wolfsgeheul.eu vom 02.06.0216

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Zeige mir, wie du als Unwetteropfer reagierst, und ich sage dir, wie du tickst!

Wieder einmal gibt es dramatische Bilder aus Deutschland, und die von den sintflutartigen Regenfällen Betroffenen stehen fassungslos vor den Verwüstungen, die des Wassers Macht zu verursachen vermag. Und wie leider üblich geworden stürzen sich die Medien, insbesondere das Fernsehen, auf diese Ereignisse wie die Geier mit Sondersendungen und widerlichen Opferinterviews. Letztere sind entwürdigend sowie im übrigen vollkommen aussagelos und unnütz, also blanker Voyeurismus und eine Befriedigung der Sensationslust der Macher wie der Zuseher gleichermaßen, weil eigentlich jeder, der allein sieht, wie Häuser halb im Wasser stehen und ehemals kleine, friedliche Bäche als reißende Flüsse eine Spur der Verwüstung durch einen Ort ziehen, sich ohne weiteres Anschauungsmaterial vorstellen kann, welches Bild sich nach der Katastrophe bietet und welch‘ unglaubliche Arbeit auf die Menschen wartet, um den alten Zustand wiederherzustellen. Und daß dabei so manchen das heulende Elend überkommt, ist vollkommen normal und erwartbar, auch ohne daß man es mit Kameras und Mikrophonen einfängt und in die trockenen Wohnstuben der Nichtbetroffenen ausstrahlt. Diese intimen Momente der totalen körperlichen und geistigen Erschöpfung, der Verzweiflung gehören nicht auf den Schirm. Hier werden entweder Menschen mißbraucht oder aber – auch das ist möglich – solche gezeigt, die selbst in der eigenen Not noch ihrem Drang nach einer kleinen, kurzzeitigen Berühmtheit nachgeben. Letztere sind dann häufig nicht einmal die wirklich hart Getroffenen und bauschen laienschauspielernd ihr Leid ungebührlich auf. Gerade weil die TV-Hyänen aber nach spektakulären Szenen gieren, bevorzugen sie sogar bewußt oder unbewußt diesen begierig auskunftsbereiten Opfertypus, der letztlich andere sogar verhöhnen kann.

Gegen solche Exzesse anzuschreiben dürfte nahezu aussichtslos sein, solange der Zuschauer nicht nur nicht wegschaltet, sondern genau das geifernd erwartet. Deswegen aber aufzugeben, wäre das Falscheste, was man machen kann.

Und ab und zu lassen derartige Einlassungen auch tiefere und durchaus interessante Einblicke in die Opferseele zu und geben hier und da vielleicht auch landsmannschaftliche Unterschiede hinsichtlich der Form der Reaktion auf das Elend preis. Zwei davon seien exemplarisch herausgehoben. Gezeigt wurde unter anderem ein Ehepaar, das sich in letzter Sekunde aus seinem betagten Kleinwagen aus hüfthohem Wasser rettet, das in einer Unterführung irgendwo im Ruhrpott zusammengelaufen war. Auf die Frage, ob sie es als lebensbedrohlich empfunden habe, sagte die ältere Dame möglicherweise unter Verkennung der tatsächlich gedroht habenden Gefahr sinngemäß: “ Na ja, ist nicht lebensbedrohlich, mehr ärgerlich! Aber vielleicht kann ich mich bald über ein neues Auto freuen.“. Welch‘ lebensbejahende und praktische Sicht auf die Dinge, die einen sogar leicht schmunzeln läßt! Oder eine Frau in Braunsbach, die mit ihren kleinen Kindern den Schlamm aus dem Erdgeschoß ihres nahezu komplett verwüsteten Klempnerbetriebes schaufelt und auf die Frage, ob das eine Katastrophe sei, weise und gelassen in etwa antwortet: „Also Katastrophe würde ich nicht sagen; das wäre nur gerechtfertigt, wenn Menschen umgekommen wären. Viel schlimmer ist, daß die Leute denken, man dürfe uns im Moment nicht mit Aufträgen belästigen, obwohl der Betrieb natürlich weiterläuft und wir gerade jetzt dringend auf Arbeit angewiesen sind“. Bewundernswert! Kein Gejammere und Mitleiderregenwollen, keine Hysterie, sondern reiner, zupackender Pragmatismus! Da haben wir aus anderen Regionen bei ähnlichen Ereignissen ganz andere Einlassungen in Erinnerung.

Wenn überhaupt, sollten also solche Menschen gezeigt werden, die ihr Schicksal demütig akzeptieren und, ohne zu zögern, gleichzeitig optimistisch und unter Aufbietung fast übermenschlicher Kräfte der Lage Herr zu werden versuchen. Das ist natürlich nicht herzzerreißend, sondern nur zutiefst sympathisch und respekteinflößend, also viel zu schwach für die horrorabgestumpften Televisions-Junkies auf beiden Seiten der Mattscheibe. Es wäre aber ein weitaus besseres Abbild der Realität und ein positives Signal an alle, daß es nämlich nahezu kein Problem gibt, welches man nicht (gemeinsam) lösen könnte, solange man gesund ist und bleibt. Insofern sei den Sendern ausdrücklich gedankt, die uns auch die oben zitierten Opfer gezeigt haben.

Gute Nacht!

Ihr/Euer Wolf

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wolfsgeheul.eu vom 05.01.2016

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Kondolieren ist ein besonders schwieriges Unterfangen, das selbst Menschen, denen das Schreiben ansonsten leicht von der Hand geht, an ihre Grenzen zu bringen vermag. Darüberhinaus ist es ein höchst privatimer Akt gegenüber einer einem nahestehenden Person oder Familie. Das wiederum aber schützt den Autor einer zu sachlichen oder gar unglücklichen Beileidsbekundung vor öffentlichem Spott, und die Trauernden beweisen in dieser Situation sicherlich ein großes Herz mit gegebenenfalls etwas unbeholfenen Freunden oder guten Bekannten des Hauses, gibt es doch viel Größeres zu beklagen, als eine eventuelle Ungeschicklichkeit beim Versuch, die Hinterbliebenen zu trösten und sie der Wertschätzung für den Verstorbenen zu versichern. Außerdem zählen die Geste und der Mut, es überhaupt gewagt zu haben. Denn wie oft erlebt man auch die, die sich nonchalant meinen, durchmogeln zu können, indem sie freimütig und feige bekunden, des Kondolierens nicht fähig zu sein. In diesen Fällen wäre sogar Schweigen der bessere Weg. Und die ganzen formellen Schreiben sollte man ohnehin hinsichtlich Wahrheitsgehalt und Ernsthaftigkeit nicht besonders wichtig nehmen. Hier wird nämlich genausoviel gelogen und geheuchelt wie schon zuvor in so mancher Todesanzeige, weshalb bei ihnen maximal die Anzahl und die gesellschaftliche Stellung des Absenders als Gradmesser für die Bekanntheit und Wirkmächtigkeit des Toten zu seinen Lebzeiten herhalten können, was aber in Summe auch einer Ehrung und Würdigung gleichkommt.

Viel einfacher gestaltet sich da tatsächlich der öffentliche Nachruf, bei dem letztlich nur der Grundsatz „de mortuis nihil nisi bene“ zu beachten ist. Für Kritik, Herabwürdigung oder gar Beleidigungen ist es zu spät, die Chancen sind vertan. Die Höchststrafe bleibt so, gar keinen Nachruf zu verfassen, was aber selbst dem Erzfeind gegenüber armselig sich ausmacht. Zusätzlich ist es im höchsten Maße ungerecht, jemandem, an dem man sich sein Leben lang gerieben und abgearbeitet hat, die Ehre zu verweigern, festzustellen, daß er dafür immerhin für würdig befunden worden ist. Anders liegt der Fall nur bei Menschen, die der Autor oder das Presseorgan immer schon mit Mißachtung bestraft haben. Ein öffentlicher Nachruf braucht also in der Minimalversion nur die wesentlichen biographischen Daten aufzulisten. Soll er persönlicher und ausführlicher sein, hat er zu beachten, daß er sich mit diskreten Details zurückhält, denn er richtet sich an die Öffentlichkeit und der Verstorbene hat keine Möglichkeit mehr, sich dazu zu äußern. Das gilt insbesondere für objektiv unberechtigte Vereinnahmungen und übertriebene Darstellung eines Nähevehältnisses, welches in Wirklichkeit niemals bestanden hat, ein Phänomen, das leider in unserer eitlen Welt, in der immer wieder auch vom Nachrufer der Versuch unternommen wird, sich ungerechtfertigterweise mit den Lorbeeren des Toten zu schmücken und von seinem Ableben selbst zu profitieren, nicht selten vorkommt. Eingedenk dessen kann ebenfalls beim Nachruf einiges schiefgehen, aber der Wohlmeinende und Ehrliche hat ein relativ leichtes Spiel mit dieser Aufgabe.

Am Montag nun ist Achim Mentzel im Alter von nur 69 Jahren überraschend verstorben. Der Ostberliner Entertainer und Schlagersänger hat nicht nur in der DDR, sondern auch im vereinten Deutschland mit seiner unbändigen Lebenslust, seinem Humor und seiner Fähigkeit zur Selbstironie zu recht eine allgemeine Berühmheit erlangt. Er war ein Original. Was aber jetzt via Facebook vermeintliche Freunde wie Oliver Kalkhofe oder Jens Riwa verbreiten, ist geschmacklos und zeigt, welch‘ Geistes Kinder die Verfasser sind. Der so seriös daherkommende Riewa ruft Achim Mentzel „Tschüß, Hamsterfresse.“ nach, und Kalkhofe redet ihn mit „Zonen-Zausel“ an und wähnt ihn in Anspielung auf den Spreewald und einen Schlager Mentzels im „Gurkenhimmel“.

Hier offenbart sich augenscheinlich ein großes Mißverständnis. Zum einen ist Facebook öffentlich und zum zweiten ist Achim Mentzel tot. Wie auch immer man sich zu Lebzeiten unter Freunden, wenn es denn wirklich welche waren, angeredet oder übereinander gesprochen, worüber man auch immer gemeinsam gefrotzelt haben mag, es verbietet sich, nach dem Tod des Freundes damit fortzufahren. Selbst Kalkhofe und Riewa ist zu unterstellen, daß sie der Witwe Mentzels mit ihren handschriftlichen Beileidsbriefen nicht ihre Trauer und Anteilnahme wegen des Ablebens ihres „Zonen-Zausels“ und ihrer „Hamsterfresse“ ausdrücken.

Der Rückgang in Sachen Stil, Benehmen und Einfühlungsvermögen ist ein herber Verlust für unsere Kulturnation. Es ist aber auch nicht zu verkennen, daß ein so schnelles und flüchtiges Medium wie Facebook die Einhaltung guter alter Regeln nicht gerade befördert. Es läßt die Grenzen zwischen öffentlich und privat für die Nutzer offenbar verschwimmen. Schade! Der Welt geht ein Stück Würde verloren. Auch das ist leider ein Mosaikstein in der Beantwortung der Frage, warum wir zunehmend verrohen.

Nur, weil er grenzenlosen Humor, ein unerschütterliches Selbstvertrauen besaß und deshalb hart im Nehmen war, hat Achim Mentzel das nicht verdient. Ruhe in Frieden!

Gute Nacht!

Ihr/Euer Wolf

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