wolfsgeheul.eu vom 25.06.2015

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Der grüne Bürgermeister von Tübingen, Boris Palmer, der durch seine Auftritte im Zusammenhang mit der öffentlichen Anhörung zu Stuttgart 21 und seine scharfzüngige, durchaus intelligente aber naßforsche bis unverschämte Art bekannt geworden ist, schreibt heute in der FAZ auf Seite acht unter „Fremde Federn“ einen Artikel mit der Überschrift „Entspannt Euch!“.

Aufhänger ist der in meinen Augen unsägliche Vorgang um den britischen Biochemiker und Nobelpreisträger, Sir Richard Timothy Hunt, der eine laxe, genauso humoristische wie mutmaßlich ehrliche und wahre Aussage mit dem Verlust von Amt und Ansehen bezahlen mußte, weil offenbar kein Ranghoher bereit war, sich vor ihn zu stellen und zu helfen, den Sexismusvorwurf-Shitstorm auszuhalten und zu überstehen. Palmer bezeichnet zwar Hunts Bemerkung als „sexistischen Unfug“ und sieht darin eine Haltung, „die vielen Frauen den Aufstieg in der Wissenschaft trotz bester Leistungen verwehrt“ habe. Faktischer Unfug, oder mußte sich Marie Curie als Mann verkleiden!? Aber interessant ist, daß Palmer im weiteren entsprechend der Überschrift deutlich dazu aufruft, die Entrüstungsdosis zurückzufahren und andere Meinungen nicht nur zu gestatten – eine Selbstverständlichkeit -, sondern sich mit ihnen auseinanderzusetzen und sie notfalls wenigstens gelten zu lassen, statt nur über den Andersdenkenden oder den, der vermeintlich politisch inkorrekt geredet und /oder gehandelt hat, herzufallen und seine Reputation zu töten, ohne ihm eine faire Chance zu gewähren. In diesem Zusammenhange streift er weitere aktuelle Themen wie Homo-Ehe, Flüchtlings- und Fremdenfeindlichkeit. Daß seine Formulierungen teilweise apodiktisch – seine Art – und relativierend – muß er wegen der entsprechenden Gruppen in seiner Partei – sind, sei ihm nachgesehen. Wichtig ist, daß hier ein Aktivist zu Besonnenheit aufruft und die emanzipatorischen Bewegungen auffordert, zu erkennen, wann sie ihre Interessen in der Gesellschaft umgesetzt haben, und dann Ruhe zu geben, anstatt weiter vorlaut zu kläffen und Menschen nicht nur persönlich anzugreifen, sondern regelrecht fertigzumachen.

Danke, Herr Palmer! Da rudert einer zurück, der gemerkt hat, daß manche Geister, die er, seine Parteigenossen und andere riefen, man nicht mehr loswird und sie quasi ein unkontrollierbares Eigenleben entfalten. Walle! walle manche Strecke, daß, zum Zwecke, Haß ersprieße und mit reichem, vollen Schwalle, zu dem Chaos sich ergieße. Vielleicht hat der grüne OB auch erkannt, daß mit dieser Methode auch andere Ziele verfolgt werden können, wie man an der Pegida sehen kann. Entrüstung und quasimilitantes Vorgehen sind nicht allein den angeblichen Gutmenschen zugänglich. Und schlechtes Beispiel macht Schule auch dort, wo man es am wenigsten will. Zurück zu Toleranz, Meinungsvielfalt und hartem, aber fairen Stil bei der politischen und sonstigen Auseinandersetzung täte der Sache und uns allen gut. Wenn wir achtsam und stilvorgebend sind, stellen wir die (Minderheiten), die sich nicht an die Regeln halten, in die Ecke und lassen uns nicht von denen dorthin bugsieren. Das setzt aber Aktivität und nicht Apathie voraus. Nur die Aktivisten müssen sich entspannen.

Schön, daß jemand seine Fehler einsieht. Springen wir ihm bei, damit die Beichte Folgen hat.

Gute Nacht!

Ihr/Euer Wolf

 

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wolfsgeheul.eu vom 14.06.2015

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Sir Elton John, mit dem ich zum Thema „Homosexualität“ Dissens(s. Kolumnen vom 10.04.2015 und 04.06.2015) habe, hat laut T-Online vom 09.06.2015 vor kurzem anläßlich eines Konzertes in Gloucester eine Ordnerin, die im Vereine mit Kollegen Fans in den vorderen Reihen daran hindern wollte, ihre Arme hochzurecken, um den dahinter Stehenden die Sicht nicht zu versperren, zur Ordnung gerufen und wüst beschimpft. Unter dem Hinweis, dies sei sein Konzert, hat er sich dafür ausgesprochen, die Fans, die seiner Musik wegen gekommen seien, hinsichtlich der Ausdrucksform ihrer Begeisterung nicht einzuschränken. Nach der Anmerkung, man sei dort nicht in China, forderte er die Ordner dann unflätigst auf, sich zu entfernen, um danach wohl eine nicht im einzelnen zitierte weitere Schimpfkanonade auf die Sicherheitsleute herniederprasseln zu lassen. Das ganze soll dann gegipfelt sein in einem persönlichen Angriff auf die offenbar blondzöpfige Ordnerin, indem er brüllte „Da ziehst Du eine verdammte Uniform an und schon denkst Du, Du bist Hitler.“. Relativ kurz danach schon hat er sich dann bei der Dame entschuldigt, sie hierzu sogar auf die Bühne gebeten und bekundet, daß man so mit einer „Lady“ nicht reden dürfe und es ihm sehr leid tue. Soweit zu den Fakten des Vorfalles laut Bericht!

Da stehe ich doch einmal mehr auf der Seite des Weltstars. Meines Wissens gehört auch Gloucester zur freien Welt, und die Mitarbeiter der Security-Unternehmen haben doch eigentlich nur die Aufgabe, Übergriffe auf die Bühne zu verhindern und den Ausbruch von Panik und gefährlichen, nicht mehr zu kontrollierenden Bewegungen der Massen zu verhindern. Beides war offensichtlich vorliegend nicht zu besorgen. Also haben die Ordner sich wohl tatsächlich in etwas eingemischt, was sie nichts anging.

Und da kommt dann sehr wohl die Uniform ins Spiel. Sie verleitet nachweislich dazu, sich für allumfassend mächtig und zuständig anzusehen. Ähnliches habe ich gerade erst letzten Dienstag beim Auftritt von Vivienne Westwood erleben dürfen. Dieses Phänomen habe ich aber in der von mir bereisten Welt bei unterschiedlichsten Völkern in gleicher oder ähnlicher Weise erlebt und ist mutmaßlich nirgendwo anders. Daß Sir John direkt auf Nazideutschland rekukurriert, liegt an so wunderbaren Sendungen wie „Hogan’s Heroes“, die nicht so gut wären, würden sie nicht mit überspitzten Vorurteilen zur deutschen Mentalität spielen. Das darf der Sieger, und der Verlierer muß es aushalten; wenn man Humor hat, lacht man sogar als Deutscher darüber. Also nehmen wir den Hitler-Vergleich als pars pro toto und konzedieren, daß Uniformen den Menschen überall auf der Welt zum Negativen zu verändern vermögen und ihn zum Beispiel zur Kompetenzüberschreitung allein qua Kleidungsautorität verleiten.

Also, warum mußte Sir John – wenn man einmal den vielleicht entschuldigungswürdigen Unflat außer Acht läßt – eigentlich bei der Dame um Verzeihung bitten? Er mußte es nicht. Er war nicht nur die Hauptperson, sondern er hatte auch durchaus Recht. Und eine saftige Beschimpfung vorgetragen vom Star auf den Brettern, die die Welt bedeuten, ist doch das Salz in der Suppe; die Freiheit hat jeder und hat sich jedenfalls der Erfolgreiche und Unabhängige redlich verdient. Hat sich der – nimmt man einmal seine Kinder und andere mutmaßliche Opfer seiner Existenz aus – großartige Klaus Kinski jemals entschuldigt? Nein! Und das war gut so. Wir leben nicht mehr in Feudalsystemen, in denen sich die Herrschaft gegenüber dem Künstler alles herausnehmen konnte. Heute ist der Star der Feudalherr und kann, wenn er ihn denn verdient, den ihm gebührenden Respekt beim Auditorium und jedem anderen selbst einfordern. Keith Jarrett, der große Jörg Demus – selbst erlebt – und andere sind hier Vorbilder.

Also, bitte keinen Shitstorm! Freut euch der Menschen, die sich die Freiheit erkämpft und verdient haben, die Dinge offen und klar anzusprechen. Und hört zu, was sie zu sagen haben! Es ist nicht immer im Drogenrausch des Erfolges produzierter Unsinn.

Gute Nacht!

Ihr/Euer Wolf

 

 

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