Jahren in einer vermeintlich inzestiösen Beziehung leben, beschließt aber, daran nicht zu rühren und den wirklichen Vater Janas, der selbst auch nichts davon weiß, nicht zu offenbaren. Währenddessen faßt Ingmar in der Haft – er wurde nur zu drei Jahren verurteilt, weil der Richter als besessener Sammler von Lanz-Traktoren vollstes Verständnis für die Tat aufzubringen vermochte – den Entschluß, sich von seinen sexuellen Absonderlichkeiten vollkommen zu verabschieden und schlicht homosexuell zu werden, was im Knast keine blöde Idee ist, wenn man es auch ein wenig genießen will. Nach knapp zwei Jahren wird er wegen guter Führung kurz vor Weihnachten entlassen. Ingrid, die jetzt Horst ist, spürt die alte Liebe zu Ingmar, verzeiht ihm seinen Fehltritt und nimmt ihn wieder bei sich auf. Der Film endet Heiligabend mit einem Festtagsschmaus beider glücklicher Paare, denn die Kinder sind natürlich auch gekommen.

 

Trotz Happyends sind Fortsetzungen problemlos machbar. Zu denken ist an den Schwimmmeister, der im Tattoo-Studio erkennt, daß Jana seine Tochter ist, an Ingmar, der mit seinem Traktor den von ihm ins Leben gerufenen CSD-Umzug im kleinen hessischen Örtchen anführt, an Horst, der Schuster wird und sich auf Stiefel und SM-Kleidung spezialisiert, an Bernd, der einen Traktor erfindet, der mit Gülle angetrieben werden kann, und ein florierendes Unternehmen aufbaut und so weiter und so fort.

Mach was draus, ARD! Und, beeilt euch! In spätetens zwanzig Jahren wird das Alltag sein! Wider die Langeweile!

Gute Nacht!

Ihr/Euer Wolf

 

 

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