Die Deutschen waren einmal Reiseweltmeister und sind, auch wenn sie inzwischen wohl von den Chinesen abgelöst wurden, noch immer überdurchschnittlich unterwegs. Das gilt vor allem für die neuen Bundesbürger, die nach der Wende in Windeseile alles bereist haben, auch weil sie fälschlicherweise glaubten, sie holten damit im wesentlichen nur einen Rückstand gegenüber den Altbundesbürgern, denen ja im kapitalistischen Paradies die gebratenen Tauben nur so in den Mund geflogen sind, auf. Und was hat das außer Ehekrach, Sonnenbrand und Magenverstimmung eingebracht?
Von Oscar Wilde soll das Zitat stammen: „Reisen veredelt den Geist und räumt mit allen unseren Vorurteilen auf.“. Da ist dann wohl bei den Ostdeutschen etwas dramatisch schiefgelaufen. Wie ist das zu erklären?
Des Rätsels Lösung liegt auf der Hand, wenn man sich einmal genauer anschaut, was der moderne Mitteleuropäer, an dem sich die befreiten Deutschen natürlich orientiert haben, eigentlich unter Reisen versteht. Es überwiegt der Pauschaltourist, am liebsten all-inclusive in einer Ferienanlage. Also ab in den fliegenden Omnibus und irgendwohin! Die Qualität des Urlaubs bemißt sich nach dem Wetter, dem Essen und der Sauberkeit. Wenn man einmal vom Klima absieht, ist es eigentlich vollkommen irrelevant, wohin man reist, da selbst das anrainende Meer wenig bis gar keine Beachtung findet, wo man doch eine so schöne Poollandschaft zur Verfügung hat. Der beste Beweis ist das boomende Kreuzfahrtgeschäft, bei dem viele sogar auf Landausflüge verzichten; strenggenommen müßte das Schiff sich für einen Großteil der Passagiere wahrscheinlich noch nicht einmal bewegen, es reichte auch eine lebensnahe Meeresprojektion gewürzt mit Wellen- und Motorengeräuschen auf die Wände eines den Dampfer umgebenden Trockendockes. Damit ähnelt bis auf die pausierende Arbeit das Leben im Urlaub dem alltäglichen. Man bewegt sich zwischen Shopping-Mal, Erlebnisbad, Kino, Fitnessstudio, Musical und All-You-Can-Eat-Freßtempeln. Landestypisches Essen wird, wenn überhaupt, nur in abgemilderter, für Europäer verträglicher Form konsumiert und Einheimische begegnen dem Reisenden einzig als dienstbare Geister.
Tja, Herr Wilde, da haben sie wohl die Rechnung ohne den neuzeitlichen Wirt gemacht. Wer sein bestes Wiener Schnitzel im Robinson-Club in Mexiko gegessen hat, kommt kaum veredelt retour, geschweige denn als Vorurteilsgeläuteter. „Nett ist er ja der Grieche, aber das Arbeiten hat er nicht erfunden.“. „Die Schwarzen sind zwar fröhlich, aber den Dreck in den Ecken sehen die nicht.“. „Die Brasilianerin hat wohl einen süßen Po, aber nichts in der Birne.“. „In fernen Ländern wollen sie dich doch nur betrügen oder beklauen.“. Jo, da sind wir doch froh, wenn die Clubanlage von einem hohen Zaun umgeben ist.
Die positiven Effekte des Reisens sind also nahezu vollständig am Ostdeutschen vorübergegangen, und weil es fast alle so machen, ist ihm dafür noch nicht einmal wirklich die Schuld zu geben. Der Sichtkreis hat sich damit aber leider nicht oder nur unwesentlich erweitert. Und so bleiben dann auch die Vietnamesen, die jahrzehntelang als Gastarbeiter in der DDR geschuftet haben, dafür aber nicht integriert, sondern ghettoisiert wurden, bis heute im Sprachgebrauch Ostdeutschlands die „Fidschis“. Reisen bildet eben nicht immer.
„Edel sei der Mensch, hilfreich und gut,“! Von „veredeln“ hat Goethe nicht gesprochen. Na, liebe Landsleute, dann werdet erst einmal diesem Anspruch gerecht!
Gute Nacht!
Ihr/Euer Wolf
Das gesagte gilt aber auch für die Wessis