wolfsgeheul.eu vom 17.01.2018

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Seit wann gibt es eigentlich Wutbürger, und wer oder was bringt sie hervor?

Ein Lied sagt da manchmal mehr als tausend Worte:

Sei wachsam

Ein Wahlplakat zerrissen auf dem nassen Rasen,
Sie grinsen mich an, die alten aufgeweichten Phrasen,
Die Gesichter von auf jugendlich gemachten Greisen,
Die Dir das Mittelalter als den Fortschritt anpreisen.
Und ich denk’ mir, jeder Schritt zu dem verheiß’nen Glück
Ist ein Schritt nach ewig gestern, ein Schritt zurück.
Wie sie das Volk zu Besonnenheit und Opfern ermahnen,
Sie nennen es das Volk, aber sie meinen Untertanen.
All das Leimen, das Schleimen ist nicht länger zu ertragen,
Wenn du erst lernst zu übersetzen, was sie wirklich sagen:
Der Minister nimmt flüsternd den Bischof beim Arm:
Halt du sie dumm, – ich halt’ sie arm!

Sei wachsam,
Präg’ dir die Worte ein!
Sei wachsam,
Fall nicht auf sie rein!Paß auf, daß du deine Freiheit nutzt,
Die Freiheit nutzt sich ab, wenn du sie nicht nutzt!
Sei wachsam,
Merk’ dir die Gesichter gut!
Sei wachsam,
Bewahr dir deinen Mut.
Sei wachsam
Und sei auf der Hut!

Du machst das Fernsehen an, sie jammern nach guten, alten Werten.
Ihre guten, alten Werte sind fast immer die verkehrten.
Und die, die da so vorlaut in der Talk-Runde strampeln,
Sind es, die auf allen Werten mit Füßen rumtrampeln:
Der Medienmogul und der Zeitungszar,
Die schlimmsten Böcke als Gärtner, na wunderbar!
Sie rufen nach dem Kruzifix, nach Brauchtum und guten Sitten,
Doch ihre Botschaft ist nichts als Arsch und Titten.
Verrohung, Verdummung, Gewalt sind die Gebote,
Ihre Götter sind Auflage und Einschaltquote.
Sie biegen die Wahrheit und verdrehen das Recht:
So viel gute alte Werte, echt, da wird mir echt schlecht!

Sei wachsam, …………

Es ist ‘ne Riesenkonjunktur für Rattenfänger,
Für Trittbrettfahrer und Schmiergeldempfänger,
‘ne Zeit für Selbstbediener und Geschäftemacher,
Scheinheiligkeit, Geheuchel und Postengeschacher.
Und die sind alle hochgeachtet und sehr anerkannt,
Und nach den schlimmsten werden Straßen und Flugplätze benannt.
Man packt den Hühnerdieb, den Waffenschieber läßt man laufen,
Kein Pfeifchen Gras, aber ‘ne ganze Giftgasfabrik kannst du kaufen.
Verseuch’ die Luft, verstrahl’ das Land, mach ungestraft den größten Schaden,
Nur laß dich nicht erwischen bei Sitzblockaden!
Man packt den Grünfried, doch das Umweltschwein genießt Vertrau’n,
Und die Polizei muß immer auf die Falschen drauf hau’n.

Sei wachsam, ………..

Wir ha’m ein Grundgesetz, das soll den Rechtsstaat garantieren.
Was hilft’s, wenn sie nach Lust und Laune dran manipulieren,
Die Scharfmacher, die immer von der Friedensmission quasseln
Und unterm Tisch schon emsig mit dem Säbel rasseln?
Der alte Glanz in ihren Augen beim großen Zapfenstreich,
Abteilung kehrt, im Gleichschritt marsch, ein Lied und heim ins Reich!
„Nie wieder soll von diesem Land Gewalt ausgehen!“
„Wir müssen Flagge zeigen, dürfen nicht beiseite stehen!“
„Rein humanitär natürlich und ganz ohne Blutvergießen!“
„Kampfeinsätze sind jetzt nicht mehr so ganz auszuschließen.“
Sie zieh’n uns immer tiefer rein, Stück für Stück,
Und seit heute früh um fünf Uhr schießen wir wieder zurück!

Sei wachsam, …………

Ich hab’ Sehnsucht nach Leuten, die mich nicht betrügen,
Die mir nicht mit jeder Festrede die Hucke voll lügen,
Und verschon’ mich mit den falschen Ehrlichen,
Die falschen Ehrlichen, die wahren Gefährlichen!
Ich hab’ Sehnsucht nach einem Stück Wahrhaftigkeit,
Nach ‘nem bißchen Rückgrat in dieser verkrümmten Zeit.
Doch sag die Wahrheit und du hast bald nichts mehr zu lachen,
Sie wer’n dich ruinier’n, exekutier’n und mundtot machen,
Erpressen, bestechen, versuchen, dich zu kaufen.
Wenn du die Wahrheit sagst, laß draußen den Motor laufen,
Dann sag sie laut und schnell, denn das Sprichwort lehrt:
Wer die Wahrheit sagt, braucht ein verdammt schnelles Pferd.

Sei wachsam, …………“

Bereits vor über zwanzig Jahren, nämlich 1996 veröffentlichte Reinhard Mey obigen, zugegeben text- wie tonlich brillianten Song. Damit keine Mißverständnisse aufkommen! Mit diesem Sänger verbinde ich meine Jugend. Seine frühen Texte kenne ich bis heute nahezu wörtlich auswendig. Circa 1976 erlebte ich ihn live in der Dreifach-Turnhalle meines Gymnasiums in Haan und war begeistert. Er ist halt neben Degenhardt, Wader, Wecker und Biermann einer der großen politischen Sänger in unserem Lande und obendrein der einzig echte Chansonnsier deutscher Zunge. Und er hat in und mit vielem recht. Aber in der im obigen Lied verkörperten Pauschalität unterscheidet sich der ach so kritische Geist nicht entscheidend von den „Lügenpresse“ und „Volksverräter“ schreienden Pegida-Idioten. Das hat mit Pointieren nicht mehr viel zu tun. Es ist eher ein wüster Rundumschlag, also letztlich Verleumdung und Panikmache.

Das kommt davon, wenn man genauer hinschaut! Etwas nachdenklich wünsche ich eine

gute Nacht

Ihr/Euer Wolf

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wolfsgeheul.eu vom 23.02.2016

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1. Es gibt keine Liedermacher mehr!

2. „Es gibt keine Maikäfer mehr“ sang erstmalig vor über vierzig Jahren Reinhard Mey!

Was ist schlimmer? Eindeutig ersteres, allein schon deshalb, weil augenscheinlich die „Kaiser“, „Schornsteinfeger“ und „Müller“ einfach nur vom jetzt grassierenden Junikäfer abgelöst worden sind. Wir nähern uns eben auch faunatechnisch einem Deutschen Herbst der anderen Art. Aber wer heute auf musikalischem Wege nach politischen Statements sucht, der muß die Altvorderen bitten, die verstaubten Schallplatten herauszuholen. „Spiel nicht mit den Schmuddelkindern“ kannten früher sogar stramme RCDSler, selbst wenn sie Degenhardt ansonsten verteufelten und den unmusikalischen Franz Josef bevorzugten. „Ja, wenn der Senator erzählt“, dann lauschten selbst Kapitalismusbefürworter sehr genau, entweder um es nachzuahmen oder um zu erfahren, wie man es vielleicht doch nicht machen sollte. Heute hört die Mehrheit der jungen Menschen unerträgliche Schnulzen wie „Wenn ein Lied meine Lippen verläßt, dann nur damit du Liebe empfängst“. Um wieviel spannender klingt dagegen „Ich singe, weil ich ein Lied hab‘, nicht weil es euch gefällt“ aus unserer Jugendzeit!

Die Waders und Weckers altern derweil auf der Bühne, ohne daß sie ihr Repertoire großartig erweitern müßten, so zeitlos sind ihre Texte. Selbst wenn sie es wollten, könnten sie aber mangels Nachfolgern den Staffelstab nicht weiterreichen und sich zum Entenfüttern auf die Parkbank zurückziehen. Sie sind lebende Klassiker und bleiben die wenigen greisen Rufer in der Wüste. Mit ihnen wird eine Ära zu Ende gehen.

Und da will uns die kürzlich erschienene Jugendstudie von Shell weismachen, die Jugend sei wieder politischer geworden. Im Handelsblatt wird heute dagegen vom einem Hilferuf des Deutschen Lehrerverbandes berichtet, der beklagt, daß es gravierende Mängel bei der Vermittlung zeitgeschichtlicher Kenntnisse gebe. Da mahnen die Richtigen! Eine Studie der FU Berlin aus dem Jahre 2012(!) hatte bereits festgestellt, daß Schüler der Klassen 9 und 10 in fünf verschiedenen Bundesländern Diktaturen nicht korrekt von Demokratien scheiden können und unsere Bundesrepublik nicht als eindeutig demokratisch empfinden. Dies sehen unsere Oberlehrer auch als Grund für die fremdenfeindlichen Tendenzen.

Geistig armes Deutschland! Seit Jahren bekannte Mängel werden offenbar bis heute nicht wirksam bekämpft. Und niemand singt wenigstens über Moral, Unrecht, Recht etc.. Da kann die Jugend ja nur orientierungslos dahindümpeln.

Wenigstens gibt es noch ein paar Bänkelsänger-Urgesteine. Sie waren nie aktueller und wichtiger.

„Gestern habns an Willy daschlogn,
und heit, und heit, und heit werd a begrobn.“

Jugend, hört die Signale! Es gilt eben immer noch „Genug ist nicht genug“! Die Lieder gibt es übrigens auch bei Spotify! Und spielt diese Musik – insbesondere in Ostdeutschland – euren Eltern vor, die haben nämlich zum Teil ebenfalls elementaren „Nachholebedarf“, wie der Sachse sagt.

Da fällt mir ein: Ich schreibe, weil ich ’nen Text hab, nicht weil ihr mich dafür entlohnt! Warum eigentlich nicht? In diesem Sinne

gute Nacht!

Ihr/Euer Wolf

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