„Sterile Nacht, eilige Nacht“!
Meine geradezu legendäre Tol(l)eranz machte es mir leicht, mich am vergangenen Heiligen Abend einem Mehrheitsvotum unterzuordnen und einen evangelischen Gottesdienst zu besuchen. Außerdem singen die Protestanten doch die schöneren Lieder, oder!? Nachdem wir von zwölf bis drei Uhr so manches Kölsch auf dem Weihnachtsmarkt und in der Kultkneipe „em Höttche“ – beide rappelvoll von tiefenentspannten und gutgelaunten Menschen jeden Alters und aller Couleur – unsere Kehlen hinuntergespült hatten, waren wir leicht sediert, bester Stimmung und in freudiger Erwartung um achtzehn Uhr zur Christuskirche spaziert, die ebenfalls bis auf den letzten Platz gefüllt war.
Das Positive vorweg! Die erwartbar schlichte aber recht schöne Kirche war so warm und zugfrei, daß wir uns unserer Mäntel entledigen konnten.
Dann nahm jedoch mit Verlaub das Elend seinen Lauf. Ein weiblicher Geistlicher – in meinen Augen einer der größten Fehler bei den Reformierten -, eine Endfünfzigerin eröffnete die Messe, nachdem die Kantorei mehr schlecht als recht – meine kundige Tochter meinte später süffisant, die Sänger hätten auch ihre guten Momente gehabt – ein Eingangslied abgesungen hatte. Die ergraute Pfarrerin muß offenbar in grauer Vorzeit ihr Rhetorikseminar geschwänzt oder trotz bester Bemühungen ihrer Ausbilder mangels Begabung als vollkommen untalentiert verlassen haben. Jedenfalls betonte sie derart gekünstelt und überwiegend falsch, daß man als Zuhörer zwischen blankem Entsetzen und höchster Amüsiertheit – wir hätten uns auch beinahe vor lauter unterdrücktem Lachen in die Hose gemacht – schwankte. Wir hatten, das sei eingefügt, also trotzdem unseren Spaß. Am schlimmsten aber war es, daß auf diese Weise keinerlei authentische Emotion zu transportieren ist, so daß sich während des gesamten Gottesdienstes im muckeligen Kirchenraum eine furchtbare Kühle ausbreitete, die sich ebenfalls auf die eigentlich für ihre Leicht- und Lustigkeit bekannten rheinischen Schäfchen und deren Art des Mitmachens und -singens übertrug. Erschwerend kam hinzu, daß die Organistin mutmaßlich in der Bontempi-Phase stehengeglieben war und immer darauf wartete, daß die richtige Taste aufleuchtet. Ihre Einleitungen waren ein artifizielles Gestöpsel, das die nachfolgenden Lieder bis zur Unkenntlichkeit verzerrte. Die Krönung war dann aber eine belanglose, allerdings trotzdem lange Predigt, für deren Erstellung ein Studium der Theologie definitv nicht notwendig war, ja eher sogar hinderlich gewesen wäre. Erwartungsgemäß und pflichtschuldig wurden mehr oder minder wahllos Wörter wie Schlauchboot, Mittelmeer, Flüchtling, Fremdenhaß etc. eingestreut, um den Ausführungen vermeintlich den notwendig politik- und gesellschaftskritischen Hintergrund zu verleihen. Alles war oberflächlich, ohne theologischen Tiefgang, irgendwie gehetzt – die Tempi der Lieder waren überwiegend so gewählt, daß man denken konnte, daß Frau Pastor von einem anderen Termin getrieben war – und ließ auch deshalb die gewünschte Wärme und Freude vermissen. Da hätte ich mir – entgegen meiner sonstigen Ansicht – einmal den Einsatz von Laien gewünscht, die im Zweifel einen Lichtblick dargestellt hätten. Fast jeder noch so frömmelnde Presbyter hat mehr Pathos und Empathie als diese nichtssagende und kühle Pastorendarstellerin. Doch Frau Pfarrer machte – in diesem speziellen Falle unglücklicherweise – zu allem Überfluß auch noch alles alleine!
Insgesamt die schlechteste Messe – und davon habe ich viele bei beiden Konfessionen erlebt -, der ich jemals beigewohnt habe! Die wahrscheinlich einzige Niete in der Weihnachtslotterie!? Schade! Eine gute Heizung ist eben nicht alles. Glücklicherweise war der private Rest von Weihnachten ein voller Erfolg bei bester Laune.
„Oh du fröhliche“!
Gute Nacht!
Ihr/Euer Wolf