wolfsgeheul.eu vom 20.06.2016

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„Du kannst nicht alles haben. ……“, hat uns Roy Black ins Poesiealbum gesungen!

Der Künstler Christo hat uns in anderer Weise beglückt und grandiose neue, überraschende Anblicke dieser Welt beschert. Reichstag, Pont Neuf etc.! Dafür gebührt ihm Dank. Jedesmal gab es einen Haufen Bürokratie und sonstigen Widerstand zu überwinden, und immer waren die Aktionen eine gigantische Materialschlacht mit riesigem finanziellen und logistischen Aufwand. Christos Hartnäckigkeit bei der Umsetzung seiner aberwitzigen Ideen ist es zu verdanken, daß es ihm bei den realisierten Projekten wiederholt gelungen ist, vorweg andere Menschen zu begeistern, und ohne seine Risikofreude angesichts immenser Vorlaufkosten, deren Refinanzierung keinesfalls eine Selbstverständlichkeit war, wäre nichts verwirklicht worden. Damit hat er unser Leben bereichert.

Was ihm aber durchgängig fehlt, ist ein gewisser Humor, so daß er niemals sehr sympathisch erscheint. Gerne erinnere ich mich, wie er einmal eine Fernseh-Talk-Show wütend verließ, weil er ein handsigniertes Portrait von ihm als Provokation – so war es natürlich auch gemeint – empfand und nicht annehmen wollte, das der unnachahmlich gelangweilt tuende Gast Helge Schneider mit ein paar Strichen während der Befragung Christos angefertigt hatte. Es ist schon traurig, wenn Menschen nicht souverän sind und über sich und andere nicht lachen können. Allerdings ist das kein seltener Fall bei großen Persönlichkeiten. Vielleicht könnten sie, wenn sie mehr Distanz zu sich hätten, ihr Werk nicht derartig außergewöhnlich vollbringen. Man kann eben nicht alles haben, und die Kunst ist allemal wichtiger als der Künstler.

Aktuell macht Christo mit den „Floating Piers“ über den Lago d’Iseo in Oberitalien wieder von sich reden. Wenn man die Bilder sieht, möchte man sich sofort ins Auto setzen und hinfahren. Aber auch hier gilt, daß man nicht alles haben kann und muß. Die Pont Neuf habe ich ebenfalls nicht live gesehen, weil es sich nicht sonstig ergeben hat, zu der Zeit Paris einen Besuch abzustatten. Und den beeindruckenden eingepackten Reichstag habe ich nur deshalb vor Ort genießen können, weil ich zufällig gleichzeitig beruflich in Berlin weilte. Mag es auch noch so unmodern sein, ich mache diesen oberflächlichen und maximierenden Kulturtourismus eben nicht mit. Er hat für mich etwas Dekadentes. Trotzdem ist es eine wunderbare Vorstellung, ohne Geländer – das wäre in Deutschland bestimmt nicht genehmigt und für Fußgänger freigegeben worden – über einen tiefen See zu wandeln. Aber wie bei vielem reicht hier bereits die Idee, nicht alles muß auch wirklich in die Tat umgesetzt werden. Zufriedenheit speist sich nicht aus der Optimierung besonderer Eindrücke und Erlebnisse. Eine solche Haltung täte manchem gut und würde obendrein die Umwelt schonen. Daß ich damit zum wiederholten Male ein Rufer in der Wüste bin, ist mir bewußt. Die Welt entfernt sich in vielerlei Hinsicht etwas von mir. Vielleicht eine typische Alterserscheinung!?

Ein Punkt muß aber noch Erwähnung finden, weil ich ihn geradezu unglaublich finde. Offensichtlich ist der ernsthafte und humorlose Herr Christo nämlich schwer von der Hybris befallen. Daß man bei der Aktion in Italien automatisch an den übers Wasser gehenden Jesus denkt, ist selbstverständlich, wenngleich dieser sicherlich nicht so berühmt und bedeutend geworden wäre, hätte er sich dabei solcher Pontonstege bedient. Anläßlich der „Floating Piers“ nun läßt der Künstler wie schon bei der Reichtagsverhüllung von uniformierten Mitarbeitern kleine Quadrate des hier gelben Stoffes, mit denen die Stege umhüllt sind, als Souvenir verteilen. So weit, so nett! Daß er aber, wie die FAZ heute berichtet, diesen Vorgang wie die Übergabe einer Hostie beim Abendmahl und mit den gesprochenen Worten „Corpo di Christo“ zelebrieren läßt, zeugt davon, daß er übergeschnappt sein muß. Für seinen Namen kann Christo nichts, sich aber deshalb schon für Jesus zu halten, ist unerträglich und geradezu blasphemisch. Ein weiterer Grund, um dem Drang nach Besichtigung nicht nachzugeben und fortan grundsätzlich auf Distanz zum Meister der Camouflage zu gehen.

„……….. Das Glück den Sonnenschein.“

Gute Nacht!

Ihr/Euer Wolf

 

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wolfsgeheul.eu vom 03.05.2016

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Beuys vertrat die Auffassung, daß jeder Mensch ein Künstler sei. Dagegen meine ich inzwischen, daß jeder Künstler auch nur ein Mensch ist.

Früher hatte ich die glorifizierende Vorstellung, der Künstler sei der Getriebene seiner genialen Veranlagung. Heute glaube ich, daß er genau wie jeder andere seinen Ansprüchen immer hinterherhechelt. Kunst ist nämlich zuallererst einmal solides Handwerk. Wer das nicht erlernt und spielend beherrscht, wird ohnehin kein Großer seines Fachs. Und dann entwickelt sich bei ihm genauso der Kampf mit den inneren Nöten und Begrenztheiten, es beginnt die mühselige Suche nach dem eigenen Weg. Bilder fließen eben nicht einfach aus dem Pinsel und Musik nicht aus der Feder. Das Schaffen von Werken ist ein langer Prozeß von Experimentieren und der Findung eines Konzeptes. Unabhängig von der Frage, ob etwas tatsächlich neu ist, gar überhaupt neu sein kann oder – was wohl richtiger ist – immer nur eine Kombination aus Vorhandenem und Bekanntem darstellt, geht es vor allem darum, ein persönliches Thema, einen eigenen Stil zu finden. Nur dadurch kann es gelingen, herauszuragen und etwas wirklich Einzigartiges zu entwickeln, das hervorlugt aus dem Meer der Mittelmäßigkeit. Der Kopist oder der phantasielose Produzent von Publikumsgeschmack beendet – unabhängig von eventuellem wirtschaftlichen Erfolg – bereits sein Künstlertum, bevor er diese Stufe der Erhabenheit überhaupt erreicht hat. Nur wer weiter an sich und seinem Werk arbeitet, kann ernst genommen werden. Dieses ständige und niemals endende Ringen ist es, das einen echten Artisten zum einen auszeichnet und zum anderen immer wieder auch zermürbt, denn es ist einfach anstrengend, nicht nur als Mensch, sondern auch in seinem Beruf einzig zu sein. Und da genau liegt der Unterschied zu anderen Berufen und Berufungen. Während es in der nichtkünstlerischen Welt ausreicht, seine Arbeit gut zu machen, muß der Künstler sich ständig verbessern und hinterfragen. Und weil er sich nie am Ende einer und seiner Entwicklung sieht, betreibt er sein Tun oft auch viel verbissener, ja muß es vielleicht sogar. Die meisten Künstler sind nämlich nicht – Ausnahmen bestätigen natürlich wie überall die Regel – oder nicht allein die fröhlichen Lebemenschen, sondern eher humorfernere und ernstere Naturen, deren innere Zerrissenheit und Selbstzweifel häufig ans Pathologische grenzen, so daß sie mehr noch als der Mensch generell dazu neigen, ihr Heil in der Bewußtseinserweiterung und Ablenkung zu suchen, was sie anfälliger für Drogen und zu zwanghaften Hedonisten – eigentlich ein Widerspruch – machen kann. Und letztlich muß auch ein Künstler leben, also ganz profan mit seinem Schaffen Geld verdienen. Künstlersein ist für die meisten harte Arbeit, weswegen manche auch viel zu viel über das Entstehen ihrer Kunst und die dahinterstehenden Überlegungen berichten. Eine drängende Bitte um Würdigung ihres überproportionalen Einsatzes und der Ruf nach Ernstgenommenwerden! Ist das wirklich beneidenswert oder mehr ein selbstauferlegtes schweres Los? Es gleicht eins zu eins dem „wahren“ Leben: Nur die, denen ihr Schaffen einigermaßen leicht von der Hand – die gibt es nämlich in allen Lebensbereichen, also auch in der Kunst – geht, leiden nicht zu stark unter dem, was sie tun. Alle anderen überfordern sich, egal wie bereichernd ihre Kunst auch sein mag.

Wer sich also überlegt, ob er Künstler werden will, sollte eher disziplinierter sein als der Durchschnitt, da in seiner Arbeit erheblich größere Gefahren für ihn selbst lauern und die Luft oben noch dünner wird als in gewöhnlichen Berufen. Denn „Angst essen Seele auf“!

Das alles sollte man bedenken, wenn einem Künstler das Leben versüßen mit ihrer Arbeit. Sie sind Menschen wie Du und Ich, aber sie machen sich um unser Wohl verdient. Das ist allen Dankes wert. Applaudieren wir immer kräftig und bringen sie zum Lachen, damit sie durchhalten und weiter für unsere Zerstreuung sorgen.

Gute Nacht!

Ihr/Euer Wolf

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Bild: Harald Klein, Photo: Wolf M. Meyer

P. S.: Und, liebe Künstler, bleibt locker! Es hilft euch und uns! Eure Werke auch ohne Hintergrundwissen und Erklärungen einfach nur schön zu finden, ist doch das größte Lob. Während man auf gefallene Mädchen herabblickt, schaut man zu gefallender Kunst auf.

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